Donnerstag, 30. September 2010

Deutschland und Israel

Heute kam mir diese Einladung ins Haus. Hört sich richtig gut an und ich würde gerne hin, bloß liegt Berlin zurzeit etwas außerhalb meines Radiuses.

"Wie weiter mit dem deutsch-israelischen Verhältnis?
Über Erwartungen, Missverständnisse
und besondere Beziehungen

Podiumsdiskussion

Datum: Mittwoch, 6. Oktober 2010, 19.30 Uhr
Ort: Heinrich-Böll-Stiftung, Schumannstr. 8, Berlin-Mitte
Mit: Avi Primor, ehemaliger israelischer Botschafter in der Bundesrepublik; Sylke Tempel, Chefredakteurin der „Internationalen Politik“; Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

Die deutsche Bundeskanzlerin hat, wie alle ihre Vorgänger, die besondere Verpflichtung Deutschlands gegenüber Israel betont. Doch wie steht es wirklich mit dem deutsch-israelischen Verhältnis, mit der beschworenen Solidarität, wenn sich der jüdische Staat in den Augen vieler Deutscher immer weiter von den Maßstäben entfernt, an denen wir Israel gern messen: eine Insel der Humanität, Friedfertigkeit und Toleranz im Nahen Osten zu sein? Während die liberale Öffentlichkeit in Deutschland postnationale Ideale, kulturellen Pluralismus, die Idee einer säkularen Demokratie und den Vorrang des Völkerrechts vor der nationalen Souveränität vertritt, stößt die israelische Siedlungs- und Besatzungspolitik auf immer mehr Unverständnis.

Für Israel wiederum ist das Misstrauen gegenüber Deutschland (und Europa), dem Ursprungsland des eliminatorischen Antisemitismus, nach wie vor groß. Gerade von Deutschland erwartet Israel Verständnis für seine Sicherheitsbedürfnisse. Während sich die Linke in Deutschland vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus dem Prinzip des Gewaltverzichts und des friedlichen Interessenausgleichs verpflichtet fühlt (und das auch von Israel erwartet), steht für die Holocaust-Überlebenden und ihre Nachkommen der jüdische Nationalstaat und seine wehrhafte Sicherheit im Zentrum ihrer Bestrebungen.

Es scheint manchmal, als lebten wir in verschiedenen Welten – trotz des intensiven Austauschs, der zwischen beiden Ländern stattfindet. Wird es gelingen, mit dem wachsenden historischen Abstand zum Holocaust ein neues gegenseitiges Verständnis aufzubauen? Worin soll und kann das besondere Verhältnis zwischen Deutschland und Israel in Zukunft bestehen? Und was können die Bundesrepublik und die EU tun, um einen Friedensschluss im Nahen Osten zu befördern? Welche Kritik an der israelischen Politik ist legitim – und welche nicht?

Informationen: Marianne Zepp, T.: 030-28534-234, E.: zepp@boell.de"

Freitag, 24. September 2010

Nach Thilo: Alice!

Nachdem man sich in den letzten Wochen das Gesalbader von Thilo Sarrazin anhören musste, tritt jetzt - mal wieder - ein weiteres Original ins Bühnenlicht: Alice Schwarzer hat ein neues Buch herausgegeben. "Die große Verschleierung. Für Integration, gegen Islamismus" - aha.

Dabei unterscheidet sich Alice Schwarzer in ihrer Kritik, die die Nuancen, die das Thema bräuchte, um adäquat beschrieben zu werden, nicht zulässt, gar nicht so sehr von den "Fundamentalisten", vor denen sie warnt. Anschaulich beschreiben tut das Özlem Topcu in der ZEIT von heute. Zu empfehlen!

Mittwoch, 22. September 2010

Bilder vom Krieg

Ich war zwei Mal in Bonn, nur für ganz kurz, aber ich bin mir sicher: Das ist Provinz. Diesen Freitag lohnt sich ein Besuch in dem Städtchen, das mal Hauptstadt sein wollte, sehr: Da findet nämlich die Vernissage des Projekts "Shoot" statt. Untertitel: "Ein Projekt über die Ikonografie des Nahostkonflikts".

Konkret soll es darum gehen, die Bilder aus dem Nahen Osten, die wir tagtäglich von Presse und TV als ein Stück Wirklichkeit präsentiert bekommen, zu hinterfragen. Inwiefern stellen sie tatsächlich Realität dar? Was geht auf dem Weg vom Fotografen vor Ort über die Bildagenturen bis in die Chefredaktionen verloren? Welches Image des Konflikts wird so vermittelt?

Neben der Ausstellung von Arbeiten des Künstlers und Konfliktforschers Felix Koltermann stehen in Bonn noch bis zum 19. Oktober eine ganze Reihe Veranstaltungen zum Thema auf der Agenda. Am 28. September zum Beispiel ein Vortrag von Irit Neidhart zum Thema "Das Image des israelisch-palästinensischen Konflikts im Film", am 5. Oktober ein Vortrag von Felix Koltermann zum Bild des Gaza-Krieges in den deutschen Printmedien, am 12. Oktober ein Gespräch zwischen Koltermann und dem Bildredakteur Marcel Mettelsiefen über die Herausforderungen fotojournalistischer Arbeit im Nahostkonflikt und schließlich am 19. Oktober die Finissage in Anwesenheit des Künstlers.

Ich will nach Bonn!

Dienstag, 21. September 2010

Happy Peace Day to You

Heute war der Internationale Weltfriedenstag. Ich hatte bis vor ein paar Tagen keine Ahnung, dass es so etwas überhaupt gibt. Fand die Idee aber nicht schlecht und so hatte die britische Organisation International Alert, die an der Prävention und Bearbeitung von Konflikten weltweit arbeitet, heute eine Freiwillige mehr. Geld sollten wir in einer der Londoner tube-Stationen sammeln, Flyer verteilen und mit den Passanten ins Gespräch kommen. Einen Babysitter für das Lieschen hatte ich nicht, sie war also mit dabei.

Die Londoner tube ist meist voll, bisweilen überfüllt, und bis auf kleine Grüppchen an Touristen, die vor allem im Weg stehen, ziemlich hektisch. Da hat kaum einer Lust, sich von vier Freiwilligen in blauen T-Shirts erklären zu lassen, warum "Frieden möglich ist" (das war einer der Slogans auf unseren T-Shirts). Unsere "Happy Peace Day!"- und "Donate for Peace"-Rufe haben dann auch nicht wirklich was gebracht. Kaum Geld, von Aufmerksamkeit ganz zu schweigen.

Dann hatte die Lieselotte die Idee doch zu singen.

Die beiden anderen Mädels waren nicht wirklich für meine Idee zu begeistern, aber der Junge aus Indonesien hat sich bereit erklärt, meinen Bass abzugeben.

...

Ja, falls ihr das Mädchen heute gesehen habt, in der tube-Tickethalle, das da stand mit einem Kleinkind im Arm, inmitten einer Gruppe von Leutchen, die alle die gleichen blauen T-Shirts trugen und Geldsammeldosen in der Hand hatten, und die begleitet von einem jungen Mann aus Indonesien wieder und wieder "Happy Peace Day to you / Happy Peace Day to youuu / Happy Peace Daaaay / Donate for Pea-hea-ce / Happy Peace Day to youuu" schmetterte - das war ich.

Happy Peace Day!

Montag, 20. September 2010

8 Millionen

Heute auf Aljazeera gehört (in einem Bericht über die UN-Millenniumziele): Jedes Jahr sterben 8 Millionen Kinder unter 5 Jahren. An Unterernährung, mangelnder medizinischer Versorgung, unzureichenden hygienischen Bedingungen.

8 Millionen. Das sind fast so viele Kinder wie die Schweiz Einwohner hat. Das sind 8 Millionen mal eine Mutter oder ein Vater, denen ein Kind fehlt. 8 Millionen kleine Menschen, die nicht größer werden durften.

8 Millionen. Und wir sitzen hier und zerbrechen uns den Kopf darüber, ob wir heute das lila oder das türkisene Kopftuch tragen wollen. Ob wir noch ein Stück Kuchen essen sollen oder lieber nicht - weil uns jetzt schon leicht übel ist. Machen uns Gedanken über alles Mögliche - aber nicht über diese Kinder, über Sachen, die wirklich wichtig sind.

Sonntag, 19. September 2010

Es tut sich was - tut sich was?

Boomende Wirtschaft, demokratische Reformen, außenpolitische Macht - in der Türkei tut sich was. Was aber heißt das für die EU und Verhandlungsprozess über einen eventuellen Beitritt der Türkei? Einen Überblick gibt Thomas Seibert in der ZEIT.

Mittwoch, 15. September 2010

Zeitgeist?

"Vom CSI-Effekt wird in der Jurisprudenz der USA gesprochen, wenn die Auswirkungen kriminologischer Fernsehserien auf das Verhalten sowohl von Geschworenen als auch Verbrechern untersucht werden.

Der Begriff bezeichnet den Umstand, dass die Geschworenen an US-Gerichten seit Mitte der 1990er Jahre, beeinflusst durch zahlreiche die Forensik thematisierende Fernsehserien wie CSI: Den Tätern auf der Spur, verstärkt auf forensische Beweise pochen und beim Fehlen eben dieser eher geneigt sind, Angeklagte für unschuldig zu befinden [...].

Nach einigen Urteilen, die sich auf ein derartiges Verhalten zurückführen ließen, sind viele US-Anwälte inzwischen dazu übergegangen, Geschworene abzulehnen, die sich als Fans von CSI: Den Tätern auf der Spur, Crossing Jordan oder ähnlichen Serien bezeichnen.

Ein Problem besteht darin, dass viele der Serien keine Dokumentationen über reale Kriminalfälle sind, sondern imaginäre darstellen und manche der dargestellten Möglichkeiten reine Fiktion sind, da sie über den Stand der Technik hinausgehen oder gar aus prinzipiellen Gründen unmöglich sind. [...]. So sind Opfer und Angehörige von Opfern offenbar zunehmend mit polizeilichen Untersuchungen unzufrieden [...]."

Quelle: Wikipedia

Montag, 13. September 2010

Angekommen

Wenn man es hinbekommt, einer Gruppe Touristen eloquent mindestens drei verschiedene Wege zur nächsten tube-Station zu erläutern -

Wenn man sich entspannt, sobald man in der U-Bahn im eigenen Teil der Stadt aus dem Tunnel kommt -

Wenn einen Bauarbeiter auf der Straße, die Angestellten der lokalen Bücherei, die Junkies um die Ecke und die Kinder auf dem Spielplatz alle freundlich grüßen -

Wenn man auf einer Broschüre zu den Aktivitäten für Kinder unter 5 Jahren im Viertel auf fast jedem der abgedruckten Bilder ein bekanntes Gesicht erkennt (und einem die Namen dazu auch nicht unbekannt ist) -

- dann ist man wahrscheinlich angekommen.

Freitag, 10. September 2010

'Id in London

29 oder 30 Tage dauert der Ramadhan. Danach kommt 'Id. Bayram sagen die Türken, bajram die Bosnier und genau heißt es 'id-ul-fitr: das Fest des Fastenbrechens. Am Morgen oder Vormittag wird in der Moschee das Festgebet in Gemeinschaft gebetet - und dann wir drei Tage gefeiert.

Wann genau 'Id ist, löst jedes Jahr wieder Diskussionen aus. Die einen bestehen darauf, dass der Mond zu sehen sein muss, den anderen reicht es, zu berechnen, wann der Mond prinzipiell zu sehen sein könnte, die nächsten richten sich danach, wie das in ihren Herkunftsländern gehandhabt wird und wieder andere orientieren sich an Ländern wie Saudi-Arabien oder dem Iran. Ich hatte im Kopf, das 'Id am Freitag ist, am Donnerstag also noch mal gefastet wird und habe dann einen mittelschweren Schock erlitten, als ich am Donnerstagabend auf islam.de gelesen habe, dass laut dem Koordinationsrat der Muslime in Deutschland 'Id am Donnerstag ist. Was, wie bitte? Oh nee, und ich habe heute gefastet! Ein paar Minuten hektischer Recherche auf verschiedenen Websites später war dann klar: nein, in Großbritannien ist es - für die Mehrheit der Muslime zumindest - am Freitag. Puh.

Es ist mein erstes 'Id in London. Ich kenne hier wirklich noch nicht viele Leute, vor allem keine Muslime, aber Donnerstagabend nach dem Fastenbrechen ging es los: Mein Telefon hörte gar nicht mehr auf zu Piepen, noch eine SMS mit 'Id-Wünschen und noch eine und noch eine. Am Freitagmorgen machte ich das Lieschen fertig, packte sie in den Buggy und machte mich mit ihr auf den Weg in die Moschee. Schon auf der Fahrt mit dem Bus fallen mir die Gruppen von Männern in weißen, roten, türkisen shalwar kameez auf, die auf der Straße stehen, sich grüßen, umarmen, unterhalten. Ganze Familien sind unterwegs. Vor der Moschee gibt es kein Weiterkommen, so was habe ich noch nicht gesehen: so viele Muslime auf einem Fleck - und das mitten in Westeuropa!

In der Moschee lerne ich Janna aus Bangladesch kennen, die in Kanada als Kindergärtnerin arbeitet; Noura, die aus Djibouti stammt und sich freut, endlich mal wieder mit jemandem Französisch sprechen zu können; und Bayan, die an einer der Universitäten studiert hat, an der auch ich überlegt hatte zu studieren, und ihre Schwiegermutter, die aus Syrien stammt, in Deutschland lebt, und das Lieschen und mich mit Pfefferminzbonbons, Kaugummis und Schokolade versorgt. Angesichts der Vielfalt der Menschen, die dort zusammenkommen, ist es mir unverständlich, weshalb die Khutba auf Arabisch gehalten wird - außer filistin und afghanistan (das muss der du'a-Part gewesen sein) habe ich nichts verstanden.

Wie es wohl bei den Wahabitinnen gewesen ist? Eine Einladung zum Festgebet hatte ich auch von einer von ihnen per SMS erhalten. Sie hatten irgendwo draußen das Gebet organisiert (weil das Festgebet im Freien Sunna sei...), und ich hatte mit dem Gedanken gespielt, aber mich doch dagegen entschieden. Unter anderem wegen der Khutba, von der ich (mein Bedarf an Wahabi-Predigten war nach der letzten Veranstaltung fürs erste gedeckt) etwas haben wollte - tja.

Montag, 6. September 2010

Die Nacht der Macht

- 27. Ramadhan -

"Wahrlich, Wir haben ihn (den Qur`an) herabgesandt in der Nacht von Al-Qadr (in der Nacht der Macht).
Und was lehrt dich wissen, was die Nacht von Al-Qadr ist?
Die Nacht von Al-Qadr ist besser als tausend Monate.
In ihr steigen die Engel und Gabriel herab mit der Erlaubnis ihres Herrn zu jeglichem Geheiß.
Frieden ist sie bis zum Anbruch der Morgenröte."
Qur'an Sura 97 (Al-Qadr)

Sonntag, 5. September 2010

Die Jungs, 9 - 14

- 26. Ramadhan -

Letzte Woche haben die Jungs den Fußball, der einem von ihnen gehörte, auf das Gitter, das verhindern soll, das jemand die über den Platz schauende Überwachungskamera beschädigt, geschossen.

Es war keine Absicht, aber plötzlich lag der Ball da, vier oder fünf Meter über ihren Köpfen, ein oder zwei Meter unter der Kamera. Und keiner kam dran. Sie fluchten, lachten, beschuldigten sich gegenseitig. Es war die gleiche Gruppe von 10, 12, 15 Jungs, die nachmittags auf dem Spielplatz oder auf den Bänken im Park rumhängen, 9 bis 14 Jahre alt und nicht wirklich was zu tun. Meistens kreisen sie mit ihren Rädern immer und immer wieder auf dem Spielplatz herum, manchmal hat einer einen Hund dabei, letztens haben sie ein altes, kaputtes Fahrrad aus den Büschen gezogen, unter Johlen auseinandergebaut und die Einzelteile auf dem Platz herumgeworfen. Manchmal spielen sie auf dem eingezäunten, betonierten Platz Fußball.

Und jetzt lag der Ball da oben. Der Mann, dem die Wäscherei gehört, kam aus der Tür getreten; er schaute auf die Jungs, schaute hoch, sah den Ball und - nein, er lachte nicht, aber ein Schmunzeln habe ich erkannt auf seinem Gesicht.

Freitag, 3. September 2010

Lieselotte und die Wahabitinnen

- 24. Ramadhan -

Es ist Freitag - und ich dachte mir, ich könnte mich mal wieder auf einer islamischen Veranstaltung blicken lassen. "Free Islamic Event and Iftar" hieß es auf dem Flyer, den mir zwei Mädchen auf der Straße vor einer Weile in die Hand gedrückt hatten, "Women Only". Mit dem Bus, der bei uns um die Ecke fährt, scheine ich da ziemlich gut hinzukommen, also gut.

Am frühen Abend stehe ich also vor dem Gebäude, in dem die Veranstaltung statt finden soll. Ein altes Backsteingebäude, das heute als Moschee, Samstagsschule und für eben solche Veranstaltungen genutzt wird. Natürlich geht es nicht um sechs los, wie es auf der Einladung hieß, aber gegen halb sieben ist es dann soweit. Vor den Reihen von Stühlen für etwa dreißig oder vierzig Frauen, von denen erstaunlich viele Niqab tragen, ist ein Podium mit drei Plätzen aufgebaut. Der hintere Teil des Raums ist mit einem Vorhang abgetrennt, dort ist eine Art Kinderbetreuung organisiert. Dreißig Frauen, die einen Vortrag hören wollen, und mindestens dreißig oder vierzig Kinder, die im gleichen Raum spielen - natürlich geht das nicht gut. Es ist kaum etwas zu verstehen, vor allem, da dazu das Mikro - wenn wundert's - nur semiprofessionell eingestellt ist.

Der Lärmpegel ist enorm. Zudem beginne ich langsam zu verstehen, dass ich da in eine Wahabi-Veranstaltung geraten zu sein scheine. Die Frauen sind unglaublich nett, freundlich, zuvorkommend, aber schon ganz zu Beginn meint eine, mit der ich über das Thema ins Gespräch kam, ich solle doch das Lieschen jetzt langsam mal abstillen - im Qur'an hieße es nämlich, zwei Jahre solle man stillen. (Ja, und? Steht da auch, nach zwei Jahren ist es verboten? Nein? Na also, dann lass mich auch in Frieden mit deinen Tipps...). Derweil erklärt die Frau auf dem Podium, wir sollten unsere Zeit sinnvoll nutzen, den Islam studieren (okay, bis dahin gehe ich noch konform mit ihr), es gäbe ja Leute, die studierten ... Psychologie - was nutzt uns Psychologie? (Hä? Also Leute ... habt ihr da was falsch verstanden oder ich? Es muss doch nicht jeder Mullah werden. Es KANN doch nicht jeder Mullah werden; eine Gesellschaft braucht ein bisschen mehr als nur Islamologen. Oder brauchen Muslime keine Psychologen? Was mache ich dann aber, wenn ich an einer Depression leide? Beten? Ach Leute, kommt schon, DAS ist es nicht, was uns diese Religion lehrt...).

In einem Nebensatz erwähnt sie, dass Musik natürlich auch nicht erlaubt sei - aber das erstaunt mich gar nicht mehr, das ist ja eine unter vielen Muslimen verbreitete Meinung. Wählen gehen ist haram und die Regierungen der USA, Großbritanniens, Saudi-Arabiens und des Irans sind so ziemlich alle des Teufels. Als dann die Frau neben mir, die wie ich ein farbiges Kleid, darüber eine Strickjacke plus Kopftuch trägt, mit einem Blick auf all die in schwarz gekleideten Frauen noch meint, "das, was wir tragen, ist ja auch kein richtiger Hijab"
reicht es mir. Ich schnappe mir das Lieschen, dem das Stimmengewirr und die ganzen Leute auch zu viel sind, und laufe eine Runde um den Block. Einen Mangosaft für das Lieschen und etwas frische Luft für ihre Mama später kommen wir zurück in den Saal. Da ist es auch fast schon Zeit für iftar, es werden Datteln und Wasserflaschen herumgereicht, wir beten zusammen und dann gibt es tandoori chicken in Fladenbrot und halal Cola für alle. Das Essen war vorzüglich.

Donnerstag, 2. September 2010

Das letzte Drittel

- 23. Ramadhan -

"Machst du auch Ramadhan?" wird man als Ali-Durchschnittsmuslim in Deutschland zu gegebener Zeit immer mal wieder gefragt. Dabei kann man den Ramadhan nicht "machen". Ramadhan ist der Name eines Monats des islamischen Kalenders, eines Monats à 29 oder 30 Tagen. Die letzten zehn Tage des Ramadhans haben eine besondere Bedeutung, da sich die Gelehrten ziemlich sicher sind, dass laylat-ul-qadr, die "Nacht der Macht", wie man übersetzen könnte, einem der letzten zehn Tage des Ramadhans zuzuschreiben ist. In dieser Nacht wurde, glaubt man den Muslimen, der erste Teil des Qur'ans offenbart. In den letzten zehn Tagen des Ramadhan ist also Endspurt angesagt: noch mal alles geben, so viele Gebete wie möglich, so ernsthaft und aufrichtig wie möglich. Denn lange ist es nicht mehr, und Ramadhan verabschiedet sich wieder - für bald ein ganzes Jahr.