Freitag, 28. Mai 2010

Yunus darf nicht beten

... berichtet heute.de:
"Eine Berliner Schule darf einem muslimischen Schüler das öffentliche Gebet in der Schule verbieten. Das hat das zuständige Oberverwaltungsgericht entschieden. Glaubensfreiheit anderer Schüler, Elternrechte und Schulfrieden könnten gestört werden."
Mir ist nicht ganz klar, inwiefern fünf, höchstens zehn Minuten, die der Junge während der Mittagspause in einem von der Schule dafür eingerichteten, separaten Raum verbringen würde, den Schulfrieden stören könnten. Bei uns an der Uni gab es einen "Raum der Stille", der explizit Angehörigen aller Religionen und Weltanschauungen offen stand. Da haben die Muslime gebetet genauso wie Christen der unterschiedlichen Denominationen, der Raum stand allen offen. Ich bin jetzt schon seit einem Weilchen nicht mehr an der Uni, aber wenn es dort deswegen zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen wäre, hätte ich davon sicherlich erfahren...

Und wenn es dieser Direktorin tatsächlich um das Neutralitätsgebot in der Schule geht, müsste sich die Schule dann nicht erst recht aus dieser Sache heraushalten anstatt ihren Schülern quasi vorzuschreiben, ob sie zu beten haben oder nicht? Wieso gibt es dann Weihnachtsfeiern, Osterferien, gilt es da nicht, das "Neutralitätsgebot"?

Der Staat sollte tatsächlich neutral in Fragen der Religion sein (so weit das eben möglich ist), aber hier wurde ja nicht gefordert, dass die Schuldirektorin das Gemeinschaftsgebet anführt ... sondern dass sie die, die beten möchten, beten lässt. Wenn sie nicht beten möchte, ist das ihre Sache, aber ihren Willen anderen aufzwängen zu wollen, ist unsagbar.

Was die soziale Dimension angeht, ist die Sache auch ziemlich simpel: Religion ist ein Teil des Lebens. Für manche ist sie sehr wichtig, für andere weniger, für die nächsten vollkommen irrelevant. Was dann zu tun ist, ist doch nicht, vorzugeben, wir wären alle gleich und es gäbe keine Unterschiede, sondern Widersprüche zuzulassen und diese dann bei Bedarf zu thematisieren. Zu glauben, dass Verbote dieser Art Konflikte vermeiden, ist jedoch sehr naiv - und auch schade, schließlich entgeht den Pädagogen damit eine Möglichkeit den Themenkomplex Toleranz, Religionsfreiheit und gegenseitigen Respekt an einem praktischen Beispiel zu behandeln.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hm, sehr komisch. Ein solches Verbot auszusprechen klingt gleich wieder so übertrieben. Ist es ja auch. Man sollte da anders drüber reden.
Aber wieso können sie denn nicht einfach einen separaten Raum einrichten und den Jungen beten lassen?

Na ja, wenn es auf dieser Schule so zugeht wie bei uns damals, dann geht es wahrscheinlich schlicht weg nicht. Es herrschte sowieso immer Raummangel.

Man könnte dann höchstens jedes Mal spontan dort hin gehen, wo gerade frei ist. Aber das ist schon ein wenig viel Aufwand, oder nicht?

Ich meine es ist ja nicht so, dass er persönlich seine Pflicht zu Beten verletzen würde. Es sind die äußeren Umstände, die ihn abhalten würden.

Außerdem dachte ich, sei es nicht unbedingt nötig, extra wo hinzugehen um zu beten oder gar einen Gebetsteppich dabei zu haben und sich vorher gründlich zu waschen, etc.
Er kann doch auch einfach in eine stille Ecke in der Pause gehen und für einen Moment sein Gebet sprechen - oder denken.

Ich dachte so macht man das, wenn man außer Hause ist?!?

Ein so genannter Raum der Stille lohnt sich an Schulen wahrscheinlich auch deshalb nicht, weil es insgesamt zu wenige Leute wären, die ihn (korrekt) nutzen würden. Ich kenne z.B. kaum einen Christen in meinem Alter, der regelmäßig betet - noch nicht Mal zu den Mahlzeiten. Die Religiosität ist einfach nicht so stark ausgeprägt in den heutigen Generationen.

Was das Zelebrieren von Weihnachtsfeiern und Osterfesten in deutschen Firmen und Schulen angeht: Ich denke, dass die meistens sehr wenig mit religiösen Bräuchen zu tun haben. Meistens wird das Datum einfach zum Anlass für ein feucht-fröhliches come together genommen. Da wird meiner Meinung nach keine große Verbindung von Staat/Öffentlichkeit und Religion geschaffen.

Würde man nun auch noch alle Feiertage der anderen Religionen für solche Parties mit einbeziehen, würden wir hier in Deutschland ja nur noch Fressgelage und Firmenbesäufnisse haben :-D

Bundesbedenkenträger hat gesagt…

Bleibt zu hoffen, daß das Ganze durch die Instanzen geht, im Zweifel bis nach Straßburg.
Es kann nicht sein, daß die Religionsfreiheit verwehrt wird. Es kann nicht sein, daß ein Muslim nicht beten darf weil andere damit ein Problem haben könnten und damit nicht umgehen können.
Aber es war schon immer so, daß wir unsere Freiheiten immer wieder erstreiten mußten, dafür gibt es die Gerichte. Auch die US Bürgerrechtsbewegung fing damit an, daß vor den US Gerichten Urteile zur Gleichstellung der Afroamerikaner erstritten wurden, erst nach langer Zeit kam es zu den bekannteren Demonstrationen in den 50ern und 60ern rund m Martin Luther King und andere. Der Weg muß gegangen werden, wohl auch hier in Deutschland von den Muslimen. Ich bin als Christ gerne bereit zu helfen, wo ich kann, aber schlußendlich müssen die Muslime sich ihre Rechte selbst sichern. Zum Glück werden hierzuland keine Polizeihunde gegen Bürgerrechtler eingesetzt und es kam auch noch zu keinen Lynchmobs...
Jedenfalls wünsche ich den Muslimen Gottes Segen bei der Erkämpfung ihrer Rechte hierzuland, und ich freue mich darauf, daß dadurch die Gesellschaft ein wenig besser gemacht werden wird.

Lieselotte hat gesagt…

Hallo Anonym! ;)

Bin ziemlich einer Meinung mit dir. Das Krasse an der Geschichte ist ja, dass der junge Mann gar keinen eigenen Raum gefordert hat. Er hat, genau wie du es vorschlägst, einfach irgendeine Ecke genutzt, was ihm dann verboten wurde. Als er dagegen geklagt und Recht bekommen hat, hat ihm die Schule dann einen Raum zugewiesen - damit er nicht vor den anderen betet.

Also für mich hört sich das wirklich sehr danach an, als ob da jemand sehr Panik vor der Religion hat.

Einen Raum der Stille muss man nicht zwingend zum Beten benutzen - deshalb ja auch der relativ "neutrale" Name. Ob du nun in Ruhe was lesen willst, einen Platz zum Abschalten suchst, dich zu einer (ruhigen) Besprechung treffen willst - der Raum steht erst mal allen für (fast) alles zur Verfügung.

Und natürlich haben die wenigsten Weihnachts- und Osterfeiern hierzulande einen direkten christlichen Bezug. Dennoch sind die ANLÄSSE religiöser Art - was man so manchem, der nur dann von der "Neutralität des Staates" schwatzt, wenn es ihm / ihr passt, hin und wieder in Erinnerung rufen muss.

Und gegen viele Feiern mit noch mehr gutem Essen und Trinken (für mich bitte nur O-Saft) anlässlich der Feiertage aller hier so zu findenden Religionen hätte ich nicht wirklich was einzuwenden... Yummy!! ;)

Lieselotte hat gesagt…

Danke, lieber Bundesbedenkenträger, du sprichst mir mit deinem Kommentar aus dem Herzen!

Anonym hat gesagt…

Hallo Lieselotte,

schön, dass Du auf meinen Kommentar geantwortet hast.

Ja, einen solchen Raum der Stille (oder so ähnlich) sollte es vielerorts geben.
Generell brauchen die Menschen, denke ich, mehr Raum ums ich zu entfalten bzw. zur Entfaltung auch mal zurückzuziehen. Insbesondere Schüler sollten sich auf dem Schulgelände frei bewegen können und sich ggf. auch mal etwas zurückziehen können. Schade, dass hierzuladen selten genug Geld in Schulen und deren Räumlichkeiten investiert wird - bzw. in manchen Kommunen scheint das wesentlich besser zu klappen! Da gibt es wunderbare Schulgebäude und tolle Ausstattung. Da findet sich bestimmt auch eher mal ein ruhiges Eckchen!

Die Zustände hier sind aber häufig ätzend.

Generell hätte ich nichts dagegen, wenn Feste aller Religionen Anlass zum Feiern wären. Doch ich halte es für unrealistisch, weil schon die etablierten christlichen Feiertage häufig nur mit ziemlichem Aufwand tatsächlich gefeiert werden bzw. als arbeitsfrei gelten. Respektiert wird hierzuladen doch eigentlich kein einziges Fest wirklich.

Und da sucht man vergeblich einen Termin für die Betriebs- oder Uni-Weihnachtsfeier, an dem alle können, da werden Feiertage und somit arbeitsfreie Tage von staatsseiten gestrichen oder auf einen sowieso arbeitsfreien Tag gelegt, etc.

An sich finde ich den Gedanken, die Feste so zu feiern, wie sie fallen und sagen wir mal, wo sie fallen, gar nicht so schlecht. Ich würde mich freuen, wenn ich in einem islamischen Land wohnen würde, auch an den dortigen Festen mitmachen zu dürfen. Oder auch in einem x-beliebigen anderen Land deren traditionelle Feierlichkeiten beizuwohnen. Dass ich dort Weihnachten nicht in aller Öffentlichkeit und mit den gebührenden Mitteln feiern dürfte, fände ich nicht so schlimm. Solange ich es zu Hause in meinen eigenen 4 Wänden oder mit anderen Gleichgesinnten in netter Runde machen dürfte - kein Problem.

Lieselotte hat gesagt…

Nun ja, man müsste ja nicht gleich ALLE christlichen und ALLE jüdischen und ALLE muslimischen und ALLE buddhistischen Feste usw. als staatliche Feiertage einführen. Ein symbolischer Feiertag pro Religion würde ja schon reichen.

Wieso meinst du, Weihnachten in einem "islamischen" Land nicht in aller Öffentlichkeit und mit den gebührenden Mitteln feiern zu dürfen? In den meisten Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit dürfte das kein Problem sein. Dass es nicht das Gleiche wie zu Hause ist, ist ja klar - das geht einem als Deutschen aber wohl selbst in christlich geprägten Ländern außerhalb Deutschlands so. Weihnachten in Frankreich, Italien oder Spanien ist ja auch nicht das Gleiche wie hier bei uns.

Anonym hat gesagt…

Weihnachten ist eh nicht mehr, das was es mal war: Ein Fest am Ende des Jahres, an dem die ganze Familie zusammenkommt, an dem lecker gegessen wird und man einfach mal ein bisschen locker macht. Stattdessen gibt es hohe Erwartungen und viele Enttäuschungen, wenige Ideen, was man an diesen Tagen machen kann - außer sich stressen zu lassen.

Auch wenn ich seit Jahren nicht mehr in der Kirche war, vermisse ich doch das alte Weihnachten, wie es früher war.
Auch, dass die Stadt schon lange kein Geld mehr hat um Lichterketten auf der Straße aufzuhängen ist irgendwie ein komisches Zeichen. Dafür aber werden schon im August Schoko-Nikoläuse und Weihnachtsmänner plus Dekoartikel verkauft. Und viele Leute stellen ihren Weihnachtsbaum schon 4 Wochen vor dem Fest auf. Dass man z.B. als Katholik den Baum am 06. Januar entsorgt, weiß glaube ich auch kaum einer. Aber gut, ist je eh ursprünglich ein heidnischer Brauch, das mit dem Baum.

Da kann im Großen und Ganzen nicht mehr die Rede von einem Christlichen Fest sein. Das ist nämlich nicht im Sinne der Tradition - das ist einfach nur noch Kommerz.

Schade!

Unser Land ist den eigenen Traditionen nicht treu, kein Wunder, dass es nicht offen für andere Gesinnungen ist. Die Leute leben einfach viel zu wenig traditionell.
Und das soll kein Plädoyer für den Kirchgang sein! ;-) Nur für ein bisschen mehr Besinnung im Allgemeinen!