Mittwoch, 8. Juni 2011

Sophia

Sophia habe ich auf der Faehre von Dover nach Calais kennen gelernt. Sie war wie wir auf dem Weg nach Deutschland und hat mich mit dem Lieschen Deutsch sprechen gehoert. "Kommst du auch aus Deutscland?" - ja, kam ich.

Deutsche in London

Sophia hat in Deutschland eine Ausbildung zur Hotelfachfrau abgeschlossen und arbeitet jetzt in London in einem Hotel. Es gefaellt ihr ganz gut dort, aber es nervt sie, staendig auf ihre Herkunft aus Deutschland angesprochen zu werden. "Staendig diese Nazi-Witze", meint sie entnervt, "ja, ich komme aus Deutschland, aber verdammt, der Zweite Weltkrieg ist jetzt ueber fuenfzig Jahre vorbei, ich war damals noch gar nicht geboren, meine Eltern auch nicht - also, was sollen diese Sprueche die ganze Zeit?".

Fremde in Deutschland

"Ich wollte immer auswandern", faehrt sie fort, "aber seit ich im Ausland lebe, ist mir klar, wo ich hin gehoere. Ein paar Jahre mache ich das hier noch, vielleicht gehe ich auch noch mal fuer ein Weilchen nach Frankreich, aber danach bin ich wieder in Deutschland, das ist klar." Sophias Mutter kommt aus Marokko, ihr Vater aus Frankreich. "Ich bin in Deutschland gross geworden, aber irgendwie habe ich mich immer fremd gefuehlt dort. Irgendwie war ich anders."

Rotblonde Araberin

Dabei sieht man Sophia ihr Fremdsein nicht an: Sie hat rotblonde Haare, hellbraune Augen, ganz helle Haut. Auch ihr Name ist unauffaellig. "Das hat mich immer so aufgeregt, wenn mir die Leute dann nicht glauben wollten, dass mein Name Arabisch ist", meint sie, "klar, ich weiss, Sophia kommt aus dem Griechischen, aber im Arabischen gibt es den auch! Wie die Leute immer geguckt haben, wenn ich ihnen gesagt habe, dass meine marokkanische Grossmutter den fuer mich ausgesucht hat..."

Sprachen

Arabisch spricht sie nicht. "Als ich klein war, hat meine Mutter Arabisch und Franzoesisch mit mir gesprochen und ich konnte beides - wie das bei kleinen Kindern in dem Alter aber eben so ist, habe ich alle Sprachen gemixt - Deutsch, Arabisch, Franzoesisch. Dann kam ich in den Kindergarten und die Kindergaertnerinnen haben meiner Mutter Panik gemacht und meinten, dass ich spaeter mal kein ordentliches Deutsch sprechen wuerde." Das wollte Sophias Mutter nicht und von da an sprach sie mit dem Kind nur noch Deutsch. Heute spricht Sophia akzentfrei Deutsch, aber nur gebrochen Franzoesisch und Arabisch versteht sie nur ein bisschen. "Mach bloss den Fehler mit dem Lieschen nicht", meint Sophia zu mir und schuettelt den Kopf: "Kinder lernen so schnell und mit der richtigen Unterstuetzung wird das auch mit drei Sprachen was!"

5 Kommentare:

Annanymous hat gesagt…

Was ein Fehler! Diese Kindergärtnerin war einfach nur unwissend! Solange man mit dem Kind konsequent eine Spache spricht, spricht nichts dagegen, dass es parallel andere Sprachen spricht. Natürlich gibt es das ein oder andere Kind, das damit Schwierigkeiten hat (wenn es von der Intelligenz her eingeschränkt ist z.B.) aber das betrifft echt nur die Minderheit. Da kann man ja dann drauf reagieren ...

Aber normale Kinder können locker 2 oder auch 3 Sprachen gleichzeitig erlernen. Bzw. sukzessive in jungen Jahren. Eine Freundin von mir wurde als Kind im Prinzip sogar mit 4 Sprachen konfrontiert - Mutter Französin, Vater in London groß geworden mit zypriotischen Wurzeln und sie hier in D. geboren. Sie hat zu Hause Französisch von ihrer Mutter gelernt, Englisch von ihrem Vater. Im Kindergarten wurde sie dann an die deutsche Sprache herangeführt und spricht heute akzentfrei Deutsch. Mit ihrer Mutter spricht sie auch heute noch fast ausschließlich Französisch. Sie meint zwar immer, ihr Französisch wäre nicht perfekt, aber das ist Attitüde :-D Englisch spricht sie mit Londoner Akzent! Und ein wenig Griechisch spricht sie auch (v.a. passiv, aber auch aktiv - aber das hat sie auch nur von entfernteren Verwandten mit auf den Weg bekommen, weil ihr Papa sich halt stark mit England identifiziert und auch heute noch v.a. Englsisch mit ihr spricht).

Ok, sie meint sie würde alle 3 Sprachen nicht 100%ig sprechen ... aber das sieht eigentlich nur sie so. Ist wahrscheinlich einfach noch das komische Gefühl, das sie hatte, als sie in den Kindergarten kam und nicht mitreden konnte :-D - daran erinnert sie sich jedenfalls noch.

conring hat gesagt…

Liebe Lieselotte,
hier decken Sie mal wieder vollkommen schonungslos die intoleranten und rassistischen Strukturen der westlichen, vor allem deutschen Gesellschaft auf. Schon im Kindergarten (allein das Wort ist ja germanischer Kulturimperalismus par excellence) wird die Entwicklung von multikulturellen Individualitäten durch die Aktivitäten von "unwissenden" KindergärtnerInnen behindert.
So ein Land sollte man auf alle Fälle meiden. Ich, wenn ich Sie wäre, würde daher meine Bewerbungsaktivitäten doch vielleich auf das Land meines "husbands" konzentrieren. Dortens gibt es solche KindergärtnerInnen sicher nicht.

Lieselotte hat gesagt…

Mein Gott, conring, was sind Sie empfindlich. Muessen Sie ueberall einen Angriff auf Deutschland-so-wie-Sie-es-sich-vorstellen sehen?

Annanymous hat gesagt…

Ich klinke mich da mal ein ... Habe das jetzt so gelesen, dass DAMALS im Kindergarten solch ein Irrglaube herrschte. Und das hat primär nichts mit Deutschland zu tun, sondern mit pädagogischen Paradigmen, die, wie andere Paradigmen auch, dem zeitlichen Wandel unterliegen. Heute hü morgen hott. Vielleicht ist aber auch ein bisschen was dran, an dem was die Kindergärtnerin DAMALS verzapft hat? Ich meine, der aktuelle Trend hin zum multi-lingual erzogenen Kind ist ja auch nicht wirklich das gelbe vom Ei - zumindest nicht wenn das Kind beim Spracherwerb nicht mit Muttersprachlern zu tun hat ... wenn die Eltern z.B. beide Deutsche sind, mit dem Kind aber trotzdem Englisch und Italienisch schwatzen (obwohl sie diese Sprachen nur gebrochen sprechen) und das Kind dann zusätzlich in einem chinesischen Kindergarten unterbringen, damit dem Sprössling auch ja der aufstrebende ferne Osten für die Karriere nicht verschlossen bleibt. Darüber hinaus gibt es dann noch ein französisches Au-pair. So gesehen, ist es vielleicht tatsächlich besser, ein Kind nicht mit zu vielen fremden Zungen in Kontakt zu bringen ;-) Man muss immer den Gesamtkontext betrachten!

Lieselotte hat gesagt…

Du bringst es auf den Punkt, Annanymous: Es geht um eine Kritik an paedagogischen Paradigmen, nicht an Deutschland.

So lange das Kind es mit Muttersprachlern zu tun hat, sehe ich bei der mehrsprachigen Umgebung absolut kein Problem. und so war das bei "Sophia" damals.

Dass Chinesisch-Kurse fuer Dreijaehrige Quatsch sind, ist ja klar. Ich halte selbst vom Fruehenglisch und -franzoesisch in der Grundschule nicht besonders viel. Habe das bei ein paar Leuten mitbekommen, wirklich gelernt haben die nichts.