Samstag, 25. Juni 2011

Mariko

Oder: Powerfrau auf Japanisch

Seit das Lieschen da ist, überlege ich mir vor einem Vorstellungsgespräch nicht mehr nur, was meine drei Stärken und Schwächen sind und wo ich mich in fünf Jahren sehe, sondern auch, wie ich meinem Gesprächspartner klar machen kann, dass ich den Job auch mit Kind hinbekommen kann. Ich dachte immer, das sei wichtig - Mariko hat es ganz anders gemacht.

Die letzten

Mariko
ist Ende Dreißig, ich kenne sie aus dem Kindergarten, wo wir jeden Abend beide unsere Kinder abholen. Meistens sind wir zwei die letzten. Wenn ich komme, sitzt Mariko dann schon auf einer der kleinen Bänke in der Affengruppe und das Lieschen und Marikos Tochter Nami toben noch ein letztes Mal durch den Raum. Irgendwie kriegen wir es dann hin, dass die beiden ihre Schuhe und Jacken anziehen und mit uns los und Richtung U-Bahn und Bus kommen.

Japan - Spanien - London - Österreich

Mariko kommt aus Japan. Sie lebt schon seit Jahren in Europa. Zurzeit studiert sie in London an einer der besseren Unis Management. Ihr Mann ist Spanier. Nami wächst dreisprachig auf: Mariko spricht Japanisch mit ihr, ihr Mann Spanisch und im Kindergarten lernt sie Englisch. Unter der Woche arbeitet Marikos Mann in Österreich, er ist nur am Wochenende in London. Von Sonntagabend bis Freitagmorgen ist Mariko mit Nami alleine.

Vorstellungsgespräch

Letztens auf dem Nachhauseweg erzählte Mariko von einem Vorstellungsgespräch, das sie am selben Tag gehabt hat. Eine mittelgroße japanische Beratungsfirma sei das gewesen, die jetzt auch ein Büro in London aufgemacht hätten. Dass es eine mittelgroße Firma sei, habe ihr gut gefallen: "Ich habe lange genug für große Firmen gearbeitet, das wäre zur Abwechslung mal ganz gut", meint sie.

"Meinen Sie, Sie kriegen das hin?"

Dann erzählt sie, wie das Gespräch gelaufen ist. Was die gefragt haben. Was sie gesagt hat. "Und dann, am Ende habe ich gesagt: 'Ich muss Ihnen jetzt noch eine Frage stellen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das so politisch korrekt ist, aber das muss gesagt werden'". Ich dachte erst, ich hätte mich verhört und ihr wäre eine politisch nicht korrekte Frage gestellt worden. Aber dann fährt sie fort: "Und dann habe ich gesagt: 'Schauen Sie, ich habe eine Tochter, die in den Kindergarten geht. Hier in Europa, denke ich, kann man da Unterstützung von seinem Arbeitgeber für die Kinderbetreuung verlangen. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie da ein bisschen flexibel sind. Das heißt nicht, dass ich den Job nicht machen kann oder nicht voll dabei sein kann. Aber manchmal wird es Ausnahmesituationen geben - und da müssen Sie dann flexibel sein. Meinen Sie, Sie kriegen das hin?"

Einen Schritt

Ich konnte nicht mehr. Erst konnte ich nicht glauben, dass sie ihm das tatsächlich so gesagt hat. Dann musste ich, die Situation im Kopf, lachen. Marikos Gesprächspartner in der Beratungsfirma muss ziemlich perplex gewesen sein. Mariko lachte laut auf: "Und der war Japaner! Bei uns ist das kulturell doch noch viel stärker verwurzelt, dass der Mann arbeiten geht und die Frau zu Hause bleibt und sich um die Kinder kümmert... Aber ich habe ihm ganz klar gesagt, schauen Sie, Sie können eine qualifizierte Mitarbeiterin gewinnen, mit Jahren an Erfahrung in Europa - aber dann müssen Sie auch einen Schritt auf mich zukommen."

Ich auch

Als der Mann von der Beratungsfirma sich gefangen hatte, erzählte, dass er selbst einen dreijährigen Sohn habe. Und bot Mariko den Job an.

10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Da sehen Sie mal, was Sie selber so alles täglich bewältigen könnten (wahrscheinlich sogar mehr), wenn Sie nicht noch ein eleichtsteinzeitliche Religion am Arsch hätten.

Belladetta hat gesagt…

Dolle Geschichte, danke, Lieselotte! Gerade in Deutschland müssen wir noch gewaltig dazulernen. Als ich einem alten Freund, der seit 20 Jahren in den USA als Chemie-Professor arbeitet, erzählte, wie schwierig es in hier in Deutschland sei, Kind und Karriere zu vereinbaren, konnte er das überhaupt nicht verstehen. Bei ihm in den USA sei es doch völlig normal, dass ein Kollege im Labor das Kindergartenkind einer Kollegin abholt und sich kümmert, wenn sie selbst es nicht rechtzeitig aus dem Labor schafft. Das sei unter Wissenschaftlern selbstverständlich! Eine Frau hat bei ihm ihren Doktor gemacht, ein Haus gebaut und das zweite Kind bekommen, alles gleichzeitig. Ich war platt. In Deutschland ist das immer noch nicht vorstellbar. Da fiele Wichtigtuern glatt ein Zacken aus der Krone.

Lieselotte hat gesagt…

@ Anonym:

Also erstens, mein(e) liebe(r) Anonym waere es nett, wenn Sie sich etwas gesitteter ausdruecken koennten. Sie muessen nicht alles toll finden, was Sie hier lesen oder sehen, was ein kleines bisschen Hoeflichkeit (nur ein klitzekleines bisschen) wuerde sicher nicht schaden. Ansonsten muessen Sie sich fuer Ihre Kommentare leider einen anderen Blog suchen.

Zweitens ist mir nicht ganz klar, was ich ohne Islam genauso schaffen koennte wie "Mariko". Wir absolvieren beide gerade ein Masterstudium, das es in sich hat, in einem fremden Land, auf einer fremden Sprache, und irgendwie klappt das bislang auch mit Anhang ganz gut. Da ist nicht viel Unterschied. Inwiefern ich ohne Islam also das gleiche wie Mariko bewaeltigen koennte, muessten Sie mir noch mal im Detail erlaeutern (aber diesmal in einer etwas gesitteteren Ausdrucksweise, bitte!).

Es gruesst
Lieselotte

Lieselotte hat gesagt…

Liebe Belladetta,

bin ganz Ihrer Meinung. Ich kenne Leute, die ihr Studium in Deutschland abbrechen mussten, weil sie keine Kinderbetreuung hatten und nicht ausreichend Unterstuetzung bekommen haben. Und andererseits meckert man dann ueber nen Mangel an Fachkraeften - ja hallo, was denn? Wir sind doch hier, sind qualifiziert und wollen arbeiten - aber ein kleines bisschen Entgegenkommen, das braeuchten wir schon.

Es muss definitiv noch viel passieren!

Lieben Gruss
von der Lieselotte

Anonym hat gesagt…

"Inwiefern ich ohne Islam also das gleiche wie Mariko bewaeltigen koennte, muessten Sie mir noch mal im Detail erlaeutern "

Es kann sein, dass Sie aus dem Irrwahn, in den sie sich da vertrotzt haben, tatsächlich auf eine esoterisch-energetische Art "Kraft" ziehen; wobei ich allerdings den Eindruck habe, dass diese spirituellen Überlegenheitsempfindungen auch nicht ganz ohne eine sadistische Freude darüber zustande kommen, für Andere eine Bedrohung, ein Rätesel, etc. darzustellen.

Selbst wenn Sie nicht notwendigerweise an die ewige Verdammnis der Anderen glauben, so profitieren Sie doch emotional davon, dass die anderen glauben müssen, dass Sie das glauben.

Sie machen sich wichtig, gefährlich und bösartig für andere; das ist für jeden die Konsequenz aus der Begegnung mit Muslimen, der sich etwas über den Islam informiert hat.

"Kuffar", "Fitra", alles Begriffe, die "den Heiden" (anders als im Christentum) als böswilligen, mutwilligen Leugner, der wider besseres Wissen handelt, positionieren. So etwas wird sich rächen.

Lieselotte hat gesagt…

So so, ich stelle fuer Sie also eine Bedrohung und ein Raetsel dar. Faellt es Ihnen schwer, mit dieser Unsicherheit umzugehen?

Anonym hat gesagt…

Ja halten Sie denn die Glaubenssätze, welche die Unterschiede zwischen Muslimen und Kuffar betreffen, für unbedrohlich ?

Sie können sich ja ausmalen, dass alles total lieb gemeint ist, aber kann man sich bei solch eindeutig atheismus- und polytheismusfeindlicher Rhetorik in den Schriften (bzw. DER Schrift) darauf verlassen, dass alles schon gut gehen wird ?

Lieselotte hat gesagt…

Kommt alles auf die Interpretation an. In der Bibel finden sich auch übelste Passagen, blutrünstig, vor Gewalt nur so strotzend. Und? Fordert hier irgend jemand ernsthaft, die Bibel zu verbieten, das Christentum abzuschaffen oder seine Anhänger loszuwerden? Nein? Warum? Weil das im Kontext gelesen wird und im Gesamtlicht der Botschaft der Schrift interpretiert wird. Das geht genauso mit dem Qur'an.

Und man muss sich überhaupt nicht "nur darauf verlassen, dass es gut geht". Man kann, man sollte was gegen spinnerte Extremisten und Fundis tun. Die Sache ist nur die, dass man sich dabei ernsthaft fragen sollte, ob einen dabei eine Islampaniker-Haltung, nach der alles essentiell böse und schlecht ist, weiter kommt - oder mit einer Position, in der man schon noch Moslem sein kann - aber eben anders, so wie die meisten Muslime auf dieser Welt ja auch sind.

Anonym hat gesagt…

"eine Islampaniker-Haltung, nach der alles essentiell böse und schlecht ist ... "

"Essentiell" - ohne demographischen Jugendüberhang, CNN, Al Jazeera und Internet waren die islamisch geprägten Gesellschaften eher träge-fatalistisch.

MIT demographischem Jugendüberhang und globalisierten Medien hat die islamische Inspiration offensichtlich einen kämpferischen Impuls hervorgebracht, der nun mal bedauerlicherweise antiwestlich, antiegalitär, antifreiheitlich, antiindividuell ist. Nicht bei jedem und jeder, aber die Popularität des islamischen Identitäts- und Wiederentdeckungstrends hat leider diese Richtung.

Lieselotte hat gesagt…

"Die Popularität des islamischen Identitäts- und Wiederentdeckungstrends hat leider diese Richtung" - bitte was?