Mittwoch, 3. Februar 2010

Moerder oder Mensch

Ein Jahr und zwei Wochen ist es her, dass die Offensive "Gegossenes Blei" im Gazastreifen ein Ende nahm. Um den Jahrestag des Kriegsbeginns waren in der Presse wieder vermehrt Artikel ueber die Situation in Gaza und Israel zu lesen. In der Zwischenzeit ist die Welle an Berichterstattung abgeflacht, Nahost ist wieder mal aus dem Fokus gerueckt. Fuer uns jedenfalls, die das Privileg der Aussenstehenden, der nicht direkt Betroffenen teilen, die weiter machen koennen, als sei nichts geschehen. Die weiter machen muessen, als sei nichts geschehen: Fuehrte ich mir jeden Tag vor Augen, was - nicht nur - im Nahen Osten jeden Tag passiert, wuerde der Schrecken ueber das, was Menschen dort einander antun, zweifellos alles andere erdruecken.

Dass es Menschen sind, um die es geht, muss dabei im Mittelpunkt jeder Beschäftigung mit diesem Konflikt stehen. Zu oft wird das in hitzigen Diskussionen vergessen, in denen die eine Partei ploetzlich menschlicher gezeichnet wird als die andere. Sicherlich gibt es im Nahen Osten einen Besatzer und die unter Besatzung Lebenden. Das Ungleichgewicht der Kraefte ist offensichtlich: Ramallah ist nicht gleich Tel Aviv, und Gaza ist nicht gleich Sderot. Dennoch: Mensch sind beide, und der Schmerz, die Angst und die Verzweiflung sind im Einzelfall die selbe. Das kann, das darf nicht in Frage gestellt werden. Sicherlich ist das leichter gesagt als getan; vor allem als Aussenstehender, der es hier in Europa ziemlich warm und kuschelig hat. Dennoch muss die Maxime allen Handelns sein: Mensch ist auch der andere. Manchmal hilft die Aussensicht, die Perspektive wieder auf diesen Grundsatz zu lenken, diesen Grundsatz ohne den nichts geht, jedenfalls nichts Sinnvolles. Manchmal hilft der Blick von draußen, nicht immer.

Wirklich verstanden habe ich das waehrend meines Aufenthalts in Israel-Palaestina vor ein paar Jahren. Es kam wieder hoch, als ich das folgende Video eines jungen israelischen Soldats sah. Wer das Video sieht und denkt "Moerder", hat etwas noch nicht verstanden. Wer es sieht und vielleicht denkt, "So viel anders als ich sieht er gar nicht aus" oder "Das koennte mein Bruder sein" oder auch "Mein Gott, ich moechte nicht in seiner Haut stecken", "Haette ich den Mut, mich zu verweigern?" ist moeglicherweise schon einen Schritt weiter.

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