Samstag, 8. Januar 2011

Madeeha (02)

Oder: Reinkommen, bleiben wollen

Man ist nervös dieser Tage als Migrant in Großbritannien. Die, die über keinen gesicherten Aufenthaltsstatus (oder zumindest keinen unbefristeteten Aufenthaltstitel) verfügen, machen sich Sorgen, wie es weiter gehen soll, unter der neuen liberalkonservativen Koalition. Das nicht alles bleibt, wie es war, ist den meisten klar.

So auch Madeeha, die seit zwei oder drei Jahren auf einem Studentenvisum im Lande lebt, ohne jemals hier studiert zu haben. Zu Hause, in [Land in Südasien] hat sie Soziologie, Punjabi und Persisch studiert und dann einen Master in Englischer Literatur begonnen. Aus Spaß, wie sie meint, hat sie dann mit einer Kusine zusammen eine Online-Bewerbung für ein Studium in Großbritannien ausgefüllt. Die Uni in England scheint die Bewerbung wichtiger genommen zu haben als sie und ein Telefoninterview, in dem sie "nach ihrem Namen und noch zwei, drei anderen Sachen" gefragt wurde, hatte sie den Studienplatz.

Bei der Ankunft in England wurde sie von den Grenzbeamten gefragt, für welchen Zweck sie einreise, wo sie wohne, und das war es dann schon. Wirklich studiert hat sie hier nie. Jetzt fragt sie sich, wie es weiter gehen soll, wenn ihr Studentenvisa ausläuft. Sie möchte in Großbritannien bleiben. Das Leben in Großbritannien ist einfacher und sie ist in der Zwischenzeit mit Hassan verheiratet. Madeeha ist Schiitin, er Sunnit. Sie stammt aus dem Osten des Landes, er aus dem Westen; die Familien sprechen unterschiedliche lokale Sprachen, außerdem gehören sie unterschiedlichen Kasten an. Sie könnten in [dem Land in Südasien, aus dem sie stammen] zusammen leben, aber es wäre schwierig - für sie und ihre Kinder, falls sie eines Tages welche bekommen. Hier, in Großbritannien, sind sie einfach beide Asians. Außerdem, sind sie - fern von Familien und Verwandten - ziemlich frei, zu tun und lassen, was sie möchten.

Der auf Einwanderungsrecht spezialisierte Anwalt, mit dem sie ihren Fall jetzt mal wieder besprochen hat, hatte nun eine neue Idee. Sie solle doch eine Scheinehe eingehen, für 5, 7, 10.000 Pfund sei das zu haben. Ich dachte, ich höre nicht richtig und habe ihr sofort abgeraten, von der Scheinehe genauso wie von diesem Anwalt. Madeeha jedoch möchte diese Option nicht ausschließen, auch wenn sie zugibt, dass sie ein gewisses Risiko birgt. Noch ist über ihren Antrag auf eine Verlängerung ihres Visums nicht entscheiden; ob sie sie zugesprochen bekommt, ist ungewiss.

9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Abschieben.

Soll sie doch in [Land in Südasien] glücklich werden und Kopftuchmädchen werfen.

Lieselotte hat gesagt…

Na, das ist doch mal ein qualifizierter Kommentar! Inhaltlich zutreffend, vom Zusammenhang her passend und stilsicher formuliert. Juhuuu! Mehr davon bitte.

Faquarl hat gesagt…

Hier also noch einer.
Der Anwalt hat wahrscheinlich recht. Die Umwandlung eines Studentenvisums, dass konkret an die Absolvierung eines Studiusm gekoppelt ist (zwei bis drei Jahre), in eine dauerhafte, wahrscheinlich sogar unbefristete Aufenthaltsgenehmigung ist ziemlich unwahrscheinlich, vorallem wenn das Studium letzendlich nicht absolviert worden ist.
Die Verehelichung mit einem Einheimischen dagegen führt nach ein paar Jahren zu einem eigenen Aufenthaltsrecht.
WEnn man darüber nachdenkt ist das auch gar nicht so abwegig. Böswillig könnte man ja auch sagen, dass Ihre Bekannte unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen (Studium) nach UK eingereist ist.

Lieselotte hat gesagt…

Hi Faquarl,

ich denke auch, dass es schwierig wird fuer sie, ihren Aufenthalt hier legal zu verlaengern. Ob sie damals mit der Absicht eingereist ist, hier zu studieren, kann ich nicht sagen.

Was ich an der Geschichte berichtenswert fand, war, dass (a) solche Anwaelte gibt, (b) wie Migrationspolitik aus der Sicht einer "Madeeha" aussieht und (c) dass sich da anscheinend gerade ziemlich was tut in Grossbritannien.

Gruss
Lieselotte

Anonym hat gesagt…

"(c) dass sich da anscheinend gerade ziemlich was tut in Grossbritannien."


Können Sie näher definieren, was Sie damit meinen?

Lieselotte hat gesagt…

Ich bin wahrlich keine Spezialistin in Sachen britischer Einwanderungspolitik. Aber es sieht hier zurzeit nicht so aus, als ob nach dem Wechsel einer sozialdemokratischen zur liberalkonservativen und in Zeiten der aktuellen wirtschaftlichen Krise (die sich in Großbritannien deutlich stärker spürbar macht als z.B. in Deutschland) es für Migranten in Zukunft weiterhin so einfach sein wird, ins Land zu kommen - und zu bleiben.

Faquarl hat gesagt…

Wennn ihre Bekannte ihr Studium, wegen dessen Sie eingereist war, absolviert hätte, dann könnte Sie in GB bleiben. Die dortigen Aufenthaltbeestimmungen lassen dieses zu. (Wahrscheinlich auch, wenn ihr Mann dsein Studium absolviert hätte).
WEnn Sie dieses nicht getan hat, muss Sie mit ihter Aussweisung rechnen. Dies hat auch nichts irgendwelchen konservativen Regierungeungen zu tun. Wieso sollte eigentlich der britischen Staat daran interssiert sein, dass ihre Freundin im Land bleibt?

Lieselotte hat gesagt…

Hallo Faquarl,

ich habe hier Leute kennen gelernt, die seit acht Jahren auf einem Studentenvisum im Land leben. Ein Bachelor dauert hier drei Jahre, ein Master ein, höchstens zwei Jahre. Dass das (Verlängerung über Verlängerung über Verlängerung) auch nach dem Regierungswechsel so weiter geht, ist wohl eher unwahrscheinlich. Da spielt es dann sehr wohl eine Rolle, welche Regierung gerade am Zuge ist.

Davon abgesehen könnte "Madeeha", auch wenn sie keine Verlängerung genehmigt bekommt, legal im Lande bleiben, wenn ihr Mann bald sein Studium abschließt - und sie ihn "richtig" heiratet (siehe den ersten Beitrag zu "Madeeha").

Ihre letzte Frage verstehe ich nicht ganz. Darum, ob der britische Staat "Madeeha" im Lande lassen sollte oder nicht, darum ging es in meinem Artikel doch gar nicht.

Gruß
Lieselotte

Anonym hat gesagt…

Länder, die sich so ausnutzen lassen und dann nicht ausgenutzt werden, hat die Weltgeschichte wohl noch nicht gesehen.

Ein Land, in dem man Punjabisch und Persisch studieren kann, zu verlassen; das sieht doch aus, wie Flucht und das als Schiitin.

Als Schiitin kann sie Zeit- oder auch Genußehen genannte Verbindungen eingehen, die man dem britischen Toleranz- und Respektstaat schon als nachhaltig verklickern kann.

Da braucht sie doch keinen Anwalt für; sogar auf Zeitbrautkompensation hat sie ein Anrecht als Schiitin.

Also: Erwerbsperspektive gesichert, wo ist noch ein Problem ?