Donnerstag, 17. Februar 2011

Als Broder, Sarrazin und Co. an die LSE kamen

Henryk Broder, Thilo Sarrazin, Hellmuth Karasek und Ali Kizilkaya diskutieren an der LSE in London. Ueber Integration in Deutschland. Dass das keine ausgewogene Diskussion werden wuerde, war zu erwarten. Dass Publikum und Protestanten wuest beschimpft wuerden, es vor dem Veranstaltungssaal fast zu einer Schlaegerei gekommen waere, vielleicht eher nicht. Friedrich, der mit mir studiert, meinte, er habe sich danach einfach nur geschaemt, fuer sein Land. Und kaum einer meiner Freunde und Bekannten aus England, Kanada, den USA konnte verstehen, was fuer "Intellektuelle" wir uns da in Deutschland halten.

Am vernuenftigsten scheint Kizilkaya geredet zu haben. Man muss "Anderssein akzeptieren"; viele der Probleme, die man mit "Tuerken" in Deutschland habe, seien Schichtenproblem und nicht kultureller oder religioeser Art - so weit, so unspektakulaer. Die Anmerkung, dass man sich mit der Islamkonferenz einen "Islam auf Bestellung" zurecht machen wollte, war da wohl schon fast revolutionaer.

Auch von Broder kam nichts wirklich Ueberraschendes. Deutschlands Haltung gegenueber dem Islam ist "appeasement" (na klar), Migration an sich ist kein Problem, sondern der Islam (ja genau), was man daran sieht, dass es mit Persern und Aleviten keine Probleme gaebe (was fuer eine differenzierte Sicht der Dinge, ich bin beeindruckt).

Und auch Sarrazin fuhr die Schiene, die man halt so von ihm gewoehnt ist: Deutschland wandelt sich, das waere normal, aber an diesem Wandel sei nichts Gutes (wo lebt der Mann?).

Wir halten fest:

(1) Zur Zusammenstellung der Podiumsgaeste: Nun, ja. Ausgewogenheit sieht anders aus. Man haette ja einen der beiden, Broder oder Sarrazin einladen koennen - und dazu dann jemanden, der den beiden richtig gut kontern kann. Und jemand, der was von Migration in Deutschland weiss, haette auch nicht nur einen Tuerken, einen Muslim eingeladen, sondern einen Vertreter einer anderen Migrantengruppe. Das waere zumindest ein Versuch gewesen, von dieser unleidlichen Islamfixierung der deutschen Integrationsdebatte weg zu kommen. Ausserdem waere es schoen gewesen, wenigstens eine Frau und / oder einen juengeren Diskussionsteilnehmer auf dem Podium sitzen zu haben. Sarrazins, Broders, Karaseks, Kizilkayas Deutschland - das ist nicht unser Deutschland.

(2) Broder spielt wirklich auf unterster Liga. Auf seinem Blog heulte er, die LSE habe "gekniffen" und die Veranstaltung aus Feigheit abgesagt, dabei letztes Jahr aber kein Problem gehabt, Ghaddafi einzuladen. Ghaddafi hat per Videouebertragung an der LSE gesprochen, so wie eine ganze Reihe auslaendischer Staatsfuehrer das regelmaessig machen. Als Beispiel haette der gute Herr Broder dann vielleicht doch lieber den Vortrag des Herausgebers der arabischen Zeitung Al-Quds al-Arabi Abdel Bari Atwan, der fuer seine kontroversen Aussagen zur HAMAS bekannt war, erwaehnen sollen. Nach Protesten und ner Menge Aufruhr waehrend der Veranstaltung wurde der zweite Teil des Vortrags aus Sicherheitsgruenden abgesagt. Genau wie dieses Mal. Einmal sind die HAMASis dran, einmal die Islamopaniker - was hat das mit Feigheit oder Blindheit auf dem muslimischen Auge, wie Broder unterstellt, zu tun?!

(3) Und warum Broder, der ausfaellig wird, poebelt, und denen, die nicht konform mit ihm gehen, fast eine auf die Nase haut, warum der so viel besser sein soll als die testoterongetriebenen Jugendlichen mit deutscharabisch- oder -tuerkischem Hintergrund in Deutschlands Staedten, ueber die der Gute sich so gerne beschwert - das muss mir erst noch einmal einer erklaeren.

(3) Bleibt zu hoffen: Dass die alten, selbstgerechten Maenner bald abtreten. Euer Deutschland ist nicht unser Deutschland. Und wenn einer wie Hellmuth Karasek froh ist, "zu alt zu sein", um "das Schlimmste", was Deutschland bevorsteht, noch zu erleben, dann tut der Mann mir Leid. Was waere Berlin ohne seine deutsch-tuerkischen Baeckereien, in denen man simit und Kaiserbroetchen kaufen kann; was waere Frankfurt ohne seine indischen Restaurants, in denen das Essen fast besser schmeckt als in Indien; oder Muenchen ohne seine italienischen Restos, in denen sowieso fast nur Inder in der Kueche stehen? Was wuerden wir machen ohne einen Wladimir Kaminer, ohne Rafik Schami, Herta Mueller, Fatih Akin?

17 Kommentare:

nuria hat gesagt…

Da fragt man sich,wo leben diese Leute? Ich erlebe hier jeden Tag gelungene Integrtion. Schlage die zeitung auf, lesen von Treffen türkischer Jugendlicher mit deutschen Senioren. Letztere übrigens auch mit Migrationshintegrund, weil nach dem zweiten Weltkrieg aus dem Osten nach Deutschland gekommen. Oder von jungen marokkanischen Frauen, die Kinderbücher schreiben (FAZ vom 6.12.10) Oderall die jungen Leute, die hier studieren oder eine Ausbildung machen, oder die Geschäftsleute und damit meine ich nicht nur die Gemüsehändler. Auf diesemöchte ich ausserdem nicht mehr verzichten, weil nur in Supermärkten einkaufen macht keinen Spaß. Warum diese Herren sich so ein Weltbild zurechtzimmern, bleibt mir rätselhaft. Sie sollten uns damit verschonen. Wir kennen eine andere Wirklichkeit. Darin leben wir. Wer setzt die denn auch immer noch auf Podien? Pfui Teufel!!!!!

yoyo hat gesagt…

Diese Herren sind ja wohl nicht nur von gestern, sie sind von vorgestern. Aus dem letzten Jahrhundert, und zwar aus der Zeit von 1933-45.

Lieselotte hat gesagt…

@ nuria: Ich glaube, dass die Zusammensetzung des Podiums einfach auch ziemlich was mit Effekthascherei der German Society an der LSE zu tun hatte. Lädt man Sarrazin und Broder ein, schafft man es in SPIEGEL, Stern und FAZ...

Lieselotte hat gesagt…

@ yoyo: Na ja, man muss ja gar nicht bis in die Nazizeit zurückgehen. In den 50ern und 60ern muss es in Deutschland auch ziemlich piefig zugegangen sein - und das waren nun mal für einen Broder (*1946), Sarrazin (*1945), Karasek (*1934) die prägende Zeit.

"Gastarbeiter", "Ausländerkinder" - bin ich froh, dass der Quatsch vorbei ist!

Anonym hat gesagt…

Wir können von Glück sagen, dass wir nicht wie England vor den Muslimen kapitulieren und uns gegen diese furchtbare Religion wehren.

Der Islam gehört nicht zu Deutschland.

Anonym hat gesagt…

Blöder Kommentar über mir.

Aber ne Frage:

"Nach Protesten und ner Menge Aufruhr waehrend der Veranstaltung wurde der zweite Teil des Vortrags aus Sicherheitsgruenden abgesagt."

Wer hat denn da für Aufruhr gesorgt? Die Master-Karrieristen? oO

Lieselotte hat gesagt…

Total bloeder Kommentar ueber dir.

Protestiert haben bei der Veranstaltung letzten term Mitglieder der Israel Society (dagegen) und der Palestine Society (dafuer). Ich hab nur mit undergrad-Studenten darueber gesprochen, ob auch Master-Studenten dabei waren, weiss ich nicht.

Abgesagt wurde der zweite Teil dann nachdem im Veranstaltungssaal rumgeschrien wurde und die Vorsitzende der Israel Society schluchzend aus dem Raum gelaufen ist.

Anonym hat gesagt…

Also Nahostkonflikt für Arme?

Hab mir die Berichte über die Veranstaltung im Blätterwald mal durchgelesen, teilweise soll das Publikum dem Broder bei den Pöbeleien ja applaudiert haben und irgendwer "sei aufs Podium gestürmt" um eine Erklärung zu verlesen etc...

Alles sehr dubios...

Anonym hat gesagt…

Achja: Wieso denn schluchzend aus dem Raum gelaufen? Weil das alles zu peinlich war?

Lieselotte hat gesagt…

Wieso "Nahostkonflikt fuer Arme"? Hae?
.
Ja, anscheinend wurde ihm applaudiert, als er einen Studenten als "linkes Superarschloch" (fuer den genauen Wortlaut siehe Presseberichterstattung) bezeichnet hat. Daraufhin hat sich der Student mit einem "Ihr seid doch alle Faschisten!" aus dem Saal verabschiedet. Ziemlich gaga, das Ganze.

Lieselotte hat gesagt…

Was das Maedchen von der Israel Society (bei der Veranstaltung letztes Semester) angeht: Sie ist aus dem Raum gerannt, weil sie - als Juedin - von dem Thema so getroffen war. Offensichtlich hatte jemand kurz davor angefangen, rumzuschreien, dass die Israelis die neuen Nazis waeren (oder so).

Gaga auch hier, wie man sieht...

Anonym hat gesagt…

was heisst hier furchtbare religion?
Darf ich an die mißbrauchsfälle der katholischen kirche erinnern?

conring hat gesagt…

Liebe Liselotte,
A) sollte man dem Alter immer Respekt zollen, auch den Herren Broder und Sarrazin
Eine etwas andere darstellung der Veranstaltung findet sich hier:
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/what_really_happend/
B) Den Gaddafi-Vergleich finde ich übrigens nicht so weit hergeholt. Die Frage warum so jemand, der ja gerade richtig los legt, sich frei per Video an der LSE äußern darf, Broder und Sarrazin, bei denen dann ja auch Nachfragen möglich waren, aber nicht, ist doch nicht ganz uninteressant.

Lieselotte hat gesagt…

Liebe/r conring,

"dem Alter immer Respekt zollen"?, nun ja, ich weiss nicht. Auch wenn der "Alte" anfaengt, rum zu poebeln, und dich als "Superduperdoppelarschloch" (frei nach Broder) bezeichnet...? Davon abgesehen hat der Student, der sich den Schlagabtausch mit Broder geliefert hat, ihm doch Respekt gezollt - insofern, als dass er ruhig gebelieben ist und eben NICHT zurueck gepoebelt hat.

An die LSE kommen staendig irgendwelche Staatschefs und andere Persoenlichkeiten des oeffentlichen Lebens. Grade bei den Politikern hat bestimmt nicht jeder eine lupenreine Weste. Letztens war irgend ein russischer Regierungsvertreter hier - und die Russen sind ja auch nicht ohne. Solche Leute hier sprechen lassen, ist meiner Meinung nach, erst mal ok. Es kommt dann bloss drauf an, in welchem Rahmen das Ganze laeuft.

Der Ghaddafi-Vergleich hinkt meiner Meinung nach, weil Broder meint: Ghaddafi durfte sprechen, wir nicht. Dabei laesst er ausser Acht, dass seine Veranstaltung aus Sicherheitsgruenden abgesagt wurde - bei Ghaddafi war das kein Thema ... doch aber bei der anderen, oben von mir zitierten Veranstaltung im letzten Semester, die dann auch abgesagt wurde.

Die Tatsache, dass ein pro-HAMASi und ein Broder/Sarrazin gleich behandelt werden, zeigt meiner Meinung, dass hier nicht von voreingenommenheit der Uni gesprochen werden kann.

Sorry, das war jetzt lang.

Divergenz hat gesagt…

Ich bin kein Student an der LSE und habe gerade die Diskussion bei Youtube verfolgt. Na ja, inhaltlich ist ja in der Tat nicht viel passiert. Dennoch vermisse ich in deinem Blog-Beitrag eine scharfe Verurteilung der Proteste gegen das Panel. Unabhängig von den Meinungen der Diskutierenden ist doch erst einmal an deren Recht, ihre Meinung kundzutun, nichts auszusetzen. Es ist schon ziemlich peinlich für die Protestierenden, wenn auf Grund ihres Verhaltens die Veranstaltung nicht auf dem Campusgelände stattfinden kann. Dass die Freiheit immer auch die Freiheit der Andersdenkenden ist, sollte ja gerade den Linken unter ihnen ein Begriff sein.

Die von die angeprangerte, offensichtliche Unausgewogenheit, der ja ja vielen Studenten als Protestgrundlage diente, ist definitiv ein recht simples Argument. Denn erstens hat der polittalk-erfahrene Vertreter der Muslime eine klare Gegenposition geäußert, die auch so deutlich Gehör fand. Zweitens hat auch Herr Sarrazin durchaus einer-gegen-alle-Polittalkshows durchstehen müssen. Auch hier galt: Die Anzahl der Vertreter einer Position ist letztendlich nicht entscheidenend für ihre Resonanz beim Publikum.

Dass Broder ein Provocateur par excellence ist, war doch schon vor der Veranstaltung bekannt. Dass so jemand nach diesem Vorspiel nicht mehr wirklich Lust auf eine Debatte hat und in Schablonendenken verfällt, zeugt zwar nicht gerade von Reife, ist aber irgendwo verständlich, zumal das emotionalisierte Publikum ja auch nicht immer zielführende Fragen gestellt hat.

Im Übrigen denke ich, dass Herr Broders Gaddafi-Vegleich vor allem daher rührt, weil er nicht verstehen kann, dass ein Massenmörder hofiert wird (Staatenlenker hin oder her), während die Meinungskundgebung von Herrn Sarrazin und Herrn Broder auf derartige Ablehung stößt, obwohl sie sicher nicht vergleichbare Schuld auf sich geladen haben. Die Proteste gegen die Ausstrahlung des Gaddafi-Videos haben sicherlich nicht ähnlich dramatische Protestszenen ausgelöst (man korrigiere mich, falls ich hier falsch liege).

Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich den Kommentar deines Kommilitonen Friedrich bezüglich des "Fremdschämaspekts" für diese "deutschen" Repräsentanten überhaupt nicht nachvollziehen kann. Richt ihm doch bitte aus, dass der niveovolle Amerikaner, Engländer oder wer auch immer schon fähig sein sollte, zu differenzieren und diese Meinungsäußerungen als Teil unserere Gesellschaft und Teil einer Meinungspluralität zu akzeptieren. Irgendwie wird von ihm ja suggeriert, dass es nur einen einzigen logischen, unanfechtbaren, gar "anständigen" Standpunkt gibt. Es ist diese Form "linker" Selbstgerechtigkeit, die Leute wie Broder ebenso provoziert, wie dich seine Polemik anwidern muss...

Anonym hat gesagt…

Hier gibt es inzwischen einen Video-Mitschnitt der Veranstaltung:
http://www.german-society.co.uk/integration-debate-video-recording

Anonym hat gesagt…

Wüsste man nicht, dass die wirklich Begabten an amerikanische Universitäten gehen, es würde einem Angst und Bange, wenn man das Video der Veranstaltung sieht.

Wohl kaum zu übertreffende Realsatire ist aber die Studentin, die sich auf "die free speech group der LSE" (oder Komitee?) beruft. Anderen im Namen der Freien Rede den Mund verbieten, wenn das mal nicht eine intellektuelle Meisterleistung ist.