Mittagspause, Supermarkt bei uns um die Ecke, die Schlange an der Kasse ist erstaunlich kurz. Hinter mir steht ein junger Mann. Schokoladeneis und Fertigcurrywurst kauft er. "Dabei biste nicht wirklich der Schlankeste", denke ich noch. Ich zahle meinen Mais und den Käse. Während ich meine Einkäufe einpacke, steht er neben mir und zahlt. Dabei balanciert er eine in Plastik eingepackte Styroporschachtel mit anscheinend irgendetwas Essbarem drin so ungeschickt, dass es schließlich passiert - er gießt mir einen ganz schönen Schwall grün-durchsichtiger Soße auf meinen Schuh. Iiiih.
Ich gucke auf meinen Schuh, er schaut darauf, dann sieht er wieder hoch und widmet sich der Kassiererin. Zu mir: Kein Blick, kein Wort, keine Geste, nichts. Ich bin erst mal so baff, dass ich gar nichts sage. Als nach einem Moment immer noch keine Entschuldigung, kein "ups", kein "hoppala", kein garnichts seinerseits zu hören ist, mache ich doch den Mund auf. Ob er ein Taschentuch habe, frage ich ihn. Wieder schaut er mich nicht an, sieht aber zur Kassiererin und fragt sie, ob sie eines hat. Hat sie und ich wische das Zeug von meinem Schuh. Und warte. Aber es kommt nichts. Das kann doch nicht sein. Dann frage ich: "Was war das denn?" Er, und jetzt schaut er mir endlich ins Gesicht: "Dillsoße". Und dann, endlich: "Tschuldigung". Umgangsformen sind das hier...
Donnerstag, 29. Dezember 2011
Dienstag, 27. Dezember 2011
Mensch ist Mensch
Oder: Philosophie am Dönerstand
Nach Stunden über Stunden Fahrt kommen wir endlich am Wiener Westbahnhof an. Das Lieschen und ich sind uns einig: Hunger! Ein kurzer Blick durch die Bahnhofshalle: Wir haben die Wahl zwischen Pizza, asiatischen Nudeln, Döner, belegten Brötchen und Fischfrikadellen. Nach einem Moment des Zögerns (ja, die Qual der Wahl und so) entscheide ich mich für den Dönerstand und bestelle ein Falafelsandwich. Schaue dem Mann hinter dem Tresen zu, wie er Falafelbällchen, Humus, gebratene Auberginen (nee, Melanzani sind das ja hier), Salat und so weiter in ein Pitabrötchen schaufelt. Zum Mitnehmen? Ja, bitte.
Er reicht mir das kleine Packet über die Theke und als ich bezahle, rückt er schließlich mit der Sprache heraus: "Sie Österreich?". "Nein", sage ich, " ich bin Deutsche" und starte gleich die Gegenfrage: "Und Sie?" (Das ist das tolle an diesen tendenziell distanzlosen Fragen nach der Herkunft; man darf dann genauso ungeniert zurückfragen.) "Ich bin Türkei", sagt der Mann. Lacht. Und verbessert sich. Er wäre Kurde, sein Kollege da hinten, er zeigt auf den Mann an der Friteuse, der wäre Türke. Beide lächeln und nicken bekräftigend. Dann sagt der erste: "Aber ist egal. Mensch ist Mensch. Hab ich mir nicht ausgesucht, wo ich geboren bin. Türke, Kurde, Deutscher ist doch egal."
Da kann ich auch nur nicken. Bis der Mann an der Friteuse fragt, ob ich Islam sei. Ich nicke und schiebe dem ein "mhm" hinterher. Beide nicken wieder und zum Abschied, denn in der Zwischenzeit hab ich Falafelsandwich, Tüte ("wollen Sie auch Sackerl?"), Servietten und Rückgeld erhalten, rufen sie mir ein freundliches selam aleyküm hinterher. "Tschüs", rutscht es mir nach mehreren Tagen Deutschland heraus, "wa alaikum salam". Die Cola (muss zum fettigen Falafelsandwich sein) hab ich mir dann beim Bäcker nebenan geholt, 30 Cent billiger war sie da, wieder was gespart.
Nach Stunden über Stunden Fahrt kommen wir endlich am Wiener Westbahnhof an. Das Lieschen und ich sind uns einig: Hunger! Ein kurzer Blick durch die Bahnhofshalle: Wir haben die Wahl zwischen Pizza, asiatischen Nudeln, Döner, belegten Brötchen und Fischfrikadellen. Nach einem Moment des Zögerns (ja, die Qual der Wahl und so) entscheide ich mich für den Dönerstand und bestelle ein Falafelsandwich. Schaue dem Mann hinter dem Tresen zu, wie er Falafelbällchen, Humus, gebratene Auberginen (nee, Melanzani sind das ja hier), Salat und so weiter in ein Pitabrötchen schaufelt. Zum Mitnehmen? Ja, bitte.
Er reicht mir das kleine Packet über die Theke und als ich bezahle, rückt er schließlich mit der Sprache heraus: "Sie Österreich?". "Nein", sage ich, " ich bin Deutsche" und starte gleich die Gegenfrage: "Und Sie?" (Das ist das tolle an diesen tendenziell distanzlosen Fragen nach der Herkunft; man darf dann genauso ungeniert zurückfragen.) "Ich bin Türkei", sagt der Mann. Lacht. Und verbessert sich. Er wäre Kurde, sein Kollege da hinten, er zeigt auf den Mann an der Friteuse, der wäre Türke. Beide lächeln und nicken bekräftigend. Dann sagt der erste: "Aber ist egal. Mensch ist Mensch. Hab ich mir nicht ausgesucht, wo ich geboren bin. Türke, Kurde, Deutscher ist doch egal."
Da kann ich auch nur nicken. Bis der Mann an der Friteuse fragt, ob ich Islam sei. Ich nicke und schiebe dem ein "mhm" hinterher. Beide nicken wieder und zum Abschied, denn in der Zwischenzeit hab ich Falafelsandwich, Tüte ("wollen Sie auch Sackerl?"), Servietten und Rückgeld erhalten, rufen sie mir ein freundliches selam aleyküm hinterher. "Tschüs", rutscht es mir nach mehreren Tagen Deutschland heraus, "wa alaikum salam". Die Cola (muss zum fettigen Falafelsandwich sein) hab ich mir dann beim Bäcker nebenan geholt, 30 Cent billiger war sie da, wieder was gespart.
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Mittwoch, 21. Dezember 2011
Das war's
Unglaubliche Gewalt
Montagabend sah ich ihr Bild zum ersten Mal. Eine auf dem Boden liegende Frau, die schwarze Abaya auf gerissen, darunter ein blauer BH und viel nackte Haut. Um sie herum eine Gruppe von Soldaten in khaki-grünen Kampfanzügen, ausgestattet mit Helmen und Schlagstöcken. Einer zieht an ihrem Gewand, ein anderer ist gerade im Begriff, ihr zwischen Brust und Bauch auf die nackte Haut zu treten.
Ein gebrochenes Tabu
Ich war geschockt von der Brutalität des Bildes, von der Unmittelbarkeit der Gewalt, die die Unbekannte erfahren musste. Erst später fiel mir ein, wie unglaublich schlimm der Übergriff - und das dabei entstandene Foto - für die junge Frau gewesen sein muss. Solch ein Bild von ihr in einer Gesellschaft, in der Nacktheit noch viel mehr ein Tabu ist als bei uns; solch ein Bild von einer Frau, die sich eben gerade bedeckt.
Fremde, die auf ihre Nacktheit gaffen
Das war dann auch der Grund, weshalb ich das Bild trotz der Rage, die ich angesichts dieser Brutalitäten empfand, nicht weiterleitete. Ich wollte, zumindest, ihre Schmach nicht vergrößern, indem noch mehr Fremde auf dieses Bild, ihre Nacktheit gafften.
Kairos Frauen empören sich
Und dann das, am Dienstagabend: Demonstrationen gab es in Kairo, eine Versammlung von mehreren tausend Frauen (und Männern), die auf die Straße gehen und protestieren. Das ist es! Das war's. Mubarak verweigert sich Reformen, Ägypten geht auf die Straße. Das Militär fühlt sich etwas zu wohl in seiner Position, die Ägypter demonstrieren weiter. Die - oft sexuell gefärbten - Übergriffe auf Frauen während der Proteste (die US-südafrikanische Journalistin Lara Logan war nur eines der prominentesten Opfer) nehmen kein Ende, Ägyptens Frauen stellen sich quer!
Das war's, Tantawi
Das war's, Tantawi, das war's, Oberster Militärrat. Wenn die Ägypter sich von der öffentlichen Zurschaustellung der Demütigung einer ihrer Frauen (und einer derer, die von der Mehrheit als "ehrbar" (Kopftuch) angesehen wird), wenn sie sich davon nicht einschüchtern lassen, wenn die Frauen als Reaktion sich nicht zu Hause verschanzen, sondern erst Recht auf die Straße gehen - dann zeigt das ziemlich deutlich, wieviel Macht, wieviel Möglichkeit zur Einschüchterung und Manipulation ihr noch habt. Und ohne Macht(missbrauch), Einschüchterung und Manipulation wird das erst mal nichts mit eurer Semidiktatur. Dachtet ihr wirklich, ihr kommt damit durch? Das war's.
Montagabend sah ich ihr Bild zum ersten Mal. Eine auf dem Boden liegende Frau, die schwarze Abaya auf gerissen, darunter ein blauer BH und viel nackte Haut. Um sie herum eine Gruppe von Soldaten in khaki-grünen Kampfanzügen, ausgestattet mit Helmen und Schlagstöcken. Einer zieht an ihrem Gewand, ein anderer ist gerade im Begriff, ihr zwischen Brust und Bauch auf die nackte Haut zu treten.
Ein gebrochenes Tabu
Ich war geschockt von der Brutalität des Bildes, von der Unmittelbarkeit der Gewalt, die die Unbekannte erfahren musste. Erst später fiel mir ein, wie unglaublich schlimm der Übergriff - und das dabei entstandene Foto - für die junge Frau gewesen sein muss. Solch ein Bild von ihr in einer Gesellschaft, in der Nacktheit noch viel mehr ein Tabu ist als bei uns; solch ein Bild von einer Frau, die sich eben gerade bedeckt.
Fremde, die auf ihre Nacktheit gaffen
Das war dann auch der Grund, weshalb ich das Bild trotz der Rage, die ich angesichts dieser Brutalitäten empfand, nicht weiterleitete. Ich wollte, zumindest, ihre Schmach nicht vergrößern, indem noch mehr Fremde auf dieses Bild, ihre Nacktheit gafften.
Kairos Frauen empören sich
Und dann das, am Dienstagabend: Demonstrationen gab es in Kairo, eine Versammlung von mehreren tausend Frauen (und Männern), die auf die Straße gehen und protestieren. Das ist es! Das war's. Mubarak verweigert sich Reformen, Ägypten geht auf die Straße. Das Militär fühlt sich etwas zu wohl in seiner Position, die Ägypter demonstrieren weiter. Die - oft sexuell gefärbten - Übergriffe auf Frauen während der Proteste (die US-südafrikanische Journalistin Lara Logan war nur eines der prominentesten Opfer) nehmen kein Ende, Ägyptens Frauen stellen sich quer!
Das war's, Tantawi
Das war's, Tantawi, das war's, Oberster Militärrat. Wenn die Ägypter sich von der öffentlichen Zurschaustellung der Demütigung einer ihrer Frauen (und einer derer, die von der Mehrheit als "ehrbar" (Kopftuch) angesehen wird), wenn sie sich davon nicht einschüchtern lassen, wenn die Frauen als Reaktion sich nicht zu Hause verschanzen, sondern erst Recht auf die Straße gehen - dann zeigt das ziemlich deutlich, wieviel Macht, wieviel Möglichkeit zur Einschüchterung und Manipulation ihr noch habt. Und ohne Macht(missbrauch), Einschüchterung und Manipulation wird das erst mal nichts mit eurer Semidiktatur. Dachtet ihr wirklich, ihr kommt damit durch? Das war's.
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Dienstag, 20. Dezember 2011
Umzug
Guter Rat ist teuer, hier ist einer umsonst: Wähle den Zeitpunkt deines Umzugs strategisch. Umziehen, wenn alle Freunde, Bekannten, Kommilitonnen (sprich: potentielle Helfer) mit Prüfungsvorbereitungen und Essayschreiben beschäftigt sind, ist nicht wirklich eine gute Idee.
Von über zehn Leuten, denen ich eine Notfall-SMS schicke, antworten vielleicht zwei Drittel. Die Hälfte davon hat keine Zeit, die andere sagt erst zu und dann plötzlich wieder ab: Notfall zu Hause, doch noch was dazwischen gekommen; sorry, dieses Mal klappt es nicht, aber nächstes Mal ganz bestimmt. Toll. Da standen wir also mit all unseren Koffer und Kisten plus Lieschen, die alle irgendwie runter zum Taxi sollten.
Und dann, Licht am sich aufklärenden Himmel, Rahana sagt zu. Und Sebastian. Und so kam es, dass bei einem der letzten meiner vielen Umzüge mir Rahana aus East London, in tiefschwarzem Gewand und mit Gesichtsschleier ausgestattet, und der blonde Sebastian aus Deutschland, der mit einer neckigen Jack Union-Mütze auf dem Kopf vorbei geschlendert kam, halfen, meine Kisten zu tragen. Wenn das nicht mal wieder ein Anwärter auf Multikulti at its best ist.
Von über zehn Leuten, denen ich eine Notfall-SMS schicke, antworten vielleicht zwei Drittel. Die Hälfte davon hat keine Zeit, die andere sagt erst zu und dann plötzlich wieder ab: Notfall zu Hause, doch noch was dazwischen gekommen; sorry, dieses Mal klappt es nicht, aber nächstes Mal ganz bestimmt. Toll. Da standen wir also mit all unseren Koffer und Kisten plus Lieschen, die alle irgendwie runter zum Taxi sollten.
Und dann, Licht am sich aufklärenden Himmel, Rahana sagt zu. Und Sebastian. Und so kam es, dass bei einem der letzten meiner vielen Umzüge mir Rahana aus East London, in tiefschwarzem Gewand und mit Gesichtsschleier ausgestattet, und der blonde Sebastian aus Deutschland, der mit einer neckigen Jack Union-Mütze auf dem Kopf vorbei geschlendert kam, halfen, meine Kisten zu tragen. Wenn das nicht mal wieder ein Anwärter auf Multikulti at its best ist.
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Sonntag, 18. Dezember 2011
Salah Hamouri
Oder: Eine palästinensische Geschichte
Salah Hamouri ist frei. Endlich. Über sechs Jahre saß der 26-Jährige in israelischen Gefängnissen. Seine Geschichte ist eine sehr palästinensische. Schon als 16-Jähriger, als Schüler, verbüßte er eine mehrmonatige Haftstrafe - für das Verteilen von Flugblättern gegen die israelische Besatzung. Ein zweites Mal wurde er während seiner Zeit als Soziologiestudent in Bethlehem festgenommen - wegen angeblicher Kontakte zu einem politischen Aktivisten.
Im März 2005 wird Salah zum dritten Mal festgenommen. Diesmal ist es ernst. Es wird ihm die Beteiligung an einem Komplott zur Tötung des israelischen Rabbi Obadia Yossef, einem der Oberen der ultrareligiösen, extrem rechten Partei Schas vorgeworfen. Salah streitet dies bis heute ab. Es folgen drei Jahre Administrationshaft. Das heißt: drei Jahre Haft, ohne das es zu einem Gerichtsverfahren gekommen, ohne das ein Richterspruch gefallen wäre. In Israel ist das möglich, ein Erbe aus der Mandatszeit. Ich kenne Palästinenser, die monatelang in Haft waren, ohne zu wissen, weshalb.
Als Salah endlich vor ein Gericht, ein Militärgericht, gestellt wird, wird ihm geraten, sich schuldig zu bekennen, um statt der ihm drohenden 14-jährigen Haftstrafe "nur" sieben im Gefängnis verbringen zu müssen. So kommt es, und Salah bekennt sich schuldig für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat, und von dem er bis heute sagt, dass er auch nie vorhatte, es zu begehen, wie ihm von den israelischen Behörden vorgeworfen wird.
Geschichten wie die von Salah Hamouri sind Alltag in Palästina. 16-Jährige, die wegen des Verteilen von Flugblättern ein halbes Jahr im Gefängnis verbringen; Festnahmen wegen angeblicher Kontakte zu politischen Aktivisten; und diese unsagliche Administrationshaft - es gibt wohl kaum eine palästinensische Familie, die nicht einen Sohn, Vater, Bruder, Onkel, eine Tochter, Mutter, Schwester, Tante hat, der ähnliches passiert ist.
Aber Salah ist nicht einfach nur Palästinenser. Er ist Franko-Palästinenser, die Mutter Französin, der Vater Palästinenser. Die doppelte Staatsangehörigkeit, ihr Alter und die Tatsache, dass sie fast die gleiche Zeit in Gefangenschaft verbrachten, brachte viele Beobachter dazu, ihn mit Gilad Schalit, Franko-Israeli (Lieselotte berichtete), zu vergleichen. Ihre Geschichte ist nicht die selbe; ich selbst säße wahrscheinlich lieber in einem israelischen Gefängnis als Gefangener der Hamas zu sein - aber Unrecht, unglaubliches Unrecht, das begangen wurde, spiegeln beide Geschichten, die von Salah und die von Gilad, wieder.
Man sollte als 16-Jähriger nicht für das Verteilen von Flugblättern 5 Monate in Haft verbringen, als 19-Jähriger als Soldat dienen müssen, Administrationshaft geht mal gar nicht, und gekidnappt werden soll natürlich auch keiner - aber das ist Israel, das ist Palästina, und so lange die Mehrheit der Leute da draußen nur (oder vor allem) um Gilad Shalit bangt oder sich nur (oder vor allem) über das Unrecht, das Salah Hamouri widerfuhr, aufregen - so lange werden wir das nicht hinkriegen mit dem Frieden in dieser Region.
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Samstag, 17. Dezember 2011
Anderthalb Monate
Anderthalb Monate ist es her.
Anderthalb Monate ist es her, dass sich Deutschland daran erinnerte, dass gewalttätige Islamisten keineswegs ein Monopol auf Terrorismus haben, dass in den letzten zehn Jahren die größte Bedrohung in Deutschland nicht von islamistischen, sondern von rechtsextremistischen Terroristen ausging.
Zweieinhalb Jahre ist es her.
Zweieinhalb Jahre ist es her, dass in einem deutschen Gerichtssaal eine junge Frau vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes, ihres Mannes mit 18 Messerstichen niedergemetzelt wurde und ihr Mann von einem herbeieilenden Sicherheitsbeamten, der ihn für den Angreifer hielt, angeschossen wurde. Die Frau verblutete vor den Augen ihres Mannes und Kindes - mit ihr starb ihr ungeborenes Kind. Wer hat damals auf die Warnungen der muslimischen Gemeinde gehört, dass die islam- und ausländerfeindlichen Hasstiraden des Täters ihnen nur allzu bekannt vorkamen, dass es im Netz an Internetseiten mit ähnlichen Argumentationen nur so wimmelt? Wo blieb eine klare Stellungnahme der Kanzlerin? Sie blieb aus. Ein "Ausländer" hatte eine Ausländerin getötet; das Opfer war Muslimin, keine von uns.
Ein halbes Jahr ist es her.
Ein halbes Jahr ist es her, dass in Norwegen ein lone wolf einen Doppelanschlag in Norwegen und auf der Insel Utroya ausführte. Ein halbes Jahr ist es her, dass wir uns an den Kopf fassten und fragten, wie es kommt, dass dieser Mann in einem Großteil der berichterstattenden Medien als Wirrkopf, als Einzeltäter, höchstens noch als Extremist bezeichnet wurde - und dass von Terrorismus kaum die Rede war. Dabei gab es auch Lichtblicke. Zumindest in einem Teil der deutschen Presse wurde die Frage, was Terrorismus ist und ob wir diesen Terminus in der Zwischenzeit schon so sehr mit islamistisch motiviertem Terrorismus verknüpft haben, dass er auf Terroristen anderer Gesinnung einfach nicht zu passen scheint, diskutiert. Endlich.
Und dann, vor anderthalb Monaten: ein Doppel(selbst)mord, ein brennender Wohnwagen, ein explodierendes Wohnhaus - und langsam, langsam die bedrohliche Ahnung, dass wir in Deutschland schon seit Jahren von rechtsextremistischem Terrorismus bedroht sind. In den ersten Tagen nach dem Tod zweier der mutmaßlichen Haupttäter waren noch Artikel zum Thema zu finden, in denen das Wort "Terrorismus" kein einziges Mal vorkam - aber das war spätestens nach Ende des Wochenendes nach den Selbstmorden anders. Rechtsterrorismus, rechtsextremistischer Terrorismus, neuer Neonaziterror - plötzlich fanden sich die Begriffe in allen deutschen Zeitungen. Und da haben wir sie endlich, eine Diskussion über Terrorismus, die sich nicht nur auf Islamismus konzentriert, sondern auch für rechtsextremistische Terroristen noch Platz lässt. Und in den einschlägigen islam- und ausländer"kritischen" Internetforen lese ich plötzlich, wie sich Diskutanten darüber beschweren, dass in der allgemeinen Diskussion zwischen "rechts", "rechtsextremistisch" und "rechtsterroristisch" nicht differenziert wird - und ich denke mir, von irgendwoher kenne ich das doch.
Da ist sie, die Debatte, die wir seit langem brauchten.
Aber da ist auch noch etwas. Ein Gedanke, der mir gar nicht gefällt. Nach den Anschlägen in Norwegen kam er mir zum ersten Mal. Der Gedanke, dass es also tote Norweger (welche von uns; einen Teil der Mehrheitsgesellschaft) braucht, einen Angriff auf die sozialdemokratische Partei eines europäischen Landes (eine respektable Institution in der Mitte der Gesellschaft) und einen Anschlag in der Osloer Innenstadt (das Herz des Staates), damit wenigstens in manchen deutschen Zeitungen darüber nachgedacht wird, ob auch Rechtsextreme Terroristen sein können. Jetzt, nach der Aufdeckung des rechtsextremistischen Terrornetzwerkes, kam er mir wieder. Aber ich hab ihn schnell verdrängt, weil ich nicht verbittert werden möchte, weil ich nicht glauben kann, nicht glauben will, wie rassistisch und exkludierend wir vielleicht sind.
Anderthalb Monate ist es her, dass sich Deutschland daran erinnerte, dass gewalttätige Islamisten keineswegs ein Monopol auf Terrorismus haben, dass in den letzten zehn Jahren die größte Bedrohung in Deutschland nicht von islamistischen, sondern von rechtsextremistischen Terroristen ausging.
Zweieinhalb Jahre ist es her.
Zweieinhalb Jahre ist es her, dass in einem deutschen Gerichtssaal eine junge Frau vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes, ihres Mannes mit 18 Messerstichen niedergemetzelt wurde und ihr Mann von einem herbeieilenden Sicherheitsbeamten, der ihn für den Angreifer hielt, angeschossen wurde. Die Frau verblutete vor den Augen ihres Mannes und Kindes - mit ihr starb ihr ungeborenes Kind. Wer hat damals auf die Warnungen der muslimischen Gemeinde gehört, dass die islam- und ausländerfeindlichen Hasstiraden des Täters ihnen nur allzu bekannt vorkamen, dass es im Netz an Internetseiten mit ähnlichen Argumentationen nur so wimmelt? Wo blieb eine klare Stellungnahme der Kanzlerin? Sie blieb aus. Ein "Ausländer" hatte eine Ausländerin getötet; das Opfer war Muslimin, keine von uns.
Ein halbes Jahr ist es her.
Ein halbes Jahr ist es her, dass in Norwegen ein lone wolf einen Doppelanschlag in Norwegen und auf der Insel Utroya ausführte. Ein halbes Jahr ist es her, dass wir uns an den Kopf fassten und fragten, wie es kommt, dass dieser Mann in einem Großteil der berichterstattenden Medien als Wirrkopf, als Einzeltäter, höchstens noch als Extremist bezeichnet wurde - und dass von Terrorismus kaum die Rede war. Dabei gab es auch Lichtblicke. Zumindest in einem Teil der deutschen Presse wurde die Frage, was Terrorismus ist und ob wir diesen Terminus in der Zwischenzeit schon so sehr mit islamistisch motiviertem Terrorismus verknüpft haben, dass er auf Terroristen anderer Gesinnung einfach nicht zu passen scheint, diskutiert. Endlich.
Und dann, vor anderthalb Monaten: ein Doppel(selbst)mord, ein brennender Wohnwagen, ein explodierendes Wohnhaus - und langsam, langsam die bedrohliche Ahnung, dass wir in Deutschland schon seit Jahren von rechtsextremistischem Terrorismus bedroht sind. In den ersten Tagen nach dem Tod zweier der mutmaßlichen Haupttäter waren noch Artikel zum Thema zu finden, in denen das Wort "Terrorismus" kein einziges Mal vorkam - aber das war spätestens nach Ende des Wochenendes nach den Selbstmorden anders. Rechtsterrorismus, rechtsextremistischer Terrorismus, neuer Neonaziterror - plötzlich fanden sich die Begriffe in allen deutschen Zeitungen. Und da haben wir sie endlich, eine Diskussion über Terrorismus, die sich nicht nur auf Islamismus konzentriert, sondern auch für rechtsextremistische Terroristen noch Platz lässt. Und in den einschlägigen islam- und ausländer"kritischen" Internetforen lese ich plötzlich, wie sich Diskutanten darüber beschweren, dass in der allgemeinen Diskussion zwischen "rechts", "rechtsextremistisch" und "rechtsterroristisch" nicht differenziert wird - und ich denke mir, von irgendwoher kenne ich das doch.
Da ist sie, die Debatte, die wir seit langem brauchten.
Aber da ist auch noch etwas. Ein Gedanke, der mir gar nicht gefällt. Nach den Anschlägen in Norwegen kam er mir zum ersten Mal. Der Gedanke, dass es also tote Norweger (welche von uns; einen Teil der Mehrheitsgesellschaft) braucht, einen Angriff auf die sozialdemokratische Partei eines europäischen Landes (eine respektable Institution in der Mitte der Gesellschaft) und einen Anschlag in der Osloer Innenstadt (das Herz des Staates), damit wenigstens in manchen deutschen Zeitungen darüber nachgedacht wird, ob auch Rechtsextreme Terroristen sein können. Jetzt, nach der Aufdeckung des rechtsextremistischen Terrornetzwerkes, kam er mir wieder. Aber ich hab ihn schnell verdrängt, weil ich nicht verbittert werden möchte, weil ich nicht glauben kann, nicht glauben will, wie rassistisch und exkludierend wir vielleicht sind.
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Freitag, 16. Dezember 2011
Lieblingsblogs (12)
Diesen Monat habe ich nicht nur einen Lieblingsblog, sondern zwei. Nein, drei. Die da wären: "Fräulein Krise interveniert ... an der pädagogischen Borderline", ein Blog einer Kunst- und Englischlehrerin an einer "Problemschule", wie man so schön sagt. Fräulein Krise schreibt anonym und so witzig und realitätsnah, dass sie einfach eine meiner Lieblingsbloggerinnen sein muss. Vor einigen Monaten gab es großen Aufruhr um Fräulein Krises Blog, weil irgendein rechter Idiot (oder sonst irgend ein Seppel) ihren Namen für seine verqueren Theorien missbraucht hat. So schafften es Fräulein Krise und ihr Blog bis auf Spiegel Online.
Lieblingsblog im Dezember Nummer Drei ist Kunstkrempel, der Blog einer jungen Kunst- und Geographielehrerin. Auch über sie wurde auf Spiegel Online berichtet und auch bei ihr findet sich Witziges, Wahres, Nachdenkenswertes. Anders als Fräulein Krise bietet "Fräulein Kunstkrempel" auch visuelle Eindrücke in ihren Alltag als Lehrerin an einer "Problemschule": Kopien von Klassenarbeiten; Zeichnungen, die ihre Schüler oder sie angefertigt haben; und was es sonst noch zu zeigen gibt.
Kurz: super lesenswert, alle beide!
Lieblingsblog im Dezember Nummer Drei ist Kunstkrempel, der Blog einer jungen Kunst- und Geographielehrerin. Auch über sie wurde auf Spiegel Online berichtet und auch bei ihr findet sich Witziges, Wahres, Nachdenkenswertes. Anders als Fräulein Krise bietet "Fräulein Kunstkrempel" auch visuelle Eindrücke in ihren Alltag als Lehrerin an einer "Problemschule": Kopien von Klassenarbeiten; Zeichnungen, die ihre Schüler oder sie angefertigt haben; und was es sonst noch zu zeigen gibt.
Kurz: super lesenswert, alle beide!
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Freitag, 9. Dezember 2011
Anoushka Sankar
Anoushka Sankar ist die Tochter von Ravi Sankar, der in den 1960ern und 70ern Europa und die USA mit der indischen Sitar-Musik bekannt machte - und die Halbschwester von Norah Jones. Wie Vater und Schwester hat auch Anoushka die Musik zum Beruf gemacht. Schon seit Kindheits- und Jugendjahren tritt die zwischen London, Delhi und den USA aufgewachsene Künstlerin auf. Ähnlich wie schon ihr Vater, der zum Beispiel mit den Beatles Musik machte, mixt auch Anoushka Sankar die verschiedenen Stilrichtungen. Das hört sich dann so an oder so. Zwei meiner Lieblingsstücke sind die beiden folgenden:
Anoushka Sankar / Ricardo Mino
Anoushka Sankar / Karsh Kale / Sting
Und darüber, wie unglaublich schön diese Frau ist, haben wir jetzt noch gar nicht gesprochen.
Anoushka Sankar / Ricardo Mino
Anoushka Sankar / Karsh Kale / Sting
Und darüber, wie unglaublich schön diese Frau ist, haben wir jetzt noch gar nicht gesprochen.
Donnerstag, 8. Dezember 2011
Fürs Protokoll
"Ausländer kommen nach Deutschland, um von unserem Sozialstaat zu profitieren und das System auszunützen" - nein, so einfach ist es nicht, zeigt eine Studie des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit. „Die Debatte über die Sozial-Migration geht in die Irre“, macht die Studie deutlich. „Sie beruht nicht auf empirischen Belegen.“
Mittwoch, 7. Dezember 2011
Beten oder nicht beten
Nein: klagen oder nicht klagen
Eine andere Sicht auf noch ein Urteil zum Streit darüber, ob ein muslimischer Schüler an seiner Schule beten darf oder nicht - Lieselotte berichtete - habe ich kürzlich hier gefunden (dass der Autor des Textes begeisteter Khomenei-Anhänger zu sein scheint, übersehen wir dabei mal ganz elegant - die Argumentation ist davon ganz unabhängig eine sehr stringente).
Eine andere Sicht auf noch ein Urteil zum Streit darüber, ob ein muslimischer Schüler an seiner Schule beten darf oder nicht - Lieselotte berichtete - habe ich kürzlich hier gefunden (dass der Autor des Textes begeisteter Khomenei-Anhänger zu sein scheint, übersehen wir dabei mal ganz elegant - die Argumentation ist davon ganz unabhängig eine sehr stringente).
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Sonntag, 4. Dezember 2011
Lieblingsblog (12)
Mein Lieblingsblog ist diesen Monat die Seite Retronaut, die von Chris Wild, der in England lebt, gegründet wurde. Retronaut beherbergt ein Sammelsurium an Bildern aus zweitausend Jahren. Einen thematischen Rahmen gibt es dabei nicht.
Zu sehen sind Fotografien von Kindern in East London Anfang des 20. Jahrhunderts, Familienfotos der letzten russischen Zarenfamilie, Eindrücke davon, wie es in Paris in den 1940ern und 50ern, in Afghanistan (na ja, Kabul) in den 1950ern und 60ern, im damals noch sowjetischen Litauen der 1960er und 70er mal ausgesehen hat. Außerdem: ganz üble Familienfotos aus den 1980ern, Bilder aus amerikanischen Shopping Malls in den 1990ern, auf denen massenweise schlanke!!, in der Öffentlichkeit rauchende!!! Amerikaner zu sehen sind - und schließlich fehlen auch die 2000 und 2010er Jahre nicht.
Die Bilder sind beeindruckend, unglaublich, witzig, schön, schockierend, einige bringen einen zum Nachdenken. Eine tolle Seite - nicht nur für Freunde von Geschichte(n) und Fotografie!
Zu sehen sind Fotografien von Kindern in East London Anfang des 20. Jahrhunderts, Familienfotos der letzten russischen Zarenfamilie, Eindrücke davon, wie es in Paris in den 1940ern und 50ern, in Afghanistan (na ja, Kabul) in den 1950ern und 60ern, im damals noch sowjetischen Litauen der 1960er und 70er mal ausgesehen hat. Außerdem: ganz üble Familienfotos aus den 1980ern, Bilder aus amerikanischen Shopping Malls in den 1990ern, auf denen massenweise schlanke!!, in der Öffentlichkeit rauchende!!! Amerikaner zu sehen sind - und schließlich fehlen auch die 2000 und 2010er Jahre nicht.
Die Bilder sind beeindruckend, unglaublich, witzig, schön, schockierend, einige bringen einen zum Nachdenken. Eine tolle Seite - nicht nur für Freunde von Geschichte(n) und Fotografie!
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Freitag, 2. Dezember 2011
Helgoland on my mind
Seit ich vor kurzem zum ersten Mal die von Fredrik Vahle verfasste Helgoland-Ballade gehört habe, ging mir die Geschichte der Insel nicht mehr aus dem Kopf und ich muss immer wieder dran denken. Wie wahnsinnig, eine ganze Insel zur Festung aufzubauen! Wie verrückt, den ganzen Felsen kaputt bomben zu wollen. Wie grausam, über Jahre im Exil leben zu müssen, ohne zu wissen, ob man jemals wieder heimkehren könnte.
Auf der Suche nach Hintergrundinformationen (ja, ich habe zu wenig zu tun; das sollte Ihnen als Leser meines Blogs aber schon vor längerem klar geworden sein) bin ich auf einen umfangreichen, sehr informativen geschichtlichen Überblick auf den Seiten des NDR gestoßen. Rechts in der Menüleiste kann man sich dabei über den Menüpunkt Fortsetzung weiter und weiter durch die Chronik klicken. Unter anderem finden sich dort ausführliche Berichte von Zeitzeugen, die Bombardierung, Evakuierung und friedliche Besatzung der Insel sowie letzendlich die Rückkehr miterlebten. Auf Spiegel Online fand sich zwar nur ein lauer Artikel, dafür aber eine Reihe Bilder. Und der Abdruck eines Originalartikels aus dem Jahre 1947 - man beachte die Darstellung der Helgoland-Flüchtlinge, der Spiegel scheint schon damals einem Hang zum Populistischen gehabt zu haben.
Auf der Suche nach Hintergrundinformationen (ja, ich habe zu wenig zu tun; das sollte Ihnen als Leser meines Blogs aber schon vor längerem klar geworden sein) bin ich auf einen umfangreichen, sehr informativen geschichtlichen Überblick auf den Seiten des NDR gestoßen. Rechts in der Menüleiste kann man sich dabei über den Menüpunkt Fortsetzung weiter und weiter durch die Chronik klicken. Unter anderem finden sich dort ausführliche Berichte von Zeitzeugen, die Bombardierung, Evakuierung und friedliche Besatzung der Insel sowie letzendlich die Rückkehr miterlebten. Auf Spiegel Online fand sich zwar nur ein lauer Artikel, dafür aber eine Reihe Bilder. Und der Abdruck eines Originalartikels aus dem Jahre 1947 - man beachte die Darstellung der Helgoland-Flüchtlinge, der Spiegel scheint schon damals einem Hang zum Populistischen gehabt zu haben.
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Donnerstag, 1. Dezember 2011
Muslime gegen Aids
Seit Ende der Achtziger ist der 1. Dezember Weltaidstag. Eine schöne Gelegenheit also, um mal wieder über Risiken aufzuklären, Vorurteilen entgegen zu wirken und, nicht zuletzt, all derer zu gedenken, die mit der Krankheit kämpfen - oder ihr schon unterlegen sind.
Eine Thema, das dabei nicht ausgespart werden darf, ist die Frage nach Aids und HIV in der muslimischen Gemeinschaft. Sind Vorurteile und Nichtwissen auch unter Nichtmuslimen weit verbreitet, ist dies besonders unter Muslimen ein Problem. Die Vorstellung, dass Aids "nur Schwule" trifft, dass die Betroffenen "selbst dran Schuld" sind, dass die Krankheit eine "Strafe Gottes" sei, ist leider noch viel zu weit verbreitet. Dabei (surprise!) kann Aids jeden treffen, auch Muslime, auch Heterosexuelle, Leute, die keinen Finger an Drogen legen würden und keinen Gedanken an außerehelichen Sex verschwenden. Es kann jeden treffen.
Einen guten Artikel zum Thema las ich letztes Jahr im muslimischen Magazin emel (und weiß spätestens seitdem, dass das meine Leute sind!). Ein Zitat:
"In Islam, mercy and compassion are central to the relationship between members of the community and this should be illustrated in the approach to fighting AIDS. The blessed Prophet Muhammed said, “Be merciful to those on earth, so that the One above the heavens (God) will be merciful to you.” We should apply this teaching to all people." (Quelle)
Ein kurzer Rundumblick online zeigt, dass es eine ganze Reihe von Projekten (Indonesien 1998, Indien 2009, Kenia 2011) gibt, im Rahmen derer versucht wird, islamische Geistliche und zivilgesellschaftliche Aktivisten zusammen zu bringen, um so gegen Aids, HIV und die damit verbundenen Vorurteile, die den Betroffenen das Leben noch ein gehöriges Stück schwerer machen, vorzugehen und um ganz klar zu zeigen, dass es gegen die Lehren des Islams verstößt, Betroffene auszugrenzen oder gar zu verstoßen.
Eine Thema, das dabei nicht ausgespart werden darf, ist die Frage nach Aids und HIV in der muslimischen Gemeinschaft. Sind Vorurteile und Nichtwissen auch unter Nichtmuslimen weit verbreitet, ist dies besonders unter Muslimen ein Problem. Die Vorstellung, dass Aids "nur Schwule" trifft, dass die Betroffenen "selbst dran Schuld" sind, dass die Krankheit eine "Strafe Gottes" sei, ist leider noch viel zu weit verbreitet. Dabei (surprise!) kann Aids jeden treffen, auch Muslime, auch Heterosexuelle, Leute, die keinen Finger an Drogen legen würden und keinen Gedanken an außerehelichen Sex verschwenden. Es kann jeden treffen.
Einen guten Artikel zum Thema las ich letztes Jahr im muslimischen Magazin emel (und weiß spätestens seitdem, dass das meine Leute sind!). Ein Zitat:
"In Islam, mercy and compassion are central to the relationship between members of the community and this should be illustrated in the approach to fighting AIDS. The blessed Prophet Muhammed said, “Be merciful to those on earth, so that the One above the heavens (God) will be merciful to you.” We should apply this teaching to all people." (Quelle)
Ein kurzer Rundumblick online zeigt, dass es eine ganze Reihe von Projekten (Indonesien 1998, Indien 2009, Kenia 2011) gibt, im Rahmen derer versucht wird, islamische Geistliche und zivilgesellschaftliche Aktivisten zusammen zu bringen, um so gegen Aids, HIV und die damit verbundenen Vorurteile, die den Betroffenen das Leben noch ein gehöriges Stück schwerer machen, vorzugehen und um ganz klar zu zeigen, dass es gegen die Lehren des Islams verstößt, Betroffene auszugrenzen oder gar zu verstoßen.
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Montag, 28. November 2011
Umgang mit Schuld
Wäre ich Anfang Dezember in Heidelberg, würde ich vielleicht zum am 9. und 10. Dezember von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) und dem Exzellenzcluster der Frankfurter Goethe-Universität veranstalteten Fachgespräch zum Thema Umgang mit Schuld gehen. Aus interdisziplinärer Sicht (es kommen unter anderem Philosophen, Kultur-, Politik- und Rechtswissenschaftler, Theologen, Konfliktforscher, Psychologen und Kriminologen zu Worte - das nenn' ich interdisziplinär!) wird der Frage, wie mit Schuld im Persönlichen, Gesellschaftlichen, der interntionalen Pollitik umgegangen wird, nachgegangen. Das Programm macht einen überzeugenden Eindruck; und nicht einmal einne Tagungsgebühr wird erhoben. Nur anmelden sollte man sich im Voraus. Kontaktperson ist Anke Muno (anke.muno@fest-heidelberg.de, 06221-9122-40).
Sonntag, 27. November 2011
Frauen und Rechtextremismus
Ich arbeite zurzeit zum Thema Frauen in extremistischen Gruppen, insofern habe ich diesen, auf heute.de veröffentlichten Artikel zur Rolle von Frauen in der rechtsextremistischen Szene mit großem Interesse gelesen. Ich hatte mich schon gewundert, bisher auf keinen Artikel, der sich mit dem Thema auseinandersetzt, gestoßen zu sein. Dabei hätte sich das jetzt, im Zuge der Berichterstattung über die rechtsextremistische Mordreihe, in die ja offensichtlich auch eine Frau verwickelt war, doch angeboten. Für die, die es interessiert, findet sich auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung ein umfangreiches Dossier zum Thema - inklusive langer Link- und Literaturliste.
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Samstag, 26. November 2011
Wenn die wüssten
Letztens krieg ich immer wieder Komplimente, wie gut das Lieschen riechen würde.
Dabei ist das das Läuseshampoo.
Dabei ist das das Läuseshampoo.
Freitag, 25. November 2011
Eine Ehe, zwei Frauen
Polygamie im Islam ist immer wieder ein Thema. Zwar lebt der Großteil der Muslime monogam, aber die Vorstellung, dass da einer mehr als nur eine Frau hat, scheint zu faszinieren. In meiner nun mehr immerhin zehnjährigen Karriere als Muslimin bin ich nur zwei polygam lebenden Muslimen begegnet (und hunderten von Muslimen und Musliminnen, die keinen Gedanken an eine polygame Ehe verschwendeten), aber allein schon wegen der vielen Nachfragen vonseiten interessierter Nichtmuslime setzt man sich mit dem Thema auseinander.
Auf dem Blog einer australischen Muslimin bin ich vor einigen Wochen auf einen Artikel zum Thema gestoßen, der sehr ehrlich und frei heraus zusammen fasst, wie sie das Thema sieht. Kurzfassung: nein, danke. Nahida von The Fatal Feminist geht sogar noch einen Schritt weiter, betrachtet die Frage in ihrem historischen Kontext und erklärt: Polygamy is expired. Weil viel zu oft einfach nur pauschal dahin gesagt wird "bis zu vier Frauen im Islam" ohne die Einzelheiten der Debatte, die innerhalb der muslimischen Gemeinde geführt wird, zu berücksichtigen, hier also der Hinweis auf zwei sehr kritische Stimmen.
Auf dem Blog einer australischen Muslimin bin ich vor einigen Wochen auf einen Artikel zum Thema gestoßen, der sehr ehrlich und frei heraus zusammen fasst, wie sie das Thema sieht. Kurzfassung: nein, danke. Nahida von The Fatal Feminist geht sogar noch einen Schritt weiter, betrachtet die Frage in ihrem historischen Kontext und erklärt: Polygamy is expired. Weil viel zu oft einfach nur pauschal dahin gesagt wird "bis zu vier Frauen im Islam" ohne die Einzelheiten der Debatte, die innerhalb der muslimischen Gemeinde geführt wird, zu berücksichtigen, hier also der Hinweis auf zwei sehr kritische Stimmen.
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Donnerstag, 24. November 2011
Deutsch-türkischer Jazz
Ich bin kein großer Fan von Jazz. Den türkischen Dichter Nâzım Hikmet dagegen finde ich toll. Deshalb ist es wohl wahrscheinlich, dass mir, falls ich Jazz mögen würde, Defne Şahins Musik gefallen könnte. Die Berliner Jazz-Musikerin singt nämlich vertonte Hikmet-Gedichte. Das hört sich dann so an.
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Mittwoch, 23. November 2011
Interreligiöse Kunst
Juden plus Christen plus Muslime - eine explosive Mischung? Wenn man der Berichterstattung so mancher deutschen Zeitung glaubt, könnte man den Eindruck gewinnen, dass das Miteinander von Angehörigen der drei Religionen nicht funktioniert, nicht funktionieren kann und die drei unterschiedlichen Religionen die Wurzel allen Übels darstellen.
Zu zeigen, dass dies nicht so ist, den Hetzern auf allen Seiten etwas Positives entgegenzustellen und Dialog, Verständigung und soziale Kohäsion zu fördern, ist erklärtes Ziel, der Londoner Initiative Three Faiths Forum, die 1997 von einem Muslim, einem Juden und einem Christ gegründet. Einer der Schwerpunkte der Organisation liegt dabei auf dem künstlerischen Austausch.
Noch bis zum 4. Dezember ist in der Red Gallery in London eine Ausstellung zum Thema Faith in the City zu sehen, im Rahmen derer gemeinsame Werke jüdischer, christlicher und muslimischer Künstler gezeigt werden. Begleitend ist ein umfassendes Programm inklusive Festival Night mit Spoken Art, Klezmer- und anderer Musik, Graffiti vorgesehen.
Diesen Sonntag ist Familien- und am 1. Dezember Frauentag. Und wer selbst künstlerisch tätig ist, kann über die Webseite des Vereins selbst eigene Werke zur Ausstellung einreichen. Richtig gut, findet die Lieselotte!
Zu zeigen, dass dies nicht so ist, den Hetzern auf allen Seiten etwas Positives entgegenzustellen und Dialog, Verständigung und soziale Kohäsion zu fördern, ist erklärtes Ziel, der Londoner Initiative Three Faiths Forum, die 1997 von einem Muslim, einem Juden und einem Christ gegründet. Einer der Schwerpunkte der Organisation liegt dabei auf dem künstlerischen Austausch.
Noch bis zum 4. Dezember ist in der Red Gallery in London eine Ausstellung zum Thema Faith in the City zu sehen, im Rahmen derer gemeinsame Werke jüdischer, christlicher und muslimischer Künstler gezeigt werden. Begleitend ist ein umfassendes Programm inklusive Festival Night mit Spoken Art, Klezmer- und anderer Musik, Graffiti vorgesehen.
Diesen Sonntag ist Familien- und am 1. Dezember Frauentag. Und wer selbst künstlerisch tätig ist, kann über die Webseite des Vereins selbst eigene Werke zur Ausstellung einreichen. Richtig gut, findet die Lieselotte!
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Montag, 21. November 2011
Rafeef Ziadah
Ich bin vor ein paar Tagen auf die palästinensisch-kanadische Aktivistin und Wortkünstlerin (falls man spoken word artist so übersetzen mag) Rafeef Ziadah gestoßen. Als erstes habe ich von ihr das Stück "We teach life, sir" gehört. Spoken word mag ich sowieso, noch mehr, wenn mit politischem Bezug. Und das sind Rafeef Ziadahs Stücke.
Als ich das erste Mal "We teach life, sir" gehört habe, war ich tief beeindruckt, von der Gewaltigkeit ihrer Worte, der Ausdrucksstärke ihres Vortrags und der Präzision ihrer Beschreibung. Genau so, wie sie das in dem Gedicht rüber bringt, denkt ein Großteil meiner in Europa für Palästina aktiven Freunde und Bekannten, genauso ist es für sie, sich gegen die Besatzung im Nahen Osten zu engagieren, genauso sehen immer und immer wieder Diskussionen mit denen, die meinen, eine neutrale Sichtweise auf die Dinge zu haben, aus. Könnten sie, meine Freunde, das auf diese Weise in Worte bringen, sie hätten ein Gedicht wie dieses geschrieben.
Dass ich nicht mit allem, was Rafeef Ziadah in diesem Stück vorträgt, einverstanden bin, ist eine andere Geschichte. "We teach life, sir" mag einseitig sein und nur einen Blickwinkel präsentieren, aber vor allem bei einem Problem so komplex wie der Israel-Palästina-Konflikt muss auch Raum sein für einseitige Betrachtungen, mit denen man nicht konform geht. Weil das Ganze in Einem - realistisch gesehen - kaum darzustellen ist. Weil man kein Stück weiterkommt, wenn man nicht die Sichtweise des Anderen, seine Ängste, Wünsche, Hoffnungen, seine Wut kennt (und vielleicht sogar versteht).
Ich glaube, dass es nicht richtig ist, auf die Frage nach Hass, der gelehrt wird; der bestimmt nicht überall in Palästina gelehrt wird, aber doch in manchen Familien, in manchen Schulen, in manchen Moscheen, zu antworten, "we teach life, sir"; aber ich kann die Wut, den ohnmächtigen Zorn, der aus Rafeef Ziadahs Worten spricht, nachvollziehen. Als sie am Ende des Stücks angekommen ist, an der Stelle, in die sich noch ein bisschen mehr Kraft, vielleicht auch Verzweiflung, als im Rest des Stücks mischt, hätte ich fast geweint. Weil ich diese Wut kenne, diese Ohnmacht und die Bilder von den toten Kindern.
"I am an Arab woman of color and we come in all shades of anger" ist ein weiteres Stück von Rafeef Ziadah, das ich online fand. Mit ihm habe ich weniger Schwierigkeiten als mit "We teach life, sir". Einseitig ist es auch - aber wie gesagt.
Als ich das erste Mal "We teach life, sir" gehört habe, war ich tief beeindruckt, von der Gewaltigkeit ihrer Worte, der Ausdrucksstärke ihres Vortrags und der Präzision ihrer Beschreibung. Genau so, wie sie das in dem Gedicht rüber bringt, denkt ein Großteil meiner in Europa für Palästina aktiven Freunde und Bekannten, genauso ist es für sie, sich gegen die Besatzung im Nahen Osten zu engagieren, genauso sehen immer und immer wieder Diskussionen mit denen, die meinen, eine neutrale Sichtweise auf die Dinge zu haben, aus. Könnten sie, meine Freunde, das auf diese Weise in Worte bringen, sie hätten ein Gedicht wie dieses geschrieben.
Dass ich nicht mit allem, was Rafeef Ziadah in diesem Stück vorträgt, einverstanden bin, ist eine andere Geschichte. "We teach life, sir" mag einseitig sein und nur einen Blickwinkel präsentieren, aber vor allem bei einem Problem so komplex wie der Israel-Palästina-Konflikt muss auch Raum sein für einseitige Betrachtungen, mit denen man nicht konform geht. Weil das Ganze in Einem - realistisch gesehen - kaum darzustellen ist. Weil man kein Stück weiterkommt, wenn man nicht die Sichtweise des Anderen, seine Ängste, Wünsche, Hoffnungen, seine Wut kennt (und vielleicht sogar versteht).
Ich glaube, dass es nicht richtig ist, auf die Frage nach Hass, der gelehrt wird; der bestimmt nicht überall in Palästina gelehrt wird, aber doch in manchen Familien, in manchen Schulen, in manchen Moscheen, zu antworten, "we teach life, sir"; aber ich kann die Wut, den ohnmächtigen Zorn, der aus Rafeef Ziadahs Worten spricht, nachvollziehen. Als sie am Ende des Stücks angekommen ist, an der Stelle, in die sich noch ein bisschen mehr Kraft, vielleicht auch Verzweiflung, als im Rest des Stücks mischt, hätte ich fast geweint. Weil ich diese Wut kenne, diese Ohnmacht und die Bilder von den toten Kindern.
"I am an Arab woman of color and we come in all shades of anger" ist ein weiteres Stück von Rafeef Ziadah, das ich online fand. Mit ihm habe ich weniger Schwierigkeiten als mit "We teach life, sir". Einseitig ist es auch - aber wie gesagt.
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Sonntag, 20. November 2011
"Ich liebe dein Shirt"
Der Alimustafa kommt ja aus Südasien. Aufgewachsen aber ist er in Nordamerika. Und Differenzen zwischen der deutschen Lieselotte und ihm gab es keineswegs vor allem wegen südasiatisch-deutschen Kulturunterschieden sondern meistens, weil viele Nordamerikaner eben anders drauf sind als Deutsche. Herzlich lachen musste ich deshalb beim Lesen dieses Texts, der einige der Dinge, die Amis und Deutschen ganz anders machen, richtig schön auf den Punkt bringt. Enjoy!
Samstag, 19. November 2011
Zaz
Zaz - Je veux
Der Text mag etwas klischeebeladen sein (muss man sich denn wirklich zwischen Geld und Liebe entscheiden? - ich würde beides nehmen), aber die Stimme, und ihre ganze Art, ist umwerfend.
Und das hier gefällt mir auch gut:
Zaz - Peu de Soleil
Der Text mag etwas klischeebeladen sein (muss man sich denn wirklich zwischen Geld und Liebe entscheiden? - ich würde beides nehmen), aber die Stimme, und ihre ganze Art, ist umwerfend.
Und das hier gefällt mir auch gut:
Zaz - Peu de Soleil
Freitag, 18. November 2011
Tupac spricht
Ich bin letztens über dieses Zitat des 1996 ermordeten US-Rappers Tupac Shakur gestoßen. Erstaunlich, wie gut das Zitat, das sich auf die Hautfarbe bezieht, auch auf Religion passt. Wir tauschen black mit 'Muslim', white mit 'Nicht-Muslim' und color mit 'Religion' aus:
"The real tragedy is that there are some ignorant brothers out here. That's why I'm not on this all-White or all Black shit. I'm on this all-real or all fake shit with people, whatever color you are. Because niggaz will do you. I mean, there's some [foul] niggaz out there [in the streets]; the same niggaz that did Malcolm X, the same niggaz that did Jesus Christ- every brother ain't a brother. They will do you. So just because it's Black, don't mean it's cool. And just because it's White don't mean it's evil."
... und jetzt schicken wir das ganze an ein paar der wannabe-coolen Jungs da draußen, die meinen noch ein bisschen "islamischer" zu sein, wenn sie Nicht-Muslime bashen.
Und danach singe ich ihnen diesen Auszug aus einem Stück von Tupac vor:
"And since we all came from a woman
Got our name from a woman and our game from a woman
I wonder why we take from our women
Why we rape our women, do we hate our women?
I think it's time to kill for our women [na ja, vielleicht nicht unbedingt]
Time to heal our women, be real to our women
And if we don't we'll have a race of babies
That will hate the ladies, that make the babies
And since a man can't make one
He has no right to tell a woman when and where to create one
So will the real men get up
I know you're fed up ladies, but keep your head up"
Beim Verfassen dieser Zeilen wird der Autor zwar auch mehr an die sozial marginalisierten Teile der black community in den USA gedacht haben - passt aber auch bestens auf weite Teile der muslimischen (und nicht nur der) Gemeinschaft heute.
"The real tragedy is that there are some ignorant brothers out here. That's why I'm not on this all-White or all Black shit. I'm on this all-real or all fake shit with people, whatever color you are. Because niggaz will do you. I mean, there's some [foul] niggaz out there [in the streets]; the same niggaz that did Malcolm X, the same niggaz that did Jesus Christ- every brother ain't a brother. They will do you. So just because it's Black, don't mean it's cool. And just because it's White don't mean it's evil."
... und jetzt schicken wir das ganze an ein paar der wannabe-coolen Jungs da draußen, die meinen noch ein bisschen "islamischer" zu sein, wenn sie Nicht-Muslime bashen.
Und danach singe ich ihnen diesen Auszug aus einem Stück von Tupac vor:
"And since we all came from a woman
Got our name from a woman and our game from a woman
I wonder why we take from our women
Why we rape our women, do we hate our women?
I think it's time to kill for our women [na ja, vielleicht nicht unbedingt]
Time to heal our women, be real to our women
And if we don't we'll have a race of babies
That will hate the ladies, that make the babies
And since a man can't make one
He has no right to tell a woman when and where to create one
So will the real men get up
I know you're fed up ladies, but keep your head up"
Beim Verfassen dieser Zeilen wird der Autor zwar auch mehr an die sozial marginalisierten Teile der black community in den USA gedacht haben - passt aber auch bestens auf weite Teile der muslimischen (und nicht nur der) Gemeinschaft heute.
Donnerstag, 17. November 2011
Neulich in der U-Bahn
Oder: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen
Mittwochabend, das Lieschen und ich sind auf dem Weg nach Hause. Ich war den ganzen Tag auf der Arbeit und bin müde, froh, dass endllich die U-Bahn kommt und ein Sitzplatz in Sichtweite ist. Im Eingangsbereich neben den Türen des U-Bahn-Waggons hockt einer, mit dem Rücken an die Trennwand gelehnt, aber irgendwie komme ich mit Lieschen, Kinderwagen und Taschen vorbei. Sitzen, endlich. Ich unterhalte mich mit dem Lieschen, nach Bah bah black sheep und One, two, three, four, five will sie Five little Monkeys singen, da bekomme ich aus den Augenwinkeln mit, dass der Mann, der da noch vorher an die Wand gelehnt saß, auf dem Boden liegt. Ich registriere es erst gar nicht richtig, schaue wieder weg, bis mir bewusst wird, dass da jemand auf dem Boden liegt. Mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden.
Ich schaue mich um. Das Abteil ist voll. Keiner scheint den Mann am Boden zu bemerken, aber es kann nicht sein, dass sie ihn nicht sehen. Der liegt da doch. Es dauert wieder eine Sekunde, bis ich weiß, was zu tun wäre. Ich schaue zu den beiden Männern, die genau zwischen mir und dem Mann am Boden stehen und frage, ob sie mal hingehen könnten und schauen, ob alles in Ordnung ist. Die beiden schauen mich an, als spräche ich Chinesisch. Der Ältere sagt nichts, reagiert nicht. Der Jüngere schüttelt, als ich meine Frage wiederhole, verneinend den Kopf. Ich schaue mich um. Keiner guckt. Sehen die nicht? Hören die nichts?
Ich sehe mich um, in die andere Richtung. Da stehen drei Jungs, vielleicht 16 oder 17, kleine Türken sind das oder Jugos vielleicht. Ich frage sie, ob sie mal nach dem Mann gucken wollen und plötzlich holt einer der drei sein Handy raus und sie überlegen noch, ob sie hier überhaupt eine Verbindung kriegen, da ist die Notrufnummer schon gewählt. Als ich höre, wie einer seinen Freund fragt: "Was soll ich denn da jetzt sagen? Mach du!", übernehme ich das Telefon und ziehe die Notbremse. Während ich am Telefon die Situation erkläre, erklärt der kleine Türke dem Fahrer über die Sprechanlage, was passiert.
Während wir - der Zug steht in der Station - auf den Fahrer warten, kommen mehr und mehr Fahrgäste in den Wagen. Die Erleichterung, die Bahn doch noch erwischt zu haben, die kennt man - aber für einen Platz im Waggon über einen, der da am Boden liegt, steigen? Kein "Oh, was ist denn hier los? Ist alles in Ordnung? Kann ich helfen?" Der Junge, der vorhin auf meine Frage hin nur den Kopf geschüttelt hat, schaut immer noch genauso wie vorher auf die Wand gegenüber von ihm. Keiner sagt was. Der Fahrer kommt, spricht den Mann an, hilft ihm, sich aufzusetzen. Es scheint alles mehr oder weniger in Ordnung zu sein, die Fahrt geht weiter. Ich erkläre den drei Jungs noch, dass sie, wenn immer sie in einer solchen Situation sind, selbst was machen oder zumindest Hilfe holen sollen, auch wenn sie der Rest der Leute deshalb für deppert hält. Wenn der komisch liegt, vielleicht besoffen ist und sich erbricht, kann er ersticken. Dann wollt ihr nicht der gewesen sein, der auf die Frage nach Hilfe den Kopf geschüttelt hat. Die Jungs nicken, und das Lieschen und ich steigen aus.
Mittwochabend, das Lieschen und ich sind auf dem Weg nach Hause. Ich war den ganzen Tag auf der Arbeit und bin müde, froh, dass endllich die U-Bahn kommt und ein Sitzplatz in Sichtweite ist. Im Eingangsbereich neben den Türen des U-Bahn-Waggons hockt einer, mit dem Rücken an die Trennwand gelehnt, aber irgendwie komme ich mit Lieschen, Kinderwagen und Taschen vorbei. Sitzen, endlich. Ich unterhalte mich mit dem Lieschen, nach Bah bah black sheep und One, two, three, four, five will sie Five little Monkeys singen, da bekomme ich aus den Augenwinkeln mit, dass der Mann, der da noch vorher an die Wand gelehnt saß, auf dem Boden liegt. Ich registriere es erst gar nicht richtig, schaue wieder weg, bis mir bewusst wird, dass da jemand auf dem Boden liegt. Mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden.
Ich schaue mich um. Das Abteil ist voll. Keiner scheint den Mann am Boden zu bemerken, aber es kann nicht sein, dass sie ihn nicht sehen. Der liegt da doch. Es dauert wieder eine Sekunde, bis ich weiß, was zu tun wäre. Ich schaue zu den beiden Männern, die genau zwischen mir und dem Mann am Boden stehen und frage, ob sie mal hingehen könnten und schauen, ob alles in Ordnung ist. Die beiden schauen mich an, als spräche ich Chinesisch. Der Ältere sagt nichts, reagiert nicht. Der Jüngere schüttelt, als ich meine Frage wiederhole, verneinend den Kopf. Ich schaue mich um. Keiner guckt. Sehen die nicht? Hören die nichts?
Ich sehe mich um, in die andere Richtung. Da stehen drei Jungs, vielleicht 16 oder 17, kleine Türken sind das oder Jugos vielleicht. Ich frage sie, ob sie mal nach dem Mann gucken wollen und plötzlich holt einer der drei sein Handy raus und sie überlegen noch, ob sie hier überhaupt eine Verbindung kriegen, da ist die Notrufnummer schon gewählt. Als ich höre, wie einer seinen Freund fragt: "Was soll ich denn da jetzt sagen? Mach du!", übernehme ich das Telefon und ziehe die Notbremse. Während ich am Telefon die Situation erkläre, erklärt der kleine Türke dem Fahrer über die Sprechanlage, was passiert.
Während wir - der Zug steht in der Station - auf den Fahrer warten, kommen mehr und mehr Fahrgäste in den Wagen. Die Erleichterung, die Bahn doch noch erwischt zu haben, die kennt man - aber für einen Platz im Waggon über einen, der da am Boden liegt, steigen? Kein "Oh, was ist denn hier los? Ist alles in Ordnung? Kann ich helfen?" Der Junge, der vorhin auf meine Frage hin nur den Kopf geschüttelt hat, schaut immer noch genauso wie vorher auf die Wand gegenüber von ihm. Keiner sagt was. Der Fahrer kommt, spricht den Mann an, hilft ihm, sich aufzusetzen. Es scheint alles mehr oder weniger in Ordnung zu sein, die Fahrt geht weiter. Ich erkläre den drei Jungs noch, dass sie, wenn immer sie in einer solchen Situation sind, selbst was machen oder zumindest Hilfe holen sollen, auch wenn sie der Rest der Leute deshalb für deppert hält. Wenn der komisch liegt, vielleicht besoffen ist und sich erbricht, kann er ersticken. Dann wollt ihr nicht der gewesen sein, der auf die Frage nach Hilfe den Kopf geschüttelt hat. Die Jungs nicken, und das Lieschen und ich steigen aus.
Mittwoch, 16. November 2011
Bushido und das Bambi
Oder: Das Land, das Deutschen einen Preis für erfolgreiche Integration in Deutschland verleiht
Und das Rapper Bushido letzten Donnerstag einen Bambi für Integration bekommen hat, war ja wohl der Witz der Woche. Ich konnte es erst nich glauben, dachte, das muss ein Scherz sein. Aber es war nicht der 1. April, sondern Mitte November und irgendwelche Sockels hatten sich tatsächlich überlegt, dass es eine gute Idee wäre, Bushido mit besagtem Preis auszuzeichnen.
Da fragt man sich doch, was um Gottes Willen sich die Verantwortlichen dabei gedacht haben. Bei einem Preis für Integration könnte man doch denken, dass er jemandem verliehen wird, der sich in besonderem, auszeichnungswürdigem Maße um Integration und den sozialen Zusammenhalt verdient gemacht hat. Inwiefern dass bei Bushido, der berühmt-berüchtigt ist für seine frauen- und schwulenfeindlichen Texte, der Fall sein soll, ist mir schleierhaft. Dass man jemanden auszeichnen möchte, der als Beispiel gelten kann, jemanden, über den man Jugendliche erreichen kann, ist schon klar. Aber Bushido - ein Vorbild? Für was? Und Integration - ist es das, was ihr sagen wollt - heißt, erfolgreich zu sein, egal wie man zu diesem Erfolg kommt, auch wenn man auf dem Weg zum Erfolg pöbelt, beleidigt und verbal austeilt, wo es nur geht? Und der Spruch, dass jeder "eine zweite Chance" verdient habe, passt in dem Zusammenhang mal überhaupt nicht. Zweite Chance? Klar. Aber gleich einen Bambi?
Davon abgesehen, ist überhaupt irgendeinem aufgefallen, dass diese Preisvergabe nicht nur vollkommend unpassend, sondern zudem auch noch durch und durch rassistisch war? Hallo, da wurde ein Preis für Integration verliehen - an einen deutschen Rapper, der in Deutschland als Sohn einer deutschen Mutter geboren wurde, dessen (alleinige) Muttersprache Deutsch ist, der nie woanders als in Deutschland gelebt und gearbeitet hat. Warum kriegt er den Preis? Weil sein Vater (mit dem er die ersten zwei oder drei Jahre seines Lebens verbracht und danach keinen Kontakt mehr hatte) Tunesier ist? Weil er mit bürgerlichem Namen nicht Paul Würdig sondern Anis Mohamed Youssef Ferchichi heißt? Weil er nicht blond und blauäugig ist, sondern aussieht wie ein Kanake? An den Kopf geschmissen hätte ich es ihnen, ihr doofes Reh. In Frankreich, Großbritannien oder den USA wäre Bushido unfraglich Franzose, Brite, US-Amerikaner und jeder, der was anderes behauptet, mal so was von out. Und bei uns? Es muss noch viel passieren, Deutschland, es muss echt noch viel passieren.
Und das Rapper Bushido letzten Donnerstag einen Bambi für Integration bekommen hat, war ja wohl der Witz der Woche. Ich konnte es erst nich glauben, dachte, das muss ein Scherz sein. Aber es war nicht der 1. April, sondern Mitte November und irgendwelche Sockels hatten sich tatsächlich überlegt, dass es eine gute Idee wäre, Bushido mit besagtem Preis auszuzeichnen.
Da fragt man sich doch, was um Gottes Willen sich die Verantwortlichen dabei gedacht haben. Bei einem Preis für Integration könnte man doch denken, dass er jemandem verliehen wird, der sich in besonderem, auszeichnungswürdigem Maße um Integration und den sozialen Zusammenhalt verdient gemacht hat. Inwiefern dass bei Bushido, der berühmt-berüchtigt ist für seine frauen- und schwulenfeindlichen Texte, der Fall sein soll, ist mir schleierhaft. Dass man jemanden auszeichnen möchte, der als Beispiel gelten kann, jemanden, über den man Jugendliche erreichen kann, ist schon klar. Aber Bushido - ein Vorbild? Für was? Und Integration - ist es das, was ihr sagen wollt - heißt, erfolgreich zu sein, egal wie man zu diesem Erfolg kommt, auch wenn man auf dem Weg zum Erfolg pöbelt, beleidigt und verbal austeilt, wo es nur geht? Und der Spruch, dass jeder "eine zweite Chance" verdient habe, passt in dem Zusammenhang mal überhaupt nicht. Zweite Chance? Klar. Aber gleich einen Bambi?
Davon abgesehen, ist überhaupt irgendeinem aufgefallen, dass diese Preisvergabe nicht nur vollkommend unpassend, sondern zudem auch noch durch und durch rassistisch war? Hallo, da wurde ein Preis für Integration verliehen - an einen deutschen Rapper, der in Deutschland als Sohn einer deutschen Mutter geboren wurde, dessen (alleinige) Muttersprache Deutsch ist, der nie woanders als in Deutschland gelebt und gearbeitet hat. Warum kriegt er den Preis? Weil sein Vater (mit dem er die ersten zwei oder drei Jahre seines Lebens verbracht und danach keinen Kontakt mehr hatte) Tunesier ist? Weil er mit bürgerlichem Namen nicht Paul Würdig sondern Anis Mohamed Youssef Ferchichi heißt? Weil er nicht blond und blauäugig ist, sondern aussieht wie ein Kanake? An den Kopf geschmissen hätte ich es ihnen, ihr doofes Reh. In Frankreich, Großbritannien oder den USA wäre Bushido unfraglich Franzose, Brite, US-Amerikaner und jeder, der was anderes behauptet, mal so was von out. Und bei uns? Es muss noch viel passieren, Deutschland, es muss echt noch viel passieren.
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Dienstag, 15. November 2011
La Brass Banda
Passen "bayrische Blasmusik" und "cool" zusammen? Bevor ich - bei meiner Mutter - zum ersten Mal La Brass Banda gehört habe, hätte ich das fraglos im Brustton der Überzeugung verneint. Die Band aus Oberbayern macht irgendwas zwischen Polka, Funk, Ska, Techno, Gypsy, Balkan Beat, teils hört man sogar lateinamerikanische Rythmen heraus. Als Grundlage dienen dabei ihre Blasinstrumente - und wenn La Brass Banda singen, dann auf Bayrisch. Hört sich schräg an? Ist es auch. Und extrem cool.
Hier zum Einstieg ein Instrumental:
Und dann die volle Dosis, inklusive Gesang:
Hier zum Einstieg ein Instrumental:
Und dann die volle Dosis, inklusive Gesang:
Montag, 14. November 2011
Gesucht, gefunden (1)
Und jetzt leben wir in einem Wohnheim für Studentinnen, die aus der Türkei zum Studium nach Österreich gekommen sind. Sie kommen aus allen Ecken der Türkei, viele aus Istanbul, aber auch aus dem Landesinnern, von der Schwarz- und Mittelmeerküste und aus dem Osten. Sie studieren BWL, Architektur, Psychologie, Ernährungswissenschaften, Medizin, Jura, islamische Theologie. Die "Türkinnen" sind Türkinnen, Kurdinnen, Angehörige der arabischen und der mazedonischen Minderheit. Zwei Österreicherinnen, deren Familien aus der Türkei stammen sind auch dabei. Ein Mädchen aus dem Kosovo, eine indonesische Phd-Studentin. Und das Lieschen und ich.
Zum Studium ins Ausland
Einige der Mädchen stehen schon am Ende ihres Studiums und leben seit fünf oder sechs Jahren hier. Andere sind erst seit einigen Wochen im Lande. Manche sprechen fließend Deutsch, andere stehen noch ganz am Anfang. Die Mädchen, die vor Jahren hierher kamen, haben Österreich als Studienort gewählt, weil sie so trotz Kopftuchverbot an türkischen Universitäten einen Studienabschluss erlangen konnten. Die, die jetzt (wo das Verbot nicht mehr durchgesetzt wird wie früher) kommen, wissen, dass sie hier eine bessere Ausbildung bekommen als zu Hause. Dauerhaft bleiben will keine.
Türkinnen, Österreicher, Deutsche
Österreichische Freunde haben die wenigstens. Zena hat eine österreichische Tandempartnerin - aber welcher Österreicher will schon Türkisch lernen? Die deutschen Studenten, von denen es hier Massen gibt, genießen unter den Mädchen einen weitaus besseren Ruf. "Die Österreicher sind irgendwie kalt", höre ich hier immer wieder, "ganz anders als die Deutschen, die sind viel freundlicher. Außerdem sprechen die Wiener so komisch, da verstehe ich nie ein Wort." Jetzt eine Muttersprachlerin im Haus zu haben, finden sie alle toll.
Tülin aus Ankara, Pervin aus Erzurum
Besonders beeindruckt hat mich Tülin. Ihre Eltern kommen aus Ankara und sind ganz einfache Leute. Tülin haben sie auf eine internationale Schule geschickt, in der auf Englisch unterrichtet wurde, so dass sie heute Englisch fließend spricht - mit britischem Akzent. Nach dem Abitur, dass sie diesen Sommer ablegte, lernte sie drei Monate lang an einer türkischen Sprachschule Deutsch. Dann kam sie nach Österreich. Ich lernte sie nur ein paar Tage nach ihrer Ankunft in Wien kennen. Ihr Deutsch war fließend. Pervin ist schon seit zwei Jahren hier. Sie ist Kurdin, ihre Familie stammt aus Erzurum, ist aber nach Istanbul gezogen. Pervins Deutsch ist noch abenteuerlich, das sagt sie selbst und lacht: "Ich denke einfach zu schnell, da kommt ich mit dem Sprechen nicht hinterher." Sie überlegt jetzt sich selbst eine Wohnung zu suchen und auszuziehen. "Ich habe mein Leben lang mein eigenes Zimmer gehabt", erklärt sie, "sich ein Zimmer zu teilen, war für zwei Jahre okay, aber jetzt langsam reicht es mir."
Von wegen "Kopftuchmädchen"
Ich wohne hier mit Dutzenden von türkischen Mädchen. Einige sind türkisch, andere kurdisch, arabisch oder mazedonisch. Pervin kann armenische Lieder singen: "Bei uns in Mesopotamien sind wir alle durchgemischt, ein buntes Durcheinander", erklärt sie mit einem Augenzwinkern. Sie sind noch ganz jung oder schon etwas älter, tragen ihr Kopftuch im schicken türkischen Stil, als Schal gebunden, im Oma-Style - oder gar keins. Sie sind haben schneewittchenschwarze Haare, rapunzelblonde, irischrote oder kastanienbraune, Ela hat ihre orange gefärbt (bloß sieht das draußen keiner, wegen des Kopftuchs). Sie sind hübsch, hässlich, wunderschön; dick, dünn, ganz normal; verheiratet, ledig; sehr religiös oder nur ein bisschen; kreuzgescheit, gewitzt und frech oder eher brav und unauffällig - sie sind so verschieden, dass ich lügen würde, würde ich sagen, dass ich nicht wütend werde, wenn ich daran denke, dass sie für manche einfach nur Türken wären, Kopftuchmädchen.
Zum Studium ins Ausland
Einige der Mädchen stehen schon am Ende ihres Studiums und leben seit fünf oder sechs Jahren hier. Andere sind erst seit einigen Wochen im Lande. Manche sprechen fließend Deutsch, andere stehen noch ganz am Anfang. Die Mädchen, die vor Jahren hierher kamen, haben Österreich als Studienort gewählt, weil sie so trotz Kopftuchverbot an türkischen Universitäten einen Studienabschluss erlangen konnten. Die, die jetzt (wo das Verbot nicht mehr durchgesetzt wird wie früher) kommen, wissen, dass sie hier eine bessere Ausbildung bekommen als zu Hause. Dauerhaft bleiben will keine.
Türkinnen, Österreicher, Deutsche
Österreichische Freunde haben die wenigstens. Zena hat eine österreichische Tandempartnerin - aber welcher Österreicher will schon Türkisch lernen? Die deutschen Studenten, von denen es hier Massen gibt, genießen unter den Mädchen einen weitaus besseren Ruf. "Die Österreicher sind irgendwie kalt", höre ich hier immer wieder, "ganz anders als die Deutschen, die sind viel freundlicher. Außerdem sprechen die Wiener so komisch, da verstehe ich nie ein Wort." Jetzt eine Muttersprachlerin im Haus zu haben, finden sie alle toll.
Tülin aus Ankara, Pervin aus Erzurum
Besonders beeindruckt hat mich Tülin. Ihre Eltern kommen aus Ankara und sind ganz einfache Leute. Tülin haben sie auf eine internationale Schule geschickt, in der auf Englisch unterrichtet wurde, so dass sie heute Englisch fließend spricht - mit britischem Akzent. Nach dem Abitur, dass sie diesen Sommer ablegte, lernte sie drei Monate lang an einer türkischen Sprachschule Deutsch. Dann kam sie nach Österreich. Ich lernte sie nur ein paar Tage nach ihrer Ankunft in Wien kennen. Ihr Deutsch war fließend. Pervin ist schon seit zwei Jahren hier. Sie ist Kurdin, ihre Familie stammt aus Erzurum, ist aber nach Istanbul gezogen. Pervins Deutsch ist noch abenteuerlich, das sagt sie selbst und lacht: "Ich denke einfach zu schnell, da kommt ich mit dem Sprechen nicht hinterher." Sie überlegt jetzt sich selbst eine Wohnung zu suchen und auszuziehen. "Ich habe mein Leben lang mein eigenes Zimmer gehabt", erklärt sie, "sich ein Zimmer zu teilen, war für zwei Jahre okay, aber jetzt langsam reicht es mir."
Von wegen "Kopftuchmädchen"
Ich wohne hier mit Dutzenden von türkischen Mädchen. Einige sind türkisch, andere kurdisch, arabisch oder mazedonisch. Pervin kann armenische Lieder singen: "Bei uns in Mesopotamien sind wir alle durchgemischt, ein buntes Durcheinander", erklärt sie mit einem Augenzwinkern. Sie sind noch ganz jung oder schon etwas älter, tragen ihr Kopftuch im schicken türkischen Stil, als Schal gebunden, im Oma-Style - oder gar keins. Sie sind haben schneewittchenschwarze Haare, rapunzelblonde, irischrote oder kastanienbraune, Ela hat ihre orange gefärbt (bloß sieht das draußen keiner, wegen des Kopftuchs). Sie sind hübsch, hässlich, wunderschön; dick, dünn, ganz normal; verheiratet, ledig; sehr religiös oder nur ein bisschen; kreuzgescheit, gewitzt und frech oder eher brav und unauffällig - sie sind so verschieden, dass ich lügen würde, würde ich sagen, dass ich nicht wütend werde, wenn ich daran denke, dass sie für manche einfach nur Türken wären, Kopftuchmädchen.
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Sonntag, 13. November 2011
Auf der Suche (1)
Auf Wohnungssuche
Ein Zimmer in einer fremden Stadt zu finden, ist nicht immer leicht. Vor allem, wenn man nicht vor Ort ist. Vor allem, wenn man nicht nur für sich sondern zusätzlich noch ein Kleinkind sucht. Die Recherche per Internet und E-Mail war nicht sonderlich ergiebig. Es stellte sich schnell heraus, dass meine bisherige Option der Wahl - ein Zimmer in einer WG - nicht besonders erfolgsversprechend zu sein schien. Zum einen scheine ich langsam aus dem Altersrahmen, den die meisten jungen WG-ler als Ideal für einen zukünftigen Mitbewohner vorstellen, herauszufallen. Zum anderen passt das einfach nicht wirklich: Leben mit Kleinkind vs. Studentenleben in der WG. Wobei noch nicht mal wir die Partei waren, die sich das nicht vorstellen konnte (ich habe schließlich eine ganze Reihe an E-Mails an WG-Bewohner geschickt), sondern eher die anderen, die vielleicht dachten, mit Kleinkind würde die Wohnung im Chaos versinken (na ja, so falsch hätten sie mit der Vermutung ja noch nicht einmal gelegen) oder man dürfte nie wieder laute Musik hören und ab sechs nur noch flüstern...
Nasibe weiß weiter
Die erste Woche, hatte uns eine Bekannte angeboten, dürften wir bei ihr übernachten. Sie war es auch, die uns vorschlug, doch mal in diesem türkisch-muslimischen Verein vorbeizuschauen. Also packte ich das Lieschen an einem schönen Dienstagnachmittag in seinen Buggy und machte mich auf den Weg. Ich wusste nicht, was für ein Verein das war und nach wem ich suchte, aber als ich an der Rezeption sagte, dass ich ein Zimmer brauche, wurde ich gleich zu Nasibe geschickt. Nasibe ist um die fünfzig, nicht mehr die schlankste, mit langem dunklen Mantel, gedecktem türkisch gebundenen Kopftuch und freundlichen Augen in einem kleinen Gesicht saß sie in der Cafeteria des Vereins. Sie war die einzige Frau im Raum, saß inmitten all der jungen Männer, die dort vor einem türkischen Glas Tee saßen, beriet sie, erklärte ihnen, nannte sie canim und lachte dabei selbstbewusst, rief dem Mann hinter der Theke quer durch den Raum Anweisungen zu.
Granatapfelsaft, Sesamsalzstangen und türkischer Tee
Zur Begrüßung schloß sie das Lieschen und mich in die Arme und küsste uns. Innerhalb von Minuten wurde das Lieschen mit Granatapfelsaft, Sesamsalzstangen und Schokokeksen versorgt und ich mit schwarzem türkischen Tee. Wir mussten erst mal erzählen, wie es uns geht und woher wir kommen und schließlich durfte ich zur Sache kommen. Sie beriet sich mit den beiden Mädchen, die in der Zwischenzeit zu uns gestoßen waren auf Türkisch. Dass ich verstand, konnten sie nicht wissen, aber es schien ein Zimmer zu geben. Normalerweise würde das nicht vermietet werden, aber: "Jetzt steht sie hier mit ihrem Kind und braucht ein Zimmer, ne yapim?". Mir wurde auf Deutsch erklärt, dass es ein Zimmer gäbe und ich es mir ansehen könnte. Und so kam es, dass ich zwei Tage nach unserer Ankunft in Wien ein Zimmer hatte. Am nächsten Tag zogen wir ein.
Ein Zimmer in einer fremden Stadt zu finden, ist nicht immer leicht. Vor allem, wenn man nicht vor Ort ist. Vor allem, wenn man nicht nur für sich sondern zusätzlich noch ein Kleinkind sucht. Die Recherche per Internet und E-Mail war nicht sonderlich ergiebig. Es stellte sich schnell heraus, dass meine bisherige Option der Wahl - ein Zimmer in einer WG - nicht besonders erfolgsversprechend zu sein schien. Zum einen scheine ich langsam aus dem Altersrahmen, den die meisten jungen WG-ler als Ideal für einen zukünftigen Mitbewohner vorstellen, herauszufallen. Zum anderen passt das einfach nicht wirklich: Leben mit Kleinkind vs. Studentenleben in der WG. Wobei noch nicht mal wir die Partei waren, die sich das nicht vorstellen konnte (ich habe schließlich eine ganze Reihe an E-Mails an WG-Bewohner geschickt), sondern eher die anderen, die vielleicht dachten, mit Kleinkind würde die Wohnung im Chaos versinken (na ja, so falsch hätten sie mit der Vermutung ja noch nicht einmal gelegen) oder man dürfte nie wieder laute Musik hören und ab sechs nur noch flüstern...
Nasibe weiß weiter
Die erste Woche, hatte uns eine Bekannte angeboten, dürften wir bei ihr übernachten. Sie war es auch, die uns vorschlug, doch mal in diesem türkisch-muslimischen Verein vorbeizuschauen. Also packte ich das Lieschen an einem schönen Dienstagnachmittag in seinen Buggy und machte mich auf den Weg. Ich wusste nicht, was für ein Verein das war und nach wem ich suchte, aber als ich an der Rezeption sagte, dass ich ein Zimmer brauche, wurde ich gleich zu Nasibe geschickt. Nasibe ist um die fünfzig, nicht mehr die schlankste, mit langem dunklen Mantel, gedecktem türkisch gebundenen Kopftuch und freundlichen Augen in einem kleinen Gesicht saß sie in der Cafeteria des Vereins. Sie war die einzige Frau im Raum, saß inmitten all der jungen Männer, die dort vor einem türkischen Glas Tee saßen, beriet sie, erklärte ihnen, nannte sie canim und lachte dabei selbstbewusst, rief dem Mann hinter der Theke quer durch den Raum Anweisungen zu.
Granatapfelsaft, Sesamsalzstangen und türkischer Tee
Zur Begrüßung schloß sie das Lieschen und mich in die Arme und küsste uns. Innerhalb von Minuten wurde das Lieschen mit Granatapfelsaft, Sesamsalzstangen und Schokokeksen versorgt und ich mit schwarzem türkischen Tee. Wir mussten erst mal erzählen, wie es uns geht und woher wir kommen und schließlich durfte ich zur Sache kommen. Sie beriet sich mit den beiden Mädchen, die in der Zwischenzeit zu uns gestoßen waren auf Türkisch. Dass ich verstand, konnten sie nicht wissen, aber es schien ein Zimmer zu geben. Normalerweise würde das nicht vermietet werden, aber: "Jetzt steht sie hier mit ihrem Kind und braucht ein Zimmer, ne yapim?". Mir wurde auf Deutsch erklärt, dass es ein Zimmer gäbe und ich es mir ansehen könnte. Und so kam es, dass ich zwei Tage nach unserer Ankunft in Wien ein Zimmer hatte. Am nächsten Tag zogen wir ein.
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Samstag, 12. November 2011
Kein Hass
"Hate no one; no matter how much they’ve wronged you.
Live humbly; no matter how wealthy you've become.
Think positively; no matter how hard life gets.
Give; even if you’ve been given little.
Keep in touch with the ones who have forgotten you.
Forgive those who have wronged you.
Do not stop praying for the best for those you love."
Ali Ibn Abi Taleb (ra)
Live humbly; no matter how wealthy you've become.
Think positively; no matter how hard life gets.
Give; even if you’ve been given little.
Keep in touch with the ones who have forgotten you.
Forgive those who have wronged you.
Do not stop praying for the best for those you love."
Ali Ibn Abi Taleb (ra)
Freitag, 11. November 2011
Tolle Lieder - immer noch
Oder: Ich finde Fredrik Vahle gut
Ich bin, unter anderem, mit der Musik von Fredrik Vahle groß geworden. Die Lieder liebe ich noch immer; heute spiele ich sie dem Lieschen vor. Das besondere an Fredrik Vahles Musik ist, dass er schon in den 1970ern und 80ern auch kritische Themen in seinen Kinderliedern behandelte und dass es ernstzunehmende Musik ist, die seine schlauen, witzigen, nachdenklichen Texte begleitet.
Zeugen einer anderen Zeit
Aus heutiger Sicht sind die Texte Zeugen einer anderen Zeit: Es ist Protest gegen Ungerechtigkeiten, die immer wieder im Zentrum von Fredrik Vahles Liedern stehen, Beispiele von Zivilcourage, gesellschaftlichem Zusammenhalt, Solidarität und zivilem Ungehorsam, der Kampf für Frieden, Umweltschutz, gegen Krieg und für eine atomwaffenfreie Welt, die man bedroht sieht und deren Ende in den Liedern bisweilen nicht unwahrscheinlich erscheint.
Gesellschaftkritik in Kinderliedern
Teilweise geht die Gesellschaftskritik, die in Vahles Liedern geübt wird, so weit, dass es so scheint, als würde Obrigkeit im Allgemeinen verurteilt werden. Die Bösen sind immer der Boss, die Polizei, meistens auch Gerichte und Bürgermeister. Diese ganz spezifische Kombination von Themen und die Art und Weise, wie sie präsentiert werden, ist schon ziemlich eighties. Aktuell sind viele der Themen, die Vahle anspricht, aber dennoch noch. Und: die Musik ist einfach toll!
Friedensmaler, Dracula-Rock, Cowboylied
Ich kenne einen Großteil von Vahles Liedern. Von der Friedensmaler-Platte war mir jedoch nur das dem Album den Namen gebenden Titel Der Friedensmaler gekannt (und den Dracula-Rock und das Cowboylied, allerdings beide mit anderem Text). Das Friedensmaler-Lied haben wir damals in der Grundschule gesungen; ich konnte alle Strophen (inklusive der fremdsprachigen) auswendig und habe sie liebend gerne gesungen.
Tolle Lieder - immer noch
Von den 15 Liedern sind sieben einfach spitze: Der Hexentanz ist ein tolles Instrumental, das die Platte eröffnet. Witzig ist auch das Lied vom Mutmachen (und da besonders zwei Textstellen: "Tschüs, mein lieber Klaus, ich bin nicht deine Aufziehmaus!" und "Ne junge Frau war sehr schön. Die sollte Schlager singen und sollte wackeln mit dem Po - Sie sprach: 'Ihr könnt mich sowieso'" - anhören und gut finden!). Gut ist auch der Dracula-Rock; der Text ist zwar eher albern, aber die Musik ist spitzenklasse! Ganz toll ist die Helgolandballade, die von einer wahren Begebenheit erzählt. Das Wolkenlied ist ein typisches Achtziger-Lied: es warnt vor den Gefahren der Atombombe. Schließlich der Friedensmaler, der der Platte den Namen gab. Das Lied Tanja erzählt von Leningrad in den 1940ern, es ist unglaublich traurig, ich kann es nicht hören, ohne zu weinen.
Ich bin, unter anderem, mit der Musik von Fredrik Vahle groß geworden. Die Lieder liebe ich noch immer; heute spiele ich sie dem Lieschen vor. Das besondere an Fredrik Vahles Musik ist, dass er schon in den 1970ern und 80ern auch kritische Themen in seinen Kinderliedern behandelte und dass es ernstzunehmende Musik ist, die seine schlauen, witzigen, nachdenklichen Texte begleitet.
Zeugen einer anderen Zeit
Aus heutiger Sicht sind die Texte Zeugen einer anderen Zeit: Es ist Protest gegen Ungerechtigkeiten, die immer wieder im Zentrum von Fredrik Vahles Liedern stehen, Beispiele von Zivilcourage, gesellschaftlichem Zusammenhalt, Solidarität und zivilem Ungehorsam, der Kampf für Frieden, Umweltschutz, gegen Krieg und für eine atomwaffenfreie Welt, die man bedroht sieht und deren Ende in den Liedern bisweilen nicht unwahrscheinlich erscheint.
Gesellschaftkritik in Kinderliedern
Teilweise geht die Gesellschaftskritik, die in Vahles Liedern geübt wird, so weit, dass es so scheint, als würde Obrigkeit im Allgemeinen verurteilt werden. Die Bösen sind immer der Boss, die Polizei, meistens auch Gerichte und Bürgermeister. Diese ganz spezifische Kombination von Themen und die Art und Weise, wie sie präsentiert werden, ist schon ziemlich eighties. Aktuell sind viele der Themen, die Vahle anspricht, aber dennoch noch. Und: die Musik ist einfach toll!
Friedensmaler, Dracula-Rock, Cowboylied
Ich kenne einen Großteil von Vahles Liedern. Von der Friedensmaler-Platte war mir jedoch nur das dem Album den Namen gebenden Titel Der Friedensmaler gekannt (und den Dracula-Rock und das Cowboylied, allerdings beide mit anderem Text). Das Friedensmaler-Lied haben wir damals in der Grundschule gesungen; ich konnte alle Strophen (inklusive der fremdsprachigen) auswendig und habe sie liebend gerne gesungen.
Tolle Lieder - immer noch
Von den 15 Liedern sind sieben einfach spitze: Der Hexentanz ist ein tolles Instrumental, das die Platte eröffnet. Witzig ist auch das Lied vom Mutmachen (und da besonders zwei Textstellen: "Tschüs, mein lieber Klaus, ich bin nicht deine Aufziehmaus!" und "Ne junge Frau war sehr schön. Die sollte Schlager singen und sollte wackeln mit dem Po - Sie sprach: 'Ihr könnt mich sowieso'" - anhören und gut finden!). Gut ist auch der Dracula-Rock; der Text ist zwar eher albern, aber die Musik ist spitzenklasse! Ganz toll ist die Helgolandballade, die von einer wahren Begebenheit erzählt. Das Wolkenlied ist ein typisches Achtziger-Lied: es warnt vor den Gefahren der Atombombe. Schließlich der Friedensmaler, der der Platte den Namen gab. Das Lied Tanja erzählt von Leningrad in den 1940ern, es ist unglaublich traurig, ich kann es nicht hören, ohne zu weinen.
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Donnerstag, 10. November 2011
Bei Nachbarn
Oder: Wie Deutschland, nur anders
Auf den ersten Blick wirkt Wien nicht fremd. Ein bisschen erinnert es mich an Berlin, mit seinen großen, imposanten Mietskasernen und historischen Prachtbauten. Die Menschen sehen auch aus wie bei uns. Gut gekleidete Berufstätige mittleren Alters, hippe bis lässige Studenten in ihren Zwanzigern, osteuropäische Bauarbeiter in mit weißer Farbe verschmierten Arbeitshosen, zwei oder drei türkische Kopftuchomis. Der Dialekt ist dem Bayrischen nicht unähnlich. Und wie in Bayern ist auch hier die Begrüßungsformel der Wahl Grüß Gott.
Was sind Melanzani?
Den ersten Moment des Fremdseins habe ich im Supermarkt. Dass dort Tomaten Paradeiser und Kartoffeln Erdäpfel heißen, wundert mich nicht weiter, das wusste ich, darauf war ich vorbereitet. Auch mit dem Begriff Karfiol konnte ich etwas anfangen - Blumenkohl ist das. Aber das man hier Auberginen Melanzani nennt, und grüne Bohnen Fisolen? Der Moment, wo erst mal gar nichts mehr geht, wartet an der Kasse (die hier die Kassa zu sein scheint).
"A Sackerl will sie"
Als ich den jungen Mann dort an der Kasse freundlich nach einer Tüte frage, schaut er mich an wie eine Kuh, wenn's donnert, und auch als ich meine Bitte noch und noch einmal wiederhole, scheint er mich nicht zu verstehen. Spreche ich so undeutlich? Hat er was an den Ohren? Was ist los? Eine Frau in der Schlange hinter mir hat schließlich Erbarmen (vielleicht war es auch die Ungeduld, nun endlich selbst dran zu sein) und meint lachend: "Sackerl, a Sackerl will sie. 'Tüte', das sagt man in Deutschland dazu, stimmt's?" Ich nicke, lächle und bekomme meine Tüte. Später bekomme ich erklärt, dass eine Tüte hier eine kleine, flache Papiertüte ist. Kein Wunder, dass der Mann an der Kasse nicht verstanden hat.
Polster ist Kissen, Sessel ist Stuhl
Und so wird meine imaginäre Liste an österreichisch-deutschen Wörtern länger und länger: Mist ist Müll, ein Mistkübel ein Mülleimer, drei Paar Socken um fünf Euro heißt 'drei Paar Socken für fünf Euro', wir sind umgesiedelt bedeutet 'wir sind umgezogen', Polster ist Kissen, Sessel ist Stuhl, und der Hausmeister heißt hier bisweilen Hausbesorger.
Nicht alles wie bei uns
Lieselotte ist in Wien und auf den ersten Blick mag es hier aussehen wie in Deutschland, aber sobald man etwas genauer hinschaut und -hört, wird einem klar, dass das hier nicht Deutschland ist. Sondern Österreich, wo - der erste Eindruck trügt - nicht alles so ist wie bei uns.
Auf den ersten Blick wirkt Wien nicht fremd. Ein bisschen erinnert es mich an Berlin, mit seinen großen, imposanten Mietskasernen und historischen Prachtbauten. Die Menschen sehen auch aus wie bei uns. Gut gekleidete Berufstätige mittleren Alters, hippe bis lässige Studenten in ihren Zwanzigern, osteuropäische Bauarbeiter in mit weißer Farbe verschmierten Arbeitshosen, zwei oder drei türkische Kopftuchomis. Der Dialekt ist dem Bayrischen nicht unähnlich. Und wie in Bayern ist auch hier die Begrüßungsformel der Wahl Grüß Gott.
Was sind Melanzani?
Den ersten Moment des Fremdseins habe ich im Supermarkt. Dass dort Tomaten Paradeiser und Kartoffeln Erdäpfel heißen, wundert mich nicht weiter, das wusste ich, darauf war ich vorbereitet. Auch mit dem Begriff Karfiol konnte ich etwas anfangen - Blumenkohl ist das. Aber das man hier Auberginen Melanzani nennt, und grüne Bohnen Fisolen? Der Moment, wo erst mal gar nichts mehr geht, wartet an der Kasse (die hier die Kassa zu sein scheint).
"A Sackerl will sie"
Als ich den jungen Mann dort an der Kasse freundlich nach einer Tüte frage, schaut er mich an wie eine Kuh, wenn's donnert, und auch als ich meine Bitte noch und noch einmal wiederhole, scheint er mich nicht zu verstehen. Spreche ich so undeutlich? Hat er was an den Ohren? Was ist los? Eine Frau in der Schlange hinter mir hat schließlich Erbarmen (vielleicht war es auch die Ungeduld, nun endlich selbst dran zu sein) und meint lachend: "Sackerl, a Sackerl will sie. 'Tüte', das sagt man in Deutschland dazu, stimmt's?" Ich nicke, lächle und bekomme meine Tüte. Später bekomme ich erklärt, dass eine Tüte hier eine kleine, flache Papiertüte ist. Kein Wunder, dass der Mann an der Kasse nicht verstanden hat.
Polster ist Kissen, Sessel ist Stuhl
Und so wird meine imaginäre Liste an österreichisch-deutschen Wörtern länger und länger: Mist ist Müll, ein Mistkübel ein Mülleimer, drei Paar Socken um fünf Euro heißt 'drei Paar Socken für fünf Euro', wir sind umgesiedelt bedeutet 'wir sind umgezogen', Polster ist Kissen, Sessel ist Stuhl, und der Hausmeister heißt hier bisweilen Hausbesorger.
Nicht alles wie bei uns
Lieselotte ist in Wien und auf den ersten Blick mag es hier aussehen wie in Deutschland, aber sobald man etwas genauer hinschaut und -hört, wird einem klar, dass das hier nicht Deutschland ist. Sondern Österreich, wo - der erste Eindruck trügt - nicht alles so ist wie bei uns.
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Mittwoch, 9. November 2011
Sarit Hadad
Sarit Hadad - Sh'ma Israel
Das Video ist eine einzige Ladung Kitsch, aber das Lied liebe ich.
Das Video ist eine einzige Ladung Kitsch, aber das Lied liebe ich.
Dienstag, 8. November 2011
Ich bin ein Flohmarktfan
Im Sommer vor einem Jahr war ich seit einer Ewigkeit zum ersten Mal wieder für mich auf einem Flohmarkt. Seitdem habe ich - außer im Schlussverkauf - keine neuen Kleider mehr für mich gekauft.
Kindheitstrauma
Als Kind war ich oft auf dem Flohmarkt, mit meiner Mutter, und konnte nicht verstehen, wie sie sich gefühlte Stunden lang durch Berge an alten Klamotten wühlen konnte. Strunzlangweilig war das. Meine Schwester hatte dann irgendwann in ihren Teeniejahren auch noch mal eine Flohmarktphase, aber ich war - das kindheitliche Trauma musste erst einmal verarbeitet werden - dort Jahre nicht mehr.
Für nur ein paar Euro
Als dann das Lieschen geboren wurde, wurde ich auf die Baby- und Kinderflohmärkte in unserer Umgebung aufmerksam. Verrückt, dass man dort für nur ein paar Euro massenweise gut erhaltene, wunderschöne Kinderkleider bekommen konnte. Ich hab bis heute für das Lieschen nur Unterwäsche neu gekauft - und mal ein paar Strumpfhosen oder eine Mütze, wenn ich dringend was brauchte, aber kein Flohmarkt in Reichweite war. Alles andere war neu oder gebraucht geschenkt oder vom Flohmarkt.
Dreißig Euro - ein Jahr
Als das Lieschen ein Jahr alt war, hab ich auf dem Flohmarkt bei uns für dreißig Euro drei große Tüten voll mit Kleidern, Spielzeug und Büchern gekauft - und das ganze nächste Jahr über kein Geld mehr für Kinderkleider ausgegeben. Von wegen, Kinder kosten so viel...
Kein Geld mehr für neue Kleider
Und im Sommer vor einem Jahr war ich dann auch für mich wieder auf einem Flohmarkt. Habe drei schicke Businesshemden für die Arbeit für insgesamt zwei Euro gekauft, eine Tasche für zwei Euro und jede Menge Langarmhemden aus Baumwolle für nur einen Euro. So ein Hemd kostet bei H&M neu mindestens 8 EUR, oft sogar 10. Ich habe mir damals vorgenommen, kein Geld mehr für neue Kleider auszugeben. Unterwäsche, Socken und Schuhe ausgenommen habe ich mich bis jetzt daran gehalten, neu nur im Schlussverkauf gekauft, wenn ein neues Kleid statt 40 EUR plötzlich nur noch 10 kostet.
Neu nur im Schlussverkauf
Mir ist es in der Zwischenzeit ein paar Mal passiert, dass ich ein wunderschönes Kleid im Geschäft gesehen habe, dass ich oh so gerne haben wollte, es aber dann doch an der Stange haben hängen lassen, weil ich keine 30, 40, 50 EUR für ein Stück Stoff ausgeben wollte - und zwei, drei, vier Wochen komme ich durch Zufall wieder in den Laden und das gute Teil kostet nur noch 10 EUR oder vielleicht 15. Weshalb also sollte man den teureren Preis zahlen? Bei Kinderkleidern kommt der Vorteil, dass alle Chemikalien, die sich in unseren Textilien finden, in der Zwischenzeit garantiert rausgewaschen sind. Und auch aus ökologischer Sicht macht es Sinn, gebrauchte Kleider weiter zu tragen. Ich bin ein Flohmarktfan - geworden.
Kindheitstrauma
Als Kind war ich oft auf dem Flohmarkt, mit meiner Mutter, und konnte nicht verstehen, wie sie sich gefühlte Stunden lang durch Berge an alten Klamotten wühlen konnte. Strunzlangweilig war das. Meine Schwester hatte dann irgendwann in ihren Teeniejahren auch noch mal eine Flohmarktphase, aber ich war - das kindheitliche Trauma musste erst einmal verarbeitet werden - dort Jahre nicht mehr.
Für nur ein paar Euro
Als dann das Lieschen geboren wurde, wurde ich auf die Baby- und Kinderflohmärkte in unserer Umgebung aufmerksam. Verrückt, dass man dort für nur ein paar Euro massenweise gut erhaltene, wunderschöne Kinderkleider bekommen konnte. Ich hab bis heute für das Lieschen nur Unterwäsche neu gekauft - und mal ein paar Strumpfhosen oder eine Mütze, wenn ich dringend was brauchte, aber kein Flohmarkt in Reichweite war. Alles andere war neu oder gebraucht geschenkt oder vom Flohmarkt.
Dreißig Euro - ein Jahr
Als das Lieschen ein Jahr alt war, hab ich auf dem Flohmarkt bei uns für dreißig Euro drei große Tüten voll mit Kleidern, Spielzeug und Büchern gekauft - und das ganze nächste Jahr über kein Geld mehr für Kinderkleider ausgegeben. Von wegen, Kinder kosten so viel...
Kein Geld mehr für neue Kleider
Und im Sommer vor einem Jahr war ich dann auch für mich wieder auf einem Flohmarkt. Habe drei schicke Businesshemden für die Arbeit für insgesamt zwei Euro gekauft, eine Tasche für zwei Euro und jede Menge Langarmhemden aus Baumwolle für nur einen Euro. So ein Hemd kostet bei H&M neu mindestens 8 EUR, oft sogar 10. Ich habe mir damals vorgenommen, kein Geld mehr für neue Kleider auszugeben. Unterwäsche, Socken und Schuhe ausgenommen habe ich mich bis jetzt daran gehalten, neu nur im Schlussverkauf gekauft, wenn ein neues Kleid statt 40 EUR plötzlich nur noch 10 kostet.
Neu nur im Schlussverkauf
Mir ist es in der Zwischenzeit ein paar Mal passiert, dass ich ein wunderschönes Kleid im Geschäft gesehen habe, dass ich oh so gerne haben wollte, es aber dann doch an der Stange haben hängen lassen, weil ich keine 30, 40, 50 EUR für ein Stück Stoff ausgeben wollte - und zwei, drei, vier Wochen komme ich durch Zufall wieder in den Laden und das gute Teil kostet nur noch 10 EUR oder vielleicht 15. Weshalb also sollte man den teureren Preis zahlen? Bei Kinderkleidern kommt der Vorteil, dass alle Chemikalien, die sich in unseren Textilien finden, in der Zwischenzeit garantiert rausgewaschen sind. Und auch aus ökologischer Sicht macht es Sinn, gebrauchte Kleider weiter zu tragen. Ich bin ein Flohmarktfan - geworden.
Montag, 7. November 2011
Die Besten
"Les croyants qui ont la foi la plus complète sont ceux qui ont le meilleur comportement; et les meilleurs d'entre vous sont les meilleurs pour leurs femmes"
(Hadith nach At-Tirmidhiyy)
(Hadith nach At-Tirmidhiyy)
Sonntag, 6. November 2011
Samstag, 5. November 2011
An die Damen und Herren Kommentatoren
So meine Lieben,
das war's.
Ich werde hier keine Kommentare mehr veröffentlichen, in denen
- die Deportation Europas Muslime vorgeschlagen wird,
- mir unterstellt wird, ich stünde hinter den Taleban,
- alle Gläubigen per se als fanatisch dargestellt werden,
- oder wahlweise mit Tieren gleichgesetzt werden,
- oder auch von Menschen allgemein (unabhängig von ihrem Glauben) gesprochen wird, als handele es sich um Tiere,
- pietätslos über den Tod von Menschen geschrieben wird,
- ich persönlich angegriffen werde,
- oder für die Verbrechen irgendwelcher Menschen, die sich zufälligerweise ebenfalls "Muslime" nennen, verantwortlich gemacht werde,
- sich einer so vulgären Sprache bedient wird, dass es einfach nicht mehr schön ist.
(Weiterhin gilt: Bitte keine Links zu Videos posten; ich habe nicht die Zeit, den Inhalt jeden Films zu überprüfen.)
Ich freue mich weiter auf kritische, fragende, nachdenkliche, meinetwegen auch zynische, schwarzmalerische, traurige, wütende Kommentare, aber es gibt eine Grenze: bitte beachten Sie die.
das war's.
Ich werde hier keine Kommentare mehr veröffentlichen, in denen
- die Deportation Europas Muslime vorgeschlagen wird,
- mir unterstellt wird, ich stünde hinter den Taleban,
- alle Gläubigen per se als fanatisch dargestellt werden,
- oder wahlweise mit Tieren gleichgesetzt werden,
- oder auch von Menschen allgemein (unabhängig von ihrem Glauben) gesprochen wird, als handele es sich um Tiere,
- pietätslos über den Tod von Menschen geschrieben wird,
- ich persönlich angegriffen werde,
- oder für die Verbrechen irgendwelcher Menschen, die sich zufälligerweise ebenfalls "Muslime" nennen, verantwortlich gemacht werde,
- sich einer so vulgären Sprache bedient wird, dass es einfach nicht mehr schön ist.
(Weiterhin gilt: Bitte keine Links zu Videos posten; ich habe nicht die Zeit, den Inhalt jeden Films zu überprüfen.)
Ich freue mich weiter auf kritische, fragende, nachdenkliche, meinetwegen auch zynische, schwarzmalerische, traurige, wütende Kommentare, aber es gibt eine Grenze: bitte beachten Sie die.
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Freitag, 4. November 2011
Free Babar Ahmad
Na ja, freigelassen werden muss er nicht gleich. Aber ein Gerichtsverfahren wäre, nach sieben Jahren Haft, schon nicht schlecht
Sieben Jahre im Gefängnis ohne dafür jemals vor Gericht gestanden zu haben - gibt es das? Ich meine nicht in einem Land irgendwo im Nahen Osten, China, Schwarzafrika, ich spreche nicht von syrischen Folterknästen, israelischer Administrationshaft oder Pakistan, wo es niemanden groß wundern würde - sondern von Großbritannien.
Kann es mir als britischem Bürger passieren, in meinem Land, in Großbritannien, in Westeuropa, wo Demokratie, Menschenrechte und das Prinzip des Rechtsstaats keine Fremdwörter sind, kann es mir in diesem Land - als Bürger dieses Landes - passieren, ohne Gerichtsurteil für sieben Jahre hinter Gittern zu verschwinden?
Ich wünschte, ich könnte diese Frage mit Nein beantworten.
Aber da ist die Geschichte von Babar Ahmad. Einem britischen Bürger, der 2004 wegen des Verdachts, in die Finanzierung terroristischer Gruppen verwickelt zu sein, in Großbritannien hinter Gittern verschwand. Und seitdem dort sitzt, gegen die Auslieferung in die USA kämpft, und das obwohl die Straftaten, die ihm vorgeworfen werden, in Großbritannien begangen wurden (oder auch nicht), obwohl seine Internierung selbst von Vertretern der Justiz als Tortur bezeichnet wird, obwohl Zehntausende Briten, darunter viele Prominente, ein Gerichtsurteil für Babar forderten.
Man könnte nun etwas dazu schreiben, was der Fall Babar Ahmad uns sagt über eine Gesellschaft nach 9/11 und 7/7, eine Gesellschaft, die sich von ihrer Angst und Panik vor dem Terrorismus zu solchen Ungerechtigkeiten hat bringen lassen. Oder auch zu der Geduld, die ein Mann, aufbringen muss, um sieben Jahre der Unsicherheit zu überstehen, ohne wahnsinnig zu werden.
Den Hintergrund der Geschichte erläutert BBC-Korrespondent Dominic Carisciani in diesem Artikel. Für alle, die genug gehört haben, und sich fragen, was zu tun sei: Man könnte damit anfangen, diese e-Petition, deren Initiatoren sich dafür einsetzen, das Thema auf die Agenda des britischen Parlaments zu setzen.
Eine Unterschrift, fünf Minuten. Sieben Jahre.
Sieben Jahre im Gefängnis ohne dafür jemals vor Gericht gestanden zu haben - gibt es das? Ich meine nicht in einem Land irgendwo im Nahen Osten, China, Schwarzafrika, ich spreche nicht von syrischen Folterknästen, israelischer Administrationshaft oder Pakistan, wo es niemanden groß wundern würde - sondern von Großbritannien.
Kann es mir als britischem Bürger passieren, in meinem Land, in Großbritannien, in Westeuropa, wo Demokratie, Menschenrechte und das Prinzip des Rechtsstaats keine Fremdwörter sind, kann es mir in diesem Land - als Bürger dieses Landes - passieren, ohne Gerichtsurteil für sieben Jahre hinter Gittern zu verschwinden?
Ich wünschte, ich könnte diese Frage mit Nein beantworten.
Aber da ist die Geschichte von Babar Ahmad. Einem britischen Bürger, der 2004 wegen des Verdachts, in die Finanzierung terroristischer Gruppen verwickelt zu sein, in Großbritannien hinter Gittern verschwand. Und seitdem dort sitzt, gegen die Auslieferung in die USA kämpft, und das obwohl die Straftaten, die ihm vorgeworfen werden, in Großbritannien begangen wurden (oder auch nicht), obwohl seine Internierung selbst von Vertretern der Justiz als Tortur bezeichnet wird, obwohl Zehntausende Briten, darunter viele Prominente, ein Gerichtsurteil für Babar forderten.
Man könnte nun etwas dazu schreiben, was der Fall Babar Ahmad uns sagt über eine Gesellschaft nach 9/11 und 7/7, eine Gesellschaft, die sich von ihrer Angst und Panik vor dem Terrorismus zu solchen Ungerechtigkeiten hat bringen lassen. Oder auch zu der Geduld, die ein Mann, aufbringen muss, um sieben Jahre der Unsicherheit zu überstehen, ohne wahnsinnig zu werden.
Den Hintergrund der Geschichte erläutert BBC-Korrespondent Dominic Carisciani in diesem Artikel. Für alle, die genug gehört haben, und sich fragen, was zu tun sei: Man könnte damit anfangen, diese e-Petition, deren Initiatoren sich dafür einsetzen, das Thema auf die Agenda des britischen Parlaments zu setzen.
Eine Unterschrift, fünf Minuten. Sieben Jahre.
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Donnerstag, 3. November 2011
Bart und Bashir
Hatten sie also doch Recht, die Islam"kritiker" mit ihren Warnungen vor der Islamisierung unserer Gesellschaften: jetzt sind sie sogar schon in Springfield, die Moslems!!
Mittwoch, 2. November 2011
Dienstag, 1. November 2011
Islam in den (Karlsruher) Medien
Eine Reihe zum Islam in Karlsruhe findet sich auf der Webseite der lokalen ka news (wobei KA fuer Karlsruhe steht). Ich hab nur einen der Artikel gelesen und war bei der Lektuere kurz davor, laut loszulachen. In dem Artikel geht es los mit:
"Über den Islam wird viel geredet und geschrieben, vieles dabei ist nicht richtig. Nicht Wissen und nicht Verstehen sind die Basis für Vorurteile und Stigmatisierung, die ein friedliches Zusammenleben erschweren. Meinungen wie Muslime seien Terroristen, Dschihad bedeute "Heiliger Krieg" und muslimische Frauen hätten keine Rechte sind weit verbreitet. Doch was ist dran? ka-news hat sich mit gängigen Islam-Irrtümern beschäftigt. Denn häufig ist alles anders, als man denkt."
... und so geht es dann froehlich weiter. Wow, wurde die Redaktion von 'nem Moslem unterwandert (hilfe, jetzt sogar die Medien!!) oder hat da eine muslimische Vereinigung die ka news-Seite gehackt? Den Artikel merk ich mir, fuers naechste Mal, wenn ich muslimische Freunde (oder mich selbst...) daran erinnern muss, dass eben doch nicht alles anti-islamisch ist in der deutschen Berichterstattung ueber den Islam.
"Über den Islam wird viel geredet und geschrieben, vieles dabei ist nicht richtig. Nicht Wissen und nicht Verstehen sind die Basis für Vorurteile und Stigmatisierung, die ein friedliches Zusammenleben erschweren. Meinungen wie Muslime seien Terroristen, Dschihad bedeute "Heiliger Krieg" und muslimische Frauen hätten keine Rechte sind weit verbreitet. Doch was ist dran? ka-news hat sich mit gängigen Islam-Irrtümern beschäftigt. Denn häufig ist alles anders, als man denkt."
... und so geht es dann froehlich weiter. Wow, wurde die Redaktion von 'nem Moslem unterwandert (hilfe, jetzt sogar die Medien!!) oder hat da eine muslimische Vereinigung die ka news-Seite gehackt? Den Artikel merk ich mir, fuers naechste Mal, wenn ich muslimische Freunde (oder mich selbst...) daran erinnern muss, dass eben doch nicht alles anti-islamisch ist in der deutschen Berichterstattung ueber den Islam.
Montag, 31. Oktober 2011
Iran
Lieber arabischer Frühling,
schau doch auch mal im Iran vorbei. Da wär jetzt nach all dem Leid, all den Lügen und enttäuschten Hoffnungen mal langsam Zeit für Demokratie, Menschenrechte und Gerechtigkeit. Tunesien, Ägypten, Lybien, Syrien, Iran, meinetwegen könnte das grad so weitergehen...
schau doch auch mal im Iran vorbei. Da wär jetzt nach all dem Leid, all den Lügen und enttäuschten Hoffnungen mal langsam Zeit für Demokratie, Menschenrechte und Gerechtigkeit. Tunesien, Ägypten, Lybien, Syrien, Iran, meinetwegen könnte das grad so weitergehen...
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Sonntag, 30. Oktober 2011
Lieblingsblog (10)
Mein Lieblingsblog im Oktober ist My Mom, the Style Icon, ein Fashionblog, der als Hommage an all die stylischen Mütter out there gedacht ist. Keep it up, mummies!
Samstag, 29. Oktober 2011
Zehn Tage
Heute ist - laut islam.de - der 1. Dhu al-Hidschah. Der zwölfte und letzte Monat des islamischen Kalenders hat eine besondere Bedeutung. In ihm findet die rituelle Pilgerfahrt, die Hadsch, statt, die eine der fünf Säulen des Islams* darstellt. Besonders den ersten zehn Tage wird ein besonderer Stellenwert beigeschrieben. So heißt es in einem von Bukhari überlieferten Hadith: "There are no days in which righteous deeds are more beloved to Allaah than these ten
days."
Ein ganz besonderer Tag
Es ist deshalb Tradition, an diesen zehn Tagen zu fasten, besonders viel und intensiv zu beten und sich auf die Grundsätze seiner Religion zu besinnen. Wer kann, fährt zur Hadsch. Unter den ersten zehn Tagen ist besonders wichtig der 9. Dhu al-Hidschah, der Tag von Arafat. Zu diesem Tag ist nach Muslim überliefert: The Prophet (sal Allaahu Alayhi wa Sallam) used to fast on the ninth day of Dhu’l-Hijjah and he said: "Fasting the Day of 'Arafah (ninth Dhul-hijjah) is an expiation for (all the sins of) the previous year and an expiation for (all the sins of) the coming year."
Countdown zum Opferfest
Am Tag nach Arafat wird Eid al-Adha, das Opferfest (Kurban bayrami auf Türkisch), das das Ende der Hadsch markiert, gefeiert. Anders als Eid al-Fitr, das Fest am Ende des Fastenmonats Ramadhan dauert Eid al-Adha vier und nicht drei Tage.
Muslimische Feiertage, westeuropäischer Alltag
Im Alltag in einem nicht-muslimischen Land gehen selbst wichtige Ereignisse wie das bevorstehende Opferfest und die dort hin führenden zehn Tage unter - irgendwo zwischen Arbeit, Schule, Studium, Alltag eben. Ich weiß noch, wie letztes Jahr, mitten im Unistress Eid al-Adha, das ja eigentlich das wichtigste Fest im Islam ist, ziemlich sang- und klanglos an mir vorbei ging ("Eid mubarak!" - "Ach, es ist Eid?"). Wie froh ich bin, dass das dieses Jahr anders ist. Laut islam.de ist heute der 1. Dhu al-Hidschah, die zehn Tage liegen also vor mir, und es ist ein schönes Gefühl, zu wissen, dass es an mir liegt, das Beste daraus zu machen.
(* Sorry, miserables Video, aber das Lied ist toll!)
days."
Ein ganz besonderer Tag
Es ist deshalb Tradition, an diesen zehn Tagen zu fasten, besonders viel und intensiv zu beten und sich auf die Grundsätze seiner Religion zu besinnen. Wer kann, fährt zur Hadsch. Unter den ersten zehn Tagen ist besonders wichtig der 9. Dhu al-Hidschah, der Tag von Arafat. Zu diesem Tag ist nach Muslim überliefert: The Prophet (sal Allaahu Alayhi wa Sallam) used to fast on the ninth day of Dhu’l-Hijjah and he said: "Fasting the Day of 'Arafah (ninth Dhul-hijjah) is an expiation for (all the sins of) the previous year and an expiation for (all the sins of) the coming year."
Countdown zum Opferfest
Am Tag nach Arafat wird Eid al-Adha, das Opferfest (Kurban bayrami auf Türkisch), das das Ende der Hadsch markiert, gefeiert. Anders als Eid al-Fitr, das Fest am Ende des Fastenmonats Ramadhan dauert Eid al-Adha vier und nicht drei Tage.
Muslimische Feiertage, westeuropäischer Alltag
Im Alltag in einem nicht-muslimischen Land gehen selbst wichtige Ereignisse wie das bevorstehende Opferfest und die dort hin führenden zehn Tage unter - irgendwo zwischen Arbeit, Schule, Studium, Alltag eben. Ich weiß noch, wie letztes Jahr, mitten im Unistress Eid al-Adha, das ja eigentlich das wichtigste Fest im Islam ist, ziemlich sang- und klanglos an mir vorbei ging ("Eid mubarak!" - "Ach, es ist Eid?"). Wie froh ich bin, dass das dieses Jahr anders ist. Laut islam.de ist heute der 1. Dhu al-Hidschah, die zehn Tage liegen also vor mir, und es ist ein schönes Gefühl, zu wissen, dass es an mir liegt, das Beste daraus zu machen.
(* Sorry, miserables Video, aber das Lied ist toll!)
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Freitag, 28. Oktober 2011
Vom Erinnern nach dem Konflikt
63 Jahre Unabhaengigkeit feierte man diesen Mai in Israel. Was von juedischen Israelis als Tag der Unabhaengigkeit feierlich begangen wird, ist auf der anderen Seite, bei Palaestinensern diesseits und jenseits der Grenze zu Israel, Anlass zu Trauer und zur Erinnerung an al-nakba, die Katastrophe. Man muss nicht bis nach Nahost reisen, um sich der Brisanz von Erinnern und Gedenken nach gewaltsamen Konflikten bewusst zu werden. Da reicht schon ein Blick ueber die Oder, rueber nach Polen, wo die Diskussion um die Rolle Deutschlands im Zweiten Weltkrieg ganz anders gefuehrt wird als hier bei uns - was auch heute noch, Jahrzehnte nach Kriegsende, zu diplomatischen Unstimmigkeiten fuehrt.
Vom 11. bis 13. November (Anmeldefrist: 4. November) bietet sich in Hamburg die Gelegenheit, sich im Rahmen eines von der Heinrich-Boell-Stiftung organisierten Seminars im Detail mit der Frage nach Erinnern und Gedenken nach gewaltsamen Konflikten auseinander zu setzen. Dabei soll es zum Beispiel um die Rolle von Erinnerungsorten und Zeitzeugen gehen und darum, welche Rolle Vergangenheitsaufarbeitungsprozesse bei der Transformation in eine friedliche Gesellschaft spielen koennen. Externe Referent_innen geben Einblicke in die Situation in Afrika, Suedostasien und Lateinamerika.
Weitere Informationen finden sich hier.
Vom 11. bis 13. November (Anmeldefrist: 4. November) bietet sich in Hamburg die Gelegenheit, sich im Rahmen eines von der Heinrich-Boell-Stiftung organisierten Seminars im Detail mit der Frage nach Erinnern und Gedenken nach gewaltsamen Konflikten auseinander zu setzen. Dabei soll es zum Beispiel um die Rolle von Erinnerungsorten und Zeitzeugen gehen und darum, welche Rolle Vergangenheitsaufarbeitungsprozesse bei der Transformation in eine friedliche Gesellschaft spielen koennen. Externe Referent_innen geben Einblicke in die Situation in Afrika, Suedostasien und Lateinamerika.
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Donnerstag, 27. Oktober 2011
Lieblingsstadt
Istanbul ist eine meiner Lieblingsstaedte. Eine Stadt am Meer, in der Fundamentalisten und Liberale, Kopftuch und Minirock, Kirchen und Moscheen, Coca-Cola und Kebab ihren Platz haben; wo man in einer halben Stunde mit der Faehre von Europa nach Asien uebersetzen kann; roemische Ruinen, byzantinische Kirchen und osmanische Palaeste besichtigen kann; dazu tuerkisches Essen, und das alles nur zwei Flugstunden von Deutschland entfernt - ich war begeistert. Wenn nur Verkehrschaos, Erdbebengefahr, kulturelle Differenzen und Korruption nicht waren - ich koennte mir glatt vorstellen, in Istanbul zu leben.
Fuer ein kleines bisschen Istanbul in Nordostdeutschland koennte man am 2. November, Mittwoch kommender Woche, nach Frankfurt (Oder) fahren, wo eine gute Zugstunde von Berlin entfernt Alan Duben, Professor an der renommierten Istanbuler Bilgi-Universitaet, zurzeit Inhaber der neuen Aziz-Nesin-Gastprofessur in Frankfurt, einen Vortrag ueber Istanbul im 20. Jahrhundert halten wird: "20th century Istanbul. The fall and rise of a city". Hoert sich gut an.
Mittwoch, 26. Oktober 2011
Die Erste
Als ich vor Jahren die Grosse Synagoge in der Oranienburger Strasse in Berlin besuchte und spaeter meiner juedischen Freundin Linda erzaehlte, dass eine Rabbinerin uns durch die Raeumlichkeiten gefuehrt hatte, prustete sie erst einmal los. "Eine Rabbinerin", fragte sie unglaeubig, "wie soll das denn gehen?" Linda kommt aus einer konservativen juedischen Familie und unter vielen konservativen, erst recht orthodoxen, Juden ist stark umstritten, ob Frauen als Rabbiner ordiniert werden koennen.
Laut Reformjudentum geht das, die erste Rabbinerin weltweit wurde im Dezember 1935 in Berlin ordiniert. Die Naziherrschaft kam dazwischen, Regina Jonas wurde in Auschwitz ermordet, und die Welt vergass die erste Frau, die Rabbinerin gewesen war. So kam es, dass in den USA in den 1970ern die "zweite erste Frau" Rabbinerin wurde - der deutschen Vorgeschichte war man sich nicht bewusst. Eine Ausstellung, die von Dezember 2010 bis April dieses Jahres im der Neuen Synagoge angeschlossenen Centrum Judaicum zu sehen war, erinnerte an Regina Jonas. Gut besucht soll sie nun auf Englisch uebersetzt werden, um auch jenseits der Grenzen der deutschen Sprache an die weltweit erste Rabbinerin und die Diskussionen, die sie anstossen wollte, zu erinnern.
Laut Reformjudentum geht das, die erste Rabbinerin weltweit wurde im Dezember 1935 in Berlin ordiniert. Die Naziherrschaft kam dazwischen, Regina Jonas wurde in Auschwitz ermordet, und die Welt vergass die erste Frau, die Rabbinerin gewesen war. So kam es, dass in den USA in den 1970ern die "zweite erste Frau" Rabbinerin wurde - der deutschen Vorgeschichte war man sich nicht bewusst. Eine Ausstellung, die von Dezember 2010 bis April dieses Jahres im der Neuen Synagoge angeschlossenen Centrum Judaicum zu sehen war, erinnerte an Regina Jonas. Gut besucht soll sie nun auf Englisch uebersetzt werden, um auch jenseits der Grenzen der deutschen Sprache an die weltweit erste Rabbinerin und die Diskussionen, die sie anstossen wollte, zu erinnern.
Dienstag, 25. Oktober 2011
Nacht des Wissens
Waer ich in Hamburg, wuerd ich kommenden Samstag vielleicht zur Nacht des Wissens am German Institute of Global and Area Studies (GIGA) gehen. Von 17 bis 24 Uhr oeffnet da naemlich das groesste ausseruniversitaere Forschungszentrum fuer Area Studies seine Tueren und gibt einen Einblick in die Arbeit der dort taetigen Forscher. Bei einer der Fuehrungen kann man sich einen Ueberblick ueber die Fachbibliotheken machen oder sich bei einem der Vortraege anhoeren, was Experten zum Thema Demokratie und Autokratie in Afrika, Asien, Lateinamerika und Nahost zu sagen haben - und mitdiskutieren!
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Montag, 24. Oktober 2011
Turab
Die palästinensische Musikgruppe Turab wurde vor sieben Jahren gegründet. Den Mitgliedern der Gruppe um Basil Zayed ging es darum, moderne palästinensische Musik zu machen, die traditionelle Elemente und Einflüsse der verschiedensten Musikstile weltweit aufnimmt. Vom Leben in Palästina, Politik, Besatzung, Armut, Liebe und ganz einfach dem Alltag in ihrem Land, das keines ist, zeugen die Texte und Musik. Neben sechs palästinensischen Männern ist eine Frau Mitglied der Gruppe - Katie Taylor spielt den Bass.
Turab - Hada Leyl
Zum Lesen, Mitsingen, Nachdenken: der Text.
Turab - Hada Leyl
Zum Lesen, Mitsingen, Nachdenken: der Text.
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Sonntag, 23. Oktober 2011
Weiblich, muslimisch, geschieden
Unter Muslimen ist das Thema Ehe und Familie in. Es ist einer der Renner, zu dem es bestimmt fast so viele Publikationen gibt, wie zum Thema die muslimische Frau aus islamischer Sicht (wo ist der roll eyes smiley?). Davon, dass es nicht funktioniert mit der Ehe, dass auch Muslime sich trennen und wie das ist mit der Scheidung im Islam, davon ist selten die Rede.
Eines der Themen, über das gesprochen werden muss, ist die Situation geschiedener muslimischer Frauen. Religiös gesehen spricht nichts dagegen, sich scheiden zu lassen, wenn es denn nicht anders geht. Aber viele muslimische Frauen, die geschieden sind, sehen sich Vorurteilen und Diskriminierung von Seiten anderer Muslime gegenüber. In manchen Kulturen ist es als Frau unüblich, wenn nicht verpönt, nach einer Scheidung ein zweites Mal zu heiraten. Den davon betroffenen Frauen wird damit ein Recht verwehrt, das ihnen ihre Religion zuspricht.
Organica, deren Blog ich hier letztes Jahr vorgestellt habe, hat kürzlich einen Blogartikel zu dem Thema verfasst, in dem sie acht muslimische Frauen, junge und ältere, lang und nur kurz verheiratete, muslimisch geborene und konvertierte, vorstellt und ihre Sicht der Dinge präsentiert. Lesenswert!
Eines der Themen, über das gesprochen werden muss, ist die Situation geschiedener muslimischer Frauen. Religiös gesehen spricht nichts dagegen, sich scheiden zu lassen, wenn es denn nicht anders geht. Aber viele muslimische Frauen, die geschieden sind, sehen sich Vorurteilen und Diskriminierung von Seiten anderer Muslime gegenüber. In manchen Kulturen ist es als Frau unüblich, wenn nicht verpönt, nach einer Scheidung ein zweites Mal zu heiraten. Den davon betroffenen Frauen wird damit ein Recht verwehrt, das ihnen ihre Religion zuspricht.
Organica, deren Blog ich hier letztes Jahr vorgestellt habe, hat kürzlich einen Blogartikel zu dem Thema verfasst, in dem sie acht muslimische Frauen, junge und ältere, lang und nur kurz verheiratete, muslimisch geborene und konvertierte, vorstellt und ihre Sicht der Dinge präsentiert. Lesenswert!
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Samstag, 22. Oktober 2011
Blutlachen in Paris
Wann gab es zum letzten Mal Blutlachen in Paris, Leichen in der Seine, Berge von Toten auf den Strassen der franzoesischen Hauptstadt? Vor siebzig Jahren, also irgendwann in den 1940ern waehrend des Weltkriegs? Vor mehr als 200 Jahren, waehrend und nach der Franzoesischen Revolution?
Vor fuenfzig Jahren
Fuenfzig Jahre und fuenfzig Tage ist es her, seit am 17. Oktober 1961 das groesste durch eine Staatsmacht in Westeuropa veruebte Massaker nach dem ZWeiten Weltkrieg begangen wurde. Eine Demonstration von 30.000 Algeriern fuer die Unabhaengigkeit ihrer Heimat und gegen die gegen sie gerichteten Repressionen durch den franzoesischen Staat endete toedlich. Bilanz: Zwischen 50 und 300 Tote, unzaehlige Verletzte, mehr als 10.000 Algerier, die noch ueber Tage in Pariser Sportstadien kaserniert wurden, und ein Pariser Praefekt, der erklaerte, die Polizei habe getan, was zu tun gewesen sei. Noch Wochen spaeter wurden Leichen aus der Seine gefischt.
Totgeschwiegen
In der nationalen Presse hingegen war von drei Toten die Rede; die schockierenden Bilder von Toten und Verletzten wollte bis auf ein unbedeutendes christliches Blatt keine Zeitung drucken. Bis in die Neunziger wurde sich ueber das Thema weitgehend ausgeschwiegen, kritische Filme und Buecher zum Thema verboten oder, spaeter, von der Oeffentlichkeit weitgehend nicht beachtet. Erst 2001, vierzig Jahre spaeter, wurde durch den Buergermeister von Paris eine Gedenktafel eingeweiht - die konservative Opposition im Stadtrat protestierte mit einem Boykott der Veranstaltung.
Eine Geschichte
Und so ist die Geschichte, von dem, was damals, an diesem 17. Oktober vor fuenfzig Jahren in Paris geschah, eine Geschichte von Rassismus und Gewalt; von Zivilisten, die zwischen die Fronten geraten; vom Krieg in Nordafrika, der sich einen Weg nach Westeuropa bahnt und von der Weigerung eines Staates, sich seiner Vergangenheit zu stellen.
Vor fuenfzig Jahren
Fuenfzig Jahre und fuenfzig Tage ist es her, seit am 17. Oktober 1961 das groesste durch eine Staatsmacht in Westeuropa veruebte Massaker nach dem ZWeiten Weltkrieg begangen wurde. Eine Demonstration von 30.000 Algeriern fuer die Unabhaengigkeit ihrer Heimat und gegen die gegen sie gerichteten Repressionen durch den franzoesischen Staat endete toedlich. Bilanz: Zwischen 50 und 300 Tote, unzaehlige Verletzte, mehr als 10.000 Algerier, die noch ueber Tage in Pariser Sportstadien kaserniert wurden, und ein Pariser Praefekt, der erklaerte, die Polizei habe getan, was zu tun gewesen sei. Noch Wochen spaeter wurden Leichen aus der Seine gefischt.
Totgeschwiegen
In der nationalen Presse hingegen war von drei Toten die Rede; die schockierenden Bilder von Toten und Verletzten wollte bis auf ein unbedeutendes christliches Blatt keine Zeitung drucken. Bis in die Neunziger wurde sich ueber das Thema weitgehend ausgeschwiegen, kritische Filme und Buecher zum Thema verboten oder, spaeter, von der Oeffentlichkeit weitgehend nicht beachtet. Erst 2001, vierzig Jahre spaeter, wurde durch den Buergermeister von Paris eine Gedenktafel eingeweiht - die konservative Opposition im Stadtrat protestierte mit einem Boykott der Veranstaltung.
Eine Geschichte
Und so ist die Geschichte, von dem, was damals, an diesem 17. Oktober vor fuenfzig Jahren in Paris geschah, eine Geschichte von Rassismus und Gewalt; von Zivilisten, die zwischen die Fronten geraten; vom Krieg in Nordafrika, der sich einen Weg nach Westeuropa bahnt und von der Weigerung eines Staates, sich seiner Vergangenheit zu stellen.
Freitag, 21. Oktober 2011
Gen Ost
On the Road
In einem roten Smart, den kleinen Kofferraum bis oben vollgestopft mit einem Koffer, einer Tasche, Buechern, dem Computer, meiner Yucca-Palme und was man sonst noch so zum Ueberleben in der Fremde braucht, brauste die Lieselotte damals ueber geschniegelte Autobahnen von der westdeutschen Heimat gen Osten. Der Studienbeginn in einer fremden Stadt stand bevor.
"Wie ... du willst im Osten studieren?"
Zwar hielt sie ein Grossteil ihrer Freunde und Bekannten fuer leicht bis mittel schwachsinnig, dass sie doch tatsaechlich im Osten studieren wollte, aber Lieselotte war guten Mutes. Auch die ersten am Horizont auftauchenden grauen Wohnbloecke, die sie auch sie spaeter einfach Platte nennen wuerde, konnten sie nicht davon abhalten.
Campus-Shuttle
Erst einige Monate spaeter holte sie Moebel und den Rest ihres Besitzes nach, in einem gemieteten Sprinter, in dem jeder Zentimeter Volumen ausgenutzt wurde. Gegen einen gesponsorten Campus-Shuttle, der einen aus dem Westen der Republik nach Fernost bringt, haette sie nichts gehabt. Aber fuer manche Sachen ist man eben einfach zu frueh geboren.
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Donnerstag, 20. Oktober 2011
Es ist noch nicht vorbei
Gilad Shalit ist frei. Endlich. Aber: ist es schon vorbei?
"Endlich", war mein erster Gedanke, als ich zum ersten Mal von der bevorstehenden Freilassung Gilad Shalits hörte. Wirklich daran glauben wollte ich nicht, bis er wirklich freigelassen wurde. Jetzt ist er zu Hause, endlich. Ich moechte mir nicht vorstellen, wie es fuer ihn gewesen sein muss, ueber fuenf Jahre Gefangener der Hamas zu sein; wie es fuer seine Eltern, die Familie, seine Freunde gewesen sein muss, nicht zu wissen, wie es ihrem Sohn, Bruder, Freund geht, ob er noch lebt, ob sie ihn jemals wieder sehen wuerden. Gilad Shalit war 19 als er gefangennommen wurde, jetzt ist er 25, mehr als fuenf Jahre verloren, die er (und die Menschen, denen er fehlte) trotzdem leben musste und die er wohl nie wieder los wird - unvorstellbar.
"Endlich", war mein erster Gedanke, als ich zum ersten Mal von der bevorstehenden Freilassung Gilad Shalits hörte. Wirklich daran glauben wollte ich nicht, bis er wirklich freigelassen wurde. Jetzt ist er zu Hause, endlich. Ich moechte mir nicht vorstellen, wie es fuer ihn gewesen sein muss, ueber fuenf Jahre Gefangener der Hamas zu sein; wie es fuer seine Eltern, die Familie, seine Freunde gewesen sein muss, nicht zu wissen, wie es ihrem Sohn, Bruder, Freund geht, ob er noch lebt, ob sie ihn jemals wieder sehen wuerden. Gilad Shalit war 19 als er gefangennommen wurde, jetzt ist er 25, mehr als fuenf Jahre verloren, die er (und die Menschen, denen er fehlte) trotzdem leben musste und die er wohl nie wieder los wird - unvorstellbar.
Terroristen
Mit Gilad Shalit wurden hunderte palaestinensische Gefangene freigelassen, weitere sollen im Rahmen des zwischen Israel und der Hamas ausgehandelten Deals folgen. Auch sie werden endlich zu ihren Familien zurueckkehren koennen, die meisten jedenfalls, die die nicht von Israel ausgewiesen werden. Wer selbst in Palaestina war, weiss, wieviele palaestinensische Kinder nie ihren Vater kennen gelernt haben, weil er seit Jahren in Israel inhaftiert ist; weiss, dass kaum eine Familie einen Vater, Sohn, Bruder hat, der nicht einige Zeit in israelischen Gefaengnissen verbracht hat. Dass es sich dabei um "Terroristen" handelt, ist schnell gesagt. In so manchem Fall mag das der Wahrheit entsprechen, weil Angriffe auf Zivilisten mit der politischen Absicht, Terror zu verbreiten, Terrorismus ist. Aber so lange ich nicht weiss, wer genau im Einzelnen die Maenner und Frauen waren, die nun aus israelischen Gefaengnissen freigelassen wurden, bleibe ich solchen pauschalen Spruechen gegenueber skeptisch. Ganz einfach, weil in israelischen Gefaengnissen laengst nicht nur Terroristen sitzen. Weil nicht viel dazu gehoert, um in den Augen israelischer Behoerden als Terrorist zu zaehlen und fuer Monate, wenn nicht Jahre hinter Gittern zu verschwinden.
"Es ist noch nicht vorbei"
Bezeichnend fand ich die Reaktionen einiger meiner Freunde auf die Freilassung Shalits. "Endlich", hieß es zum Beispiel bei meinen israelischen Freunden oder ganz einfach: "Er ist wieder zu Hause" - mehr nicht, alle wussten, um was, um wen es geht, jeder hat selbst einen Bruder, Mann, Freund in der Armee und weiß, dass es jeden von ihnen haette treffen koennen. Ganz anders sahen die Kommentare einiger meiner palaestinensischer Freunde aus: "Die anderen kommen auch noch raus", hiess es da oder: "es ist noch nicht vorbei". Ist es auch nicht. Nicht aus Sicht meiner palaestinensischen Freunde, die noch immer unter Besatzung leben; die wissen, dass sie selbst, ihre Freunde oder Familie jederzeit wieder festgenommen und - wenn noetig auch ohne Gerichtsurteil - fuer Tage, Wochen, Monate, Jahre in israelischen Gefaengnissen festgehalten werden koennen.
Tel Aviv ist nicht Gaza
Fuer meine israelischen Freunde ist die Episode beendet. Gilad Shalit ist frei, er ist wieder zu Hause. Fuer ihn geht der Alltag bestimmt nicht einfach weiter (er ist auch nicht der einzige Israeli, der als missing in action gilt); aber trotzdem die Gefahr einer Entfuehrung weiter besteht, trotzdem sie vor allem von den in den palaestinensischen Gebieten eingesetzten israelischen Soldaten sicher taeglich gespuert wird (was, wie ich glaube, einer der Gruende ist, dass sie so oft gegenueber Zivilisten ueberreagieren), geht das Leben weiter. Die Gefahr ist ueberschaubar, beschraenkt auf die Stunden, Tage oder Wochen, die man im Einsatz in den besetzten Gebieten verbringt - oder zumindest glaubt man das, gibt sich der Illusion hin, dass man den Konflikt ausblenden koennte, so als laege keine 60, 70 Kilometer von den Straenden, Discos, Einkaufszentren Tel Avivs Gaza, und in die andere Himmelrichtung, die Westbank. Zu Hause, in Tel Aviv, Jerusalem, in Haifa geht das Leben weiter, und vor allem in der israelischen Hauptstadt glaubt man sich oft fern vom Konflikt. Im Grossteil der israelischen Staedte gibt es noch so etwas wie Alltag, ein normales Leben, man schafft es noch abzuschalten, auszublenden, so zu tun, als sei alles normal - was es natürlich nicht ist.
Fast normal, festgenommen zu werden
Auf der anderen Seite, in Palaestina, ist das schwieriger. Natuerlich besteht auch dort das Leben nicht nur aus Krieg und Gewalt, aber die Bedrohung ist staendiger, sie ist naeher, unmittelbarer, weniger beschraenkt in Zeit und Raum. Von hunderten und tausenden israelischen Soldaten gilt nur eine handvoll als missing in action, das Risiko, von gegnerischen Einheiten verschleppt zu werden, ist im Vergleich gering. Aus palästinensischer Sicht sieht das anders aus. Da ist es fast schon wahrscheinlicher, festgenommen zu werden. Die Kommentare meiner Freunde waren in diesem Zusammenhang aufschlussreich. Fuer die, die auf der israelischen Seite leben, ist es vorbei, erst einmal zumindest, weil es zwar nicht sehr wahrscheinlich ist, dass bald ein neuer Gilad Shalit verschleppt wird, aber die Möglichkeit doch besteht - so lange der Konflikt nicht dauerhaft gelöst ist. Fuer die auf der anderen, der palaestinensischen Seite ist so oder so nichts vorbei, sondern eigentlich alles wie immer. 1000 Männer (und Frauen) mögen zwar frei sein, aber 5000 sitzen noch, und weitere werden wieder verhaftet werden. Die einen meinen, jetzt, nach der Freilassung Gilad Shalits wäre es vorbei; die anderen sind vom Gegenteil überzeugt.
Kein Verständnigung, kein Verständnis, kein Frieden
Es sind solche gegensätzlichen Sichtweisen auf ein und das selbe Thema, die eine Verständigung, die eine Voraussetzung für eine nachhaltige Lösung des Konflikts um Israel und Palästina ist, so schwierig machen. So lange die einen nur denken "endlich", während die anderen zu wissen glauben, dass "es noch lange nicht vorbei" ist, so lange kein Verständnis, keine Empathie für die Sichtweise, die Erfahrungen und den Schmerz der anderen da ist, so lange wird das auch nichts mit dem Frieden im Nahen Osten.
Dienstag, 18. Oktober 2011
My Belgrade
Serbien steht schon lange nicht mehr im Fokus westeuropaeischer Aufmerksamkeit. Ausser Geschichten von endlich gefassten Kriegsverbrechern und mal wieder einer Auseinandersetzung zwischen Serben und Albanern im Kosovo dringt kaum eine Nachricht ueber das Land in Suedosteuropa in Deutschlands, Frankreichs, Grossbritanniens Wohnzimmer. Das war in den 1990er Jahren, als das Land, damals noch Jugoslawien, erst waehrend der Balkankriege und dann waehrend der Bombardierung durch NATO-Truppen im Mittelpunkt der Berichterstattung stand, anders.
Anders als der Grossteil der ehemals sozialistisch gepraegten Staaten Osteuropas durchliefen die Laender auf dem Westbalkan nicht durch den Wechsel von Planwirtschaft zu Kapitalismus, von Sozialismus zu Demokratie (oder so) sondern waren zudem der Herausforderung, einen Staat und seine Gesellschaft nach Krieg und Konflikt neu zu definieren, ausgesetzt. Mit dem Thema Vergaenglichkeit, Wandel und und Neubeginn am Beispiel der Hauptstadt Serbiens Belgrad beschaeftigt sich die Fotoausstellung des Kuenstlers Boris Kralj My Belgrade.
Einen Vorgeschmack gibt es hier, die Ausstellung noch bis zum 21. Oktober in den Raeumlichkeiten des Berliner Vereins Most - Bruecke von Berlin nach Mittel- und Osteuropa.
Anders als der Grossteil der ehemals sozialistisch gepraegten Staaten Osteuropas durchliefen die Laender auf dem Westbalkan nicht durch den Wechsel von Planwirtschaft zu Kapitalismus, von Sozialismus zu Demokratie (oder so) sondern waren zudem der Herausforderung, einen Staat und seine Gesellschaft nach Krieg und Konflikt neu zu definieren, ausgesetzt. Mit dem Thema Vergaenglichkeit, Wandel und und Neubeginn am Beispiel der Hauptstadt Serbiens Belgrad beschaeftigt sich die Fotoausstellung des Kuenstlers Boris Kralj My Belgrade.
Einen Vorgeschmack gibt es hier, die Ausstellung noch bis zum 21. Oktober in den Raeumlichkeiten des Berliner Vereins Most - Bruecke von Berlin nach Mittel- und Osteuropa.
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Samstag, 15. Oktober 2011
Wer
...zahlt mir eine Reise nach Ljubljana?
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Freitag, 14. Oktober 2011
Tote in Kairo
Vier Tage nach den Protesten aegyptischer Christen in Kairo, die in einem Blutbad endeten, dominiert das Thema noch immer die lokale Presse. Christoph Sydow gibt auf Zenith Online einen Ueberblick ueber die Debatte in den Zeitungen, darueber, was passiert ist und was nun zu tun sei.
Donnerstag, 13. Oktober 2011
Mutterscheiße
Lasst mich in Frieden mit eurer Mutterscheiße
Vor ein paar Sommern, als dass Lieschen noch klein war und ich zusammen mit ihr und meiner Schwester im Park spazieren ging, trafen wir auf eine Gruppe von Freunden. Oder Bekannten. Vier, fünf Jungs, mit denen ich damals in der Schule war, die heute studierten und weil sie, anders ich, nach dem Abi in unserer Stadt geblieben waren, bis heute noch gut befreundet sind. Ich hatte sie lange nicht gesehen, sie das Lieschen noch nicht, außerdem war es warm und Sommer und alle haben sich gefreut.
Nach einer Weile allgemeinen "Und, wie geht's euch?" stand ich mit einem der Jungs am Rande der Gruppe, als er mich mit einem Schwung Empathie in der Stimme fragte, ob ich denn das Muttersein jetzt so richtig auskosten würde und bedingunglose Liebe für mein Kind empfinden würde. Ich schaute ihn, das Lieschen auf dem Arm, erst mal an wie ein Pferd. Das Muttersein auskosten ... wie bitte? "Äh ... was ... nee", brachte ich einen Moment später raus. Jetzt schaute er wie ein Pferd.
Ich sagte dann noch irgendwas, ich weiß nicht mehr was, aber es war eine etwas ungeordnete, aber im Grunde relativ ehrliche Antwort, irgend so was à la dass das Lieschen jetzt eben da sei, aber dass von überschwänglicher Mutterliebe (noch so ein Riesenzitat, dass er brachte) nicht die Rede sein konnte. Und bedingslose Mutterliebe - nun ja. Er schaute mich bestürzt an. Das wurde mir jetzt doch etwas unheimlich und ich schob noch schnell ein "aber klar hat man sie lieb, sie sind ja so süüüüüß" hinterher. Zack, leuchtete das riesen Lächeln auf seinem Gesicht wieder auf und nickte er zustimmend. Das hatte er hören wollen.
"Ja", setzt er an, seine Freundin, die Lisa haette ja gerade auch ein Kind bekommen und jetzt ginge sie voll in ihrer Mutterrolle auf. Noch so ein Satz. Ich nickte nur, lächelte höflich und nutzte die nächste Möglichkeit zur Flucht. Was war denn das für ein Müll? Da wollte mir ein Mann, der selbst noch nicht einmal Vater war, was von Mutterliebe und Muttersein erzählen. Hört mir auf mit diesem Scheiß.
Es ist schön, Mutter zu sein. Es kann verdammt anstrengend sein. Und ja, ich hab mein Kind lieb - manchmal fällt sie mir extrem auf die Nerven. Aber ich gehe in keinem Muttersein auf - ich bin noch ein bisschen mehr als nur Mutter - und ob von bedingungsloser Liebe die Rede sein kann ... darüber können wir wenn das Lieschen dann in der Pubertät ist, vielleicht noch einmal sprechen.
In jedem Fall ist das letzte, was man als junge Mutter braucht, eine Menge Leute, die eine ganz genaue Vorstellung davon haben, wie es zu sein hat, das Muttersein. Dass man in seiner Mutterrolle aufzugehen hat, bedingungslose Liebe vom ersten Moment zu empfinden hat und sich hundselendschlecht zu fühlen hat, wenn man eine Stunde vom Kind getrennt ist. Das mag manchen Frauen so gehen, und ist dann, falls das so ist, in Ordnung und sollte nicht anders sein. Schließlich ist das Bild an sich nicht das Problem, sondern dass es Norm für alle sein soll.
Und eben dies, dieser Müll, wird einem in Filmen, Büchern, all den Elternratgebern immer wieder um die Ohren geschlagen. In der Anfangszeit als Mutter, in der vieles neu ist, sich einiges ändert und man sich oft erst einmal wieder neu arrangieren muss, ist das Letzte, was man braucht, ein Wust an Erwartungen und völlig idealisierten Vorstellungen davon, wie es nun zu sein hat.
Mutterscheiße? Brauchen wir nicht.
Vor ein paar Sommern, als dass Lieschen noch klein war und ich zusammen mit ihr und meiner Schwester im Park spazieren ging, trafen wir auf eine Gruppe von Freunden. Oder Bekannten. Vier, fünf Jungs, mit denen ich damals in der Schule war, die heute studierten und weil sie, anders ich, nach dem Abi in unserer Stadt geblieben waren, bis heute noch gut befreundet sind. Ich hatte sie lange nicht gesehen, sie das Lieschen noch nicht, außerdem war es warm und Sommer und alle haben sich gefreut.
Nach einer Weile allgemeinen "Und, wie geht's euch?" stand ich mit einem der Jungs am Rande der Gruppe, als er mich mit einem Schwung Empathie in der Stimme fragte, ob ich denn das Muttersein jetzt so richtig auskosten würde und bedingunglose Liebe für mein Kind empfinden würde. Ich schaute ihn, das Lieschen auf dem Arm, erst mal an wie ein Pferd. Das Muttersein auskosten ... wie bitte? "Äh ... was ... nee", brachte ich einen Moment später raus. Jetzt schaute er wie ein Pferd.
Ich sagte dann noch irgendwas, ich weiß nicht mehr was, aber es war eine etwas ungeordnete, aber im Grunde relativ ehrliche Antwort, irgend so was à la dass das Lieschen jetzt eben da sei, aber dass von überschwänglicher Mutterliebe (noch so ein Riesenzitat, dass er brachte) nicht die Rede sein konnte. Und bedingslose Mutterliebe - nun ja. Er schaute mich bestürzt an. Das wurde mir jetzt doch etwas unheimlich und ich schob noch schnell ein "aber klar hat man sie lieb, sie sind ja so süüüüüß" hinterher. Zack, leuchtete das riesen Lächeln auf seinem Gesicht wieder auf und nickte er zustimmend. Das hatte er hören wollen.
"Ja", setzt er an, seine Freundin, die Lisa haette ja gerade auch ein Kind bekommen und jetzt ginge sie voll in ihrer Mutterrolle auf. Noch so ein Satz. Ich nickte nur, lächelte höflich und nutzte die nächste Möglichkeit zur Flucht. Was war denn das für ein Müll? Da wollte mir ein Mann, der selbst noch nicht einmal Vater war, was von Mutterliebe und Muttersein erzählen. Hört mir auf mit diesem Scheiß.
Es ist schön, Mutter zu sein. Es kann verdammt anstrengend sein. Und ja, ich hab mein Kind lieb - manchmal fällt sie mir extrem auf die Nerven. Aber ich gehe in keinem Muttersein auf - ich bin noch ein bisschen mehr als nur Mutter - und ob von bedingungsloser Liebe die Rede sein kann ... darüber können wir wenn das Lieschen dann in der Pubertät ist, vielleicht noch einmal sprechen.
In jedem Fall ist das letzte, was man als junge Mutter braucht, eine Menge Leute, die eine ganz genaue Vorstellung davon haben, wie es zu sein hat, das Muttersein. Dass man in seiner Mutterrolle aufzugehen hat, bedingungslose Liebe vom ersten Moment zu empfinden hat und sich hundselendschlecht zu fühlen hat, wenn man eine Stunde vom Kind getrennt ist. Das mag manchen Frauen so gehen, und ist dann, falls das so ist, in Ordnung und sollte nicht anders sein. Schließlich ist das Bild an sich nicht das Problem, sondern dass es Norm für alle sein soll.
Und eben dies, dieser Müll, wird einem in Filmen, Büchern, all den Elternratgebern immer wieder um die Ohren geschlagen. In der Anfangszeit als Mutter, in der vieles neu ist, sich einiges ändert und man sich oft erst einmal wieder neu arrangieren muss, ist das Letzte, was man braucht, ein Wust an Erwartungen und völlig idealisierten Vorstellungen davon, wie es nun zu sein hat.
Mutterscheiße? Brauchen wir nicht.
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