Montag, 11. Oktober 2010

Das ist halt so

Wenn einem einer erklären will, warum man natürlich als Kopftuchmuslima nicht als Lehrerin, Richterin, Verkäuferin bei Kaufhof arbeiten kann, dann heißt es oft: "Na ja, das ist halt so, wenn sich da einer mit nem riesen Irokesenschnitt oder ner großen pinken Brille bewirbt, dann wird der ja auch nicht genommen".

Ich habe den Mann heute in einer der größeren U-Bahn-Stationen in der Londoner Innenstadt gesehen. Er war einer der tube-Angestellten, stand da in der Tickethalle und hat seine Arbeit gemacht wie alle anderen. Man hat ihn schon von weitem erkennen können; da war sein Iro dran Schuld. Mehr als 20 Zentimeter lang, die ersten paar Zentimeter schwarz, der Rest knallrot gefärbt. Vom Arbeiten hat der ihn nicht abgehalten.

Noch Fragen?

11 Kommentare:

Koba hat gesagt…

Hey Liselotte !

Da sind zwei unterschiedliche Ausgangssituationen drin: Als Lehrerin, Richterin repräsentierst du den weltanschaulich neutralen Staat.

Der private Arbeitgeber hat wiederum die Vertragsfreiheit, die ihm das Recht gibt, seine Angestellten nach eigenem Gutdünken zu wählen.

Gruß, Koba

Lieselotte hat gesagt…

Hallo ihr zwei!

Naja, Transport for London ist kein privates Unternehmen, sondern ein staatliches.

Und "weltanschaulich neutral" ist doch auch kein Staat. Selbst wenn man den "Nicht-so-richtig-Staatskirche-aber-auch-nicht-wirklich-neutral-in-Sachen-der-Religion"-Aspekt in Deutschland mal außer Acht lässt - dann vertritt der Staat doch sehr wohl eine bestimmte Weltanschauung. Oder nicht?

Davon abgesehen sehe ich nicht wirklich, warum ich als Irokesenschnitt- oder Kopftuchträgerin nicht den Staat vertreten können sollte. Geht hier (auf der Insel) doch auch.

Gruß
Lieselotte

Annanymous hat gesagt…

Hm ... ich weiß nicht inwiefern Du die Situation in UK mit der deutschen vergleichen kannst. Mir scheint es manchmal, dass in UK alles nur scheinheilig ist. Die Segregation ist halt dort mehr auf den 2. Blick zu erkennen. Obwohl, stimmt gar nicht: Wenn man durch britische Straßen läuft, merkt man sehr schnell wessen Viertel man hier gerade durchquert. Die Trennung ist stark! Nur weil es ein paar staatliche Uniformen mit Turban, Kopftuch, etc. gibt, heißt das noch lange nicht, dass alle White UK-Leute sich prima mit ihren dunkelhäutigen und anders-gläubigen Mitmenschen verstehen oder überhaupt mit ihnen zu tun haben. Obwohl es an mancher Stelle schon sehr gut gelungen ist mit der Integration in UK, ist es nicht durchweg in den Himmel zu loben. Die Putzleute und Hilfsarbeiter sind immer noch die mit dem Turban oder der dunklen Hautfarbe.

Und by the way ... ob ich als in Deutschland aufgewachsene Person und mit, wenn auch sehr, sehr lockeren christlichen Verwurzelungen, es für gut heißen würde, wenn die Grundschullehrerin meiner zukünftigen Kinder Kopftuch trägt, steht in den Sternen geschrieben! Es kommt auf so vieles an: eine gläubige Muslimin mit leicht konservativ angehauchtem Auftreten wäre mir durchaus recht als Umgang, wenn sie kein Kopftuch trägt - eine Ludin würde ich auch ohne Kopftuch jedenfalls nicht für einen angemessenen Umgang halten (alles zu ist von Übel).

conring hat gesagt…

Der beschriebene Herr dürfte wahrscheinlich auch Probleme haben eine Stelle bei Harrod`s zu finden, da sich das Erscheinungsbild der Verkaüferinenn/Verkäufer in einem kapitalistischen Unternehmen doch nach den Wünschen der anvisierten Kundschaft richtet.
Ob es des Staus des Beamten überhaupt in GB gibt, weisw ich nicht (In der BRD ist auch nicht jeder Angestellte eines öffentlichen Verkehrsunternehmen Beamter).
Die Richtertinnen und Lehrerinnen als deutsche Beamtinnen in der BRD sind allerdings zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet. Hierzu gibt es ja auch schon ein einschlägiges Urteil des Bundesvcerfaqssungsgerichts

Lieselotte hat gesagt…

Annanymous,

ich sage ja gar nicht, dass hier alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. Aber in vielem ist man hier entspannter. Und dass manche Sachen einfach wie Privatsache sind (trage ich jetzt ein Kopftuch / nen Turban / Iro oder nicht) scheint hier auch bei mehr Leuten angekommen zu sein als anderswo.

Und was du zu der Kopftuchfrage sagst, bringt es ziemlich auf den Punkt: Es kommt auf die Person an. Das wiederum widerspricht einem allgemeinen Kopftuchverbot in der Schule (und nicht nur dort) und spricht für eine Prüfung des Einzelfalls.

(Davon abgesehen: Bist du dir sicher, dass Fereshta Ludin wirklich so üble Ansichten hatte? Ich kenne sie nicht persönlich, befürchte aber, dass da so manches ziemlich aufgebauscht und aus dem Kontext gerissen wurde in der Berichterstattung.)

Es grüßt
die Lieselotte

Lieselotte hat gesagt…

Hi conring,

"weltanschauliche Neutralität" - was soll das denn sein? Welcher Mensch (und es sind doch Menschen, die uns richten und lehren, oder nicht?) ist denn bitte "weltanschaulich neutral"? So weit ich weiß, gibt es hier so was wie ne "freiheitlich-demokratische Grundordnung". "Freiheitlich-demokratisch" - das ist doch nicht neutral...

Anonym hat gesagt…

Ja, die Londoner sind eben viel cooler.....

Koba hat gesagt…

Ja ok, im Prinzip ist alles Weltanschauung.
Hier in BRD bemisst sich die Weltanschauung bspw. nach der Menschenrechtserklärung von 1948, die sich im Grundrechtekatalog manifestiert hat.

Und der gewährt u.a. Religionsfreiheit, aber auch die Gleichheit aller Menschen unabhängig von Rasse, Herkunft, Geschlecht.

Das Kopftuch wirft ein Problem auf, da nicht eindeutig geklärt ist, inwieweit es sich dabei um ein religiöses Kleidungsstück, also ein spirituelles, handelt. Oder ob es als ein soziales Symbol für eine theokratische Gottesherrschaft steht, nach der alle menschengemachten Gesetze nichtig sind.
Das wäre dann ein Verstoß gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Gruß, Koba

conring hat gesagt…

In meinem Beitrag findet sich kein Hinweis auf die Freiheitlich-demokratische Grundordnung (ein Begriff, den Walter Jens, so weit ich weiss, mit pejorativer Konjunktation (FDGO), für die BRD geprägt hat). Warum der von Ihnen eingeworfene Begriff "Freiheitlich-demokratisch" erklärungsbedürftug ist, bleibt daher ihnen überlassen. Eine Deutung wäre aber interessant.
Die "Weltanschaulichige Neutralität" der Beamten und Beamtinnen, trägt zur religiösen Neutralität des Staates bei (als Beamter/in ist man dazu verpflichtet).

conring hat gesagt…

Hi Liselotte,
"weltanschauliche Neutralität" des Beamten oder der Beamtin (bin selber ersteres) bedeuten, dass man als Beamtin/er dsch nicht als Vertrerterin/er einer bestimmten weltanschaulichen /religiösen Glaubensrichtung den BürgerInnen votrstellten darf.
Der Fall von Frau Ludin ist Ihnen ja selber bekannt.
Ihre Probleme mit dem Begriff "freiheilich-demokratisch", den Sie in Ihrem Kommmentar erwähnen, würde mich intereresieren.

conring hat gesagt…

Liebe Lieselotte,
"weltanschauliche Neutralität" (diesen unschönen juristischen Begrif gibt es wirklich) meint ganz einfach, dass die Beamtinnen und Beamten ihre eigenen weltanschaulichen (auch religiösen) Überzeugungen nicht zur Schau stellen dürfen.
Vielmehr wird, wie Sie in ihrem Kommentar ja auch andeuten, eine positive Bejahung der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung" erwartet. Der Staat und seine Dienerinnen und Diener (die Beamtinnen und Beaamte) sind Repräsentanten dieser Grundordnung. Warum man hier, auch als deutscher Staatsbürger, neutral sein soll, weis ich nicht.