Freitag, 30. September 2011

Wird schon

"No amount of worrying can change the future. Go easy on yourself, for the outcome of all affairs is determined by Allah’s decree. If something is meant to go elsewhere, it will never come your way; but if it is yours by destiny, from it you cannot flee."

Umar ibn al-Khattab

Mittwoch, 28. September 2011

USA und Islam

"America and Islam are not exclusive and need not be in competition. Instead, they overlap, and share common principles of justice and progress, tolerance and the dignity of all human beings."

Barack Obama

Dienstag, 27. September 2011

Montag, 26. September 2011

Am schönsten

Oder: Die Regent's Park Mosque in London

Eine der schönsten Moscheen in London ist die Regent's Park Mosque (auch Central London Mosque) zwischen St. John's Wood und Baker Street im Westen der Stadt. Die Moschee liegt nur fünf Minuten zu Fuß vom Regent's Park entfernt, was sie attraktiv für Familien mit Kindern macht, die während eines Ausflugs in den Park schnell fürs Gebet Pause in der Moschee machen.

Goldene Kuppel, großes Minarett

Vom Park aus sieht man auch die große goldene Kuppel, von der Straße nur das Minarett. Vor der Moschee liegt ein großer Vorhof, von dem aus man schon in die Räumlichkeiten blicken kann. Im ersten Stock ist eine Bücherei, die zurzeit allerdings wegen Renovierungsarbeiten geschlossen ist. Geradeaus hinter dem Vorraum liegt der Hauptgebetsraum, rechts ein kleiner Laden, in dem islamische Bücher, Kleider und CDs verkauft werden. Ganz rechts geht es zu den Frauenräumen, ganz links runter zur Kantine, wo südasiatisches Essen verkauft wird.

Türkise Mosaike, goldene Qur'an-Zitate

Der Gebetsraum ist mit blauen Teppichen ausgelegt, die Wände sind passend dazu in eiergelb gestrichen. Die riesige Kuppel, die sich über dem Hauptraum erhebt, ist mit hellblauen, blauen, weißen, türkisen und gelben Mosaiken ausgelegt. Große, in gold auf weiß geschriebene, Zitate aus dem Qur'an ziehen sich um das Innere der Kuppel. Aus der Kuppel hängen große Kronleuchter. Von der Empore, die für die Frauen vorgesehen ist, hat man einen wunderbaren Blick auf die Kuppel. Das Geländer der Empore ist übermannshoch mit dunkelbraunem geschnitztem Holz bekleidet; dicht genug, dass von unten keiner hoch gucken kann, aber weit genug auseinander, dass wir in den Hauptraum sehen können.

Engländer, Araber, Pakistanis, Bosnier, Chinesen

Ich war nie zur Predigt hier, aber fürs Gebet komme ich gerne. Die Moschee wird, soweit ich das weiß, von der saudischen Regierung finanziert (ob sich das in den Predigten bemerkbar macht? wahrscheinlich schon), aber anders zum Beispiel als in der East London Mosque in Whitechapel ist das Publikum hier gemischter. Während die Moschee in Whitechapel vor allem Bangladeschis und Somalis besuchen (und dementsprechend manche der Angebote auch nur auf diesen beiden Sprachen sind), findet man hier Besucher mit den verschiedensten Hintergründen. Engländer, Araber, Türken, Albaner, Pakistanis, Bosnier, Somalis, Chinesen, Polen, Franzosen ... da fallen wir wirklich nicht weiter auf.

Mit Blick auf Kastanienbäume

Und während man dort dann nach dem Gebet auf dem blauen Teppich sitzt und nach draußen schaut, sieht man vor den großen Fenstern, die Tageslicht in den Gebetsraum lassen, den Wind durch die Blätter der riesigen Kastanienbäume spielen. Eine der schönsten Moscheen hier in London eben.

Sonntag, 25. September 2011

Mennonistan

Kleine blonde Mädchen in geblümten Blusen, Pferdewagen statt Pkws, ein etwas altertümlich klingendes Deutsch und ein striktes Verbot von Musik, Tanz und Kartenspiel: Ein Besuch bei den Mennoniten in Belizé

Samstag, 24. September 2011

Dunkles Geheimnis

Und noch eine Vatergeschichte: Sybil Wagener fragt sich, wieviel ihr Vater damals als Wehrmachtssoldat von den Verbrechen der Deutschen im Osten wusste. Alte Fotos, Aufzeichnungen und ein Flugbuch geben Anhaltspunkte.

Freitag, 23. September 2011

Arbeit muss bezahlt werden

Als der Alimustafa hörte, dass der damalige Freund meiner Schwester eine dreijährige Ausbildung zum Maler machte, brauchte er ein ganzes Weilchen, bis er sich von seinem Lachanfall erholt hatte. "Wie? Der lernt drei Jahre lang, wie man 'ne Wand anmalt?" Ich versuchte ihm zu erklären, dass der junge Mann neben Englisch, Deutsch und allen anderen regulären Schulfächern eben vor allem auch Mathe und Chemie lernte - wo man sich doch zumindest vorstellen konnte, dass Hintergrundwissen in diesen Bereichen einem angehenden Maler von Nutzen sein konnte. Alimustafa war, ganz Angelsachse, nicht überzeugt.

Zwei Wochen und er kann's

Hier in London las ich letztens in einem Zeitungsartikel die "Erfolgsstory" irgend eines ehemals arbeitslosen Eastlondoners, der jahrelang nichts gemacht hat und nun endlich, endlich wieder einen anständigen Job, sowie das Geld und das Ansehen das dieser mit sich bringt, hatte. Er arbeitete auf dem Bau, was er nicht gelernt hatte, aber nach einem zweiwöchigen Einführungskurs "konnte" der Mann dann Zement gießen und Kacheln legen. Kein Wunder, dass sich selbst mir als Totallaie angesichts so mancher Elektro- oder Sanitärkonstruktion hier die Haare sträuben.

Dual - und sogar bezahlt

Wenn ich in meinen Deutschkursen hier auf das Duale System, das ich zusammen mit dem deutschen Ausbildungssystem im Allgemeinen anhand eines großen Schaubildes mit einer Menge Balken, Kreisen und Pfeilen erläuterte, und die Tatsache, dass Auszubildende bei uns bezahlt werden, verwies, blickte ich immer wieder in die gleichen nickenden Gesichter - mit einem Ausdruck irgendwo zwischen ungläubig, anerkennend, tief beeindruckt und das-brauchen-wir-auch.

Ausbildungsgehalt: 50 Pfund pro Woche

Hier in Großbritannien bekommt man als Auszubildender mitunter nur 50 Pfund pro Woche. Das ist selbst außerhalb der überteuerten Riesenstadt London gerade mal genug, um die Kosten für Lebensmittel zu begleichen. Natürlich gibt es auch in Deutschland Ausbildungsberufe, in denen man im ersten Jahr lächerlich wenig verdient - als Friseurlehrling zum Beispiel. Aber zumindest im zweiten und dritten Jahr ist man finanziell besser dabei - und selbst ganz am Anfang verfügt man doch über eine solide Grundlage.

Nach dem Studium wieder nach Hause zu Mama?

Wieso man aber als angehender Arzt im so genannten Praktischen Jahr (PJ), als angehender Erzieher oder als Psychotherapeutin in der Ausbildung kaum bis gar kein Gehalt gezahlt bekommt, ist mir ein Rätsel. Als Erzieher mag das noch halbwegs machbar sein, nach dem Realschulabschluss oder Abitur ist man ja noch relativ jung, dann bleibt man halt noch ein bisschen länger zu Hause wohnen. Nicht ideal, aber sicher machbar. Aber wie soll das als PJ-ler zu machen sein? Als Psychologe? Nach dem Studium plötzlich wieder gar nichts verdienen? Wollen wir, dass nur die, die es sich leisten können, das aus eigener (oder Papas - oder Mamas) Tasche zu finanzieren oder das finanzielle Risiko eines horrenden Kredits auf sich zu nehmen, Mediziner und Psychotherapeuten werden?

Arbeit muss bezahlt werden

Wer über Jahre in verantwortungsvoller Position Vollzeit arbeitet (selbst wenn er sich noch in der Ausbildung befindet), der muss dafür anständig bezahlt werden. Zumindest muss er mit dem Geld seine Lebenskosten begleichen können. 150 Euro im Monat, die manche Psychotherapeuten in Ausbildung bekommen, sind nicht genug.

Donnerstag, 22. September 2011

In Deutschlands Kirchen

Der Papst kommt nach Deutschland, zum ersten Mal seit er nicht mehr Ratzinger ist.

SPIEGEL Online nahm das zum Anlass, sich mal umzuschauen in katholischen Gemeinden deutschlandweit. Der Titel des Artikels "Läuft was falsch in Gottes Häusern?" ist natürlich tendenziös, darüber hinaus aber hört er sich großartiger an, als die Reportage letztendlich ist: da wird nämlich vor allem beschrieben, ganz einfach, ganz banal, so einfach, so banal, dass man sich teils fragt: ja und? So kritisch wie der Titel klingt ist der Artikel längst nicht.

Also schauen wir mal, wie sieht es denn bei den Kollegen aus?

Mittwoch, 21. September 2011

Lieblingsblog (09)

Kinderdok: Kids and Me

Ich habe schon lange keinen Lieblingsblog mehr vorgestellt. Diesen Monat hätten wir da Kids and Me, der Blog eines Kinderarztes, der unter dem Pseudonym Kinderdok schreibt und irgendwo in Deutschland seine Praxis hat. Auf seinem Blog schreibt er über den Alltag als Kinderarzt, wobei natürlich lustige, obskure und bestürzende Geschichten im Vordergrund stehen. Etwas auf den Geist geht mir des Kinderarztes vollkommene Ablehnung von Homöopathie jeglicher Art (aber das ist wohl Geschmacksache) und die Posts, in denen er sich über irgendwelche Regelungen von Kassenärztlichen Vereinigungen, von denen ich mir bis dahin nicht sicher war, ob und unter welchem Namen sie existieren interessieren vielleicht auch nicht jeden. Aber kleine Geschichten wie diese (die Kategorie "witzig"), diese (die auch), diese (fiele dann eher unter "bestürzend") oder diese (zu einer Begegnung der besonderen Art mit einem Privatpatienten) hier (mein absoluter Favourite ist und bleibt aber der hier) - für die ist der Blog immer mal wieder einen Besuch wert.

Dienstag, 20. September 2011

Grüne, Linke und Piraten

Von ihrem Programm her sind sie mir suspekt, die Piraten. Aber dennoch saß ich gestern als ich las, dass die Partei es ins Berliner Abgeordnetenhaus geschafft hatte, mit einem riesen Breitmaulfroschgrinsen vor dem Computer. Warum? Weil seit der Kuchen nicht mehr einfach nur zwischen Rot und Schwarz (mit den Grünen oder Gelben als Königsmacher) entschieden wird, sondern außerdem noch eine Linke mitmischt und die Grünen die beiden großen Alten stimmenmäßig sogar überholen können, Politik spannender und unvorhersehbarer geworden ist. Und weil der Wahlerfolg der Piratenpartei alle Politikmuffel (oder soll ich sagen: "Politikkritiker"...) da draußen Lügen straft: "'Ändert sich ja sowieso nichts" - stimmt nicht.

Montag, 19. September 2011

"Jahrzehnt der Angst und des Irrsinns"

Oder: Was Jörg Lau und sechs junge britische Muslime zu 9-11 (und die Zeit danach) zu sagen haben

Vor zehn Jahren, einer Woche und einem Tag: Ein Rückblick von Jörg Lau und je einer von Megh, Faizan, Oussama, Farah und Rugena auf die Anschläge vom 11. September 2001 und das Jahrzehnt, das folgte.

Sonntag, 18. September 2011

Blondie

Blondie: Maria

Wenn das nicht Leila und Majnun auf US-Amerikanisch ist...

Samstag, 17. September 2011

Freitag, 16. September 2011

Ramadan: Nachtrag

Ich war dieses Jahr im Ramadan Gastschreiberin auf dem Blog der muslimischen Wohltätigkeitsorganisation muslimehelfen. Der Text, den die Betreiber der Seite der Länge wegen dreigeteilt haben, ist hier, hier und hier zu lesen. Außer mir hat Kübra vom Fremdwörterbuch einen Text für muslimehelfen geschrieben: diesen hier.

Donnerstag, 15. September 2011

Auf Vatersuche

Und dann war da die Geschichte von Carolina, die mit 30 ihre Sachen packte und nach Israel reiste, um sich auf die Suche nach ihrem Vater, den ihre Mutter als Freiwillige in einem Kibbuz kennen gelernt hatte, zu machen. Dass sie es tatsächlich schafft, ihn ausfindig zu machen, ist nicht Ende der Geschichte, da geht es eigentlich erst richtig los. Plötzlich hat sie einen Vater, ist sie halb Israelin und stellt sich Fragen, die vorher nicht da waren: wer sie sie und wer sie geworden wäre, wenn er in ihrer Kindheit und Jugend da gewesen wäre. - Es sind Reportagen wie diese, für die ich das Magazin chrismon so schätze.

Mittwoch, 14. September 2011

Frau Gelehrte

Dass es im Islam weiblichen Gelehrte, die zum Beispiel Hadithe sammelten und überlieferten und Männer und Frauen unterrichteten, gab, ist in den letzten Jahren, Jahrzehnten, Jahrhunderten in Vergessenheit geraten. Muhammad Akram Nadwi, ein aus Indien stammender, in Oxford forschender Alim, der sich auf der Suche nach Informationen über diese Frauen durch die Archive arbeitete, hat vor vier Jahren die Zusammenfassung seiner Enzyklopädie zum Thema in der englischen Übersetzung herausgegeben.

Am Samstag, 17. September kommt Nadwi nach London (Geary Lecture Theatre, City University). Tickets können hier bestellt werden.

Dienstag, 13. September 2011

"Das geht zu weit"

Julia Gerlach aus Kairo zur Stürmung der israelischen Botschaft in der ägyptischen Hauptstadt

Montag, 12. September 2011

Fast vergessen?

Wenn von den Anschlägen vom 11. September 2001 die Rede ist, liegt der Fokus oft auf der Zerstörung des World Trade Centers in New York. Mindestens genauso spektakulär und tragisch war der Anschlag auf einen Flügel des Pentagon, den Sitz des US-Verteidigungsministeriums. Ein Mahnmal gedenkt der Toten.

Sonntag, 11. September 2011

Zehn Jahre später

Angesichts der Tatsache, dass 11. September-Rückblicke dieser Tage ja zum Standardrepertoire zu gehören scheinen, will natürlich auch Lieselotte in dieser Sache nicht zurück stehen. Anstatt meine Leser mit Und-so-habe-ich-den-11. September-erlebt-Geschichten zu erbauen (ich stand irgendwo in Süditalien und dachte, jetzt gibt es Krieg), halte ich es praktisch und verweise freundlich auf diese Kolumne von Jakob Augstein, die zusammenfassend auf das Jahrzehnt seit den Anschlägen in den USA zurückblickt. Geschmacksprobe:

"Zehn Jahre nach dem 11. September 2001 gibt es nur Verlierer: Der Islam wurde von verblendeten Ideologen als Geisel genommen. Der Westen hat im Kampf gegen den Terror seine Werte verraten. Und jetzt haben wir auch noch die Islamophoben an der Backe."

Hier lang!

Samstag, 10. September 2011

"Mythos DDR ohne Vertriebene"


Gespräch und Film
Donnerstag, 15. September 2011
18.00 Uhr
Filmmuseum Potsdam


"Menschen, die nach 1945 aus dem östlichen Europa in die
Sowjetische Besatzungszone flohen, ausgesiedelt oder
vertrieben wurden, durften in der DDR nicht öffentlich ihrer
alten Heimat gedenken. Obwohl sich der SED-Staat zunächst
um die Integration der sogenannten Umsiedler bemühte,
hatten die Betroffenen später Nachteile zu erleiden.

Die aus Film und Fernsehen bekannte Schauspielerin Ursula
Karusseit erzählt in einem Gespräch mit dem Zeithistoriker
Michael Schwartz von ihren Erfahrungen als Flüchtlingskind
aus Westpreußen in der DDR. Es moderiert Frank Herold von
der Berliner Zeitung. Der anschließend gezeigte zweite Teil
der DDR-Fernsehserie Wege übers Land von 1968 thematisiert
die Flucht der Deutschen aus den nach dem Krieg zu Polen
gehörenden Gebieten."

Freitag, 9. September 2011

Gute Mutter, schlechte Mutter

Ein Gespräch zwischen der Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich, 93 (jetzt 94), und der Journalistin (und Tochter Ulrike Meinhofs) Bettina Röhl, 48, darüber, was eine gute Mutter ist, wie man eine schlechte überlebt und wie das dann ist, wenn man selbst Kinder bekommt.

Donnerstag, 8. September 2011

Letztens gelesen (12)

Omar Nasiri: Inside the Global Jihad. How I Infiltrated Al Qaeda and Was Abandoned by Western Intelligence. London: Hurst, 2006.

Wie wird ein Mensch zum Terrorist? Das ist eine der Fragen, die Sozialwissenschaftler seit Jahrzehnten bewegt. In seinem autobiographischen Buch Inside the Global Jihad liefert der Mann, der unter dem Pseudonym Omar Nasiri schreibt, einige Antworten. Aufgewachsen zwischen Marokko und Brüssel verdient er sich als Kleinkrimineller, bis er durch einen seiner Brüder in das Netzwerk in Europa und dem Nahen Osten operierender islamistischer Terroristen gerät. Als die Männer ihm bedrohlich werden, offenbart er sich dem französischen Sicherheitsdienst, bietet sich als Agent an und inflitriert eines der Ausbildungscamps in Afghanistan. Nach seiner Rückkehr arbeitet er für den britischen MI6, den Verfassungsschutz und weiter die Franzosen - bis er nach sechs Jahren aussteigt.

Bemerkenswert an dem Bericht, der von Terrorismusexperte (und der wirklich!) Ahmed Rashid und dem ehemaligen Vorsitzenden der Osama Bin Laden-Einheit des CIA Michael Scheuer als einmaliger Einblick in global-jihadistische Terrornetzwerke bezeichnet wird, sind für mich vier Punkte. Zum einen, der Weg, der Omar Nasiri in den Terrorismus führte: über ein Familienmitglied, nach einer Karriere als Kleinkrimineller und Erfahrungen von Diskriminierung und Exklusion. Zweitens: die Faszination, die von der Ideologie des global-jihaditischen Islamismus ausgehen kann und selbst Außenstehende, wie Omar Nasiri es war, anziehen kann. Drittens: wie einfach es für den Autoren war, in das Camp zu kommen. Nach Pakistan geflogen, hierhin gegangen, dort mit jemandem gesprochen, und flugs, war er drin. Viertens: die Stümperhaftigkeit, mit der die großen europäischen Sicherheitsdienste in der zweiten Hälfte der Neunziger der Bedrohung durch islamistische Terroristen gegenüber standen. Bleibt zu hoffen, dass die Damen und Herren seitdem etwas dazu gelernt haben.

Mittwoch, 7. September 2011

Hümeyra

Oder: Osttürkei. Westtürkei. Deutschland. USA?

Hümeyra ist Mitte Zwanzig. Sie ist in [Stadt in Deutschland] geboren und hat einen Bruder, der ein Jahr älter ist als sie. Ihre Großeltern waren vor Jahren aus dem Osten der Türkei nach [Stadt in der Westtürkei] gekommen. Auf der Suche nach Arbeit kam ihr Großvater vor Jahrzehnten dann nach Deutschland. Holte seinen Sohn, als die Situation in der Türkei nach einem der Putsche für junge Leute gerade mal wieder unsicher aussah, nach. Und schließlich auch die junge Frau des Vaters. Sechzehn war sie, als sie heiratete; er nur ein Jahr älter als sie.

Schwieriger Start

Es muss schwierig gewesen sein für Hümeyras Mutter, damals in den ersten Jahren. Jung war sie, so jung, mit zwei kleinen Kindern, in einem fremden Land, mit zwei Männern, die bis vor kurzem auch noch Fremde waren für sie. Sie blieb bei den Kindern zu Hause, aber als sie in der Schule waren, begann sie, Deutsch zu lernen und ihren Realschulabschluss nachzuholen. Sie bekam eine Stelle bei der Deutschen Bank und arbeitete sich in den nächsten Jahren langsam hoch. Ihr Mann hätte in der Türkei vielleicht studiert. Hier, in Deutschland, musste er arbeiten, um seine Familie durchzukriegen. Er ist bis heute Lagerarbeiter.

Erster Schritt: Abitur

Hümeyras Bruder kam aufs Gymnasium. Er hatte dort aber Schwierigkeiten und wurde schließlich wieder zurückgestuft. Die Erfahrung wollte Hümeyras Mutter nicht noch einmal machen und schickte ihre Tochter gleich auf die Realschule. Im Nachhinein glaubt Hümeyra, dass das ein Fehler war. Sie hatte auf der Realschule ausgezeichnete Noten, aber der Übergang zum Gymnasium fiel ihr schwer. Mit viel Fleiß, Durchsetzungswillen und Unterstützung von Freunden hat sie es dennoch geschafft.

Zweiter Schritt: Studium

Nach dem Abitur begann sie Physik und Musik auf Lehramt zu studieren. Sie schaffte das Studium in der Regelstudienzeit, machte nebenbei noch eine Ausbildung in Montessoripädagogik und absolvierte Praktika an einer der renommiertesten Privatschulen ihrer Stadt. In der Zwischenzeit hatte sie Yasin kennen gelernt. Der hatte Ingenieurwissenschaften studiert, noch ein bisschen Zeit bis zum Studienabschluss und studierte deshalb ein halbes Jahr Spanisch in Madrid.

Englisch lernen in Cambridge

Etwas später planten Hümeyra und Yasin ihre Verlobung. Zu dem Zeitpunkt waren die Familien bereits involviert. Hümeyra war es wichtig, vor der Verlobung, sie war gerade mit dem Studium fertig geworden, für einige Zeit ins Ausland zu gehen. Sie wollte ihr Englisch verbessern. Yasins Eltern waren von der Idee nicht angetan, aber schließlich setzte Hümeyra sich durch und fuhr für zwei (oder waren es drei?) Monate zum Englisch lernen nach Cambridge.

Wie weiter?

In der Zwischenzeit sind Hümeyra und Yasin seit einigen Jahren verheiratet. Sie hat ihr Referendariat absolviert und anschließend eine Stelle gefunden. Nebenbei macht sie einen Master in Islamischer Religionspädagogik. Yasin steht kurz davor, seine Promotion zu Ende zu bringen. Er war in der Vergangenheit oft frustriert gewesen, in Deutschland immer noch "der Türke" zu sein und hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, in die Heimat seiner Eltern zurück zu gehen. Jetzt besteht für ihn eventuell die Möglichkeit, für einige Zeit an eine der besten Universitäten in seinem Fach in den USA zu gehen. Wenn er dort war, stehen ihm, aus akademischer Sicht, alle Türen offen. Hümeyra überlegt schon, ob sie ihn dann dorthin begleiten wird oder lieber ihrer Stelle zuliebe in Deutschland bleiben soll. Reizen würde sie es schon, eine Zeit in den USA zu leben, und mit ihm zusammen zu sein, ist ihr wichtig - ihr Job aber auch.

Dienstag, 6. September 2011

Montag, 5. September 2011

Letztens gelesen (11)

Bas Böttcher: Die Poetry-Slam-Expedition. Ein Text-, Hör- und Filmbuch. Braunschweig: Schrödel, 2009.

Slam Poetry (oder auch Spoken Word Poetry) habe ich zum ersten Mal vor Jahren in Paris erlebt. Auf der Bühne stand Kamila, eine große, schlanke Frau in ihren Dreißigern, in schwarz-silbernem Kleid und passendem Hijab, dunkle Haut, sie stammte aus der Karibik und war vor einiger Zeit zum Islam übergetreten. Unglaublich schön war sie und strahlte eine Kraft und Souveränität aus, wie man sie nur selten sieht. Sie stand auf der Bühne und warf mit Worten nur so um sich, ich war gefesselt. Und natürlich kannte ich von vorher schon Freestyle Rap und wusste, wie faszinierend es sein kann, wenn jemand auf solch eine Art mit Worten jonglieren kann.

Bas Böttcher war einer der Pioniere des deutschen Poetry Slam. In Die Poetry-Slam-Expedition sind einige seiner - soll man sagen? - Gedichte abgedruckt, der Großteil des Buchs besteht allerdings aus Hintergrundtexten zum Poetry Slam, einer geschichtlichen Übersicht, Interviews mit dem Autoren und einem Glossar. Außerdem liegt dem Band eine DVD und CD bei, weil Slam Poetry eigentlich gehört und gesehen werden muss. Das sieht dann so aus, so, so oder so. Manchmal auch so oder so. Sprachgewaltig, meistens witzig und oft gesellschaftskritisch.

Sonntag, 4. September 2011

Zehn Leben, zehn Geschichten

The Jewish Museum
London, September 2011

Das jüdische Museum London liegt in Camden Town, im Norden der Stadt. Von der U-Bahnstation Camden Town läuft man fünf, zehn Minuten durch den quirligen, hippen Stadtteil, vorbei an Sushi-Bistros, Secondhandläden, Biogeschäften, kleinen indischen Restos und dem obligatorischen Pub - bis man in einer Seitenstraße vor dem Museum steht. Gegründet wurde die Einrichtung 1932, seitdem hat es einige Umzüge, Ausbauten und Fusionen hinter sich. Neben den vier permanten Ausstellungen (zur Religion des Judentums, zu britisch-jüdischer Geschichte seit dem 11. Jahrhundert, zum Holocaust und der Welcome Gallery) werden zurzeit unter dem Titel Entertaining the Nation jüdische TV-, Musik- und Bühnen-Stars von heute und ehemals vorgestellt. Außerdem führt ein Link auf der Webseite zur Online-Ausstellung Yiddish Theatre in London.

Zehn jüdische Gesichter und Geschichten

Kostenlos zugängig ist die Welcome Gallery im Eingangsbereich des Museums, in der auf fünf großen Bildschirmen zehn jüdische Briten vorgestellt werden. Ben H., der in Polen geboren wurde, den Holocaust überlebte, danach in Großbritannien als Gewichtheber erfolgreich war, sein Land schließlich sogar zweimal während der Olympischen Spiele vertrat und heute in der holocaust education aktiv ist. Hannah, die in die Oberstufe der ältesten jüdischen Schule in London geht. Lance, der in der vierten Generation ein Familienunternehmen für geräuchterten Lachs führt, dessen Vorfahren aus Odessa stammen, und der wahnsinnig gerne mal Hummer essen würde - was ihm seine Religion aber verbietet.

Jüdische Geschichte, chinesische Kultur

Jonathan, der Journalist ist und für den Guardian und die Jewish Chronicle schreibt, dessen Mutter aus Palästina stammt, während die Familie des Vaters seit Jahrhunderten lebte, und der am Jüdischsein schätzt, das man gut nachvollziehen kann, wie andere Minderheiten in Europa fühlen. Ben S., der im East End geboren wurde, damals, als dort noch vor allem jüdische Familien lebten, der lange in Israel gelebt und in zwei israelisch-arabischen Kriegen gekämpft hat, heute in London als Taxifahrer arbeitet, und auf lange Sicht wieder nach Israel zurück will. Bing, die aus Hongkong stammt, zum Studium nach London kam, dort ihren Mann kennen lernte, zum Judentum übertrat und heute als Hausfrau ihren drei Söhnen sowohl jüdische Geschichte als chinesische Kultur nahebringt.

Flora aus Bagdad, Daniel aus Irland

Flora, deren Eltern aus Bagdad stammen, von dort nach Indien flüchteten, wo sie geboren wurde, die in den letzten Jahren 19 Marathons gelaufen ist, Urgroßmutter ist und in der jüdischen Bildungsarbeit aktiv ist. Daniel, dessen Mutter aus Irland kommt, der sich in einer jüdischen Jugendbewegung engagiert; Ellie, die eine Karriere in der britischen Armee hinter sich hat und mit klarer Stimme sagt, dass sie selbstverständlich beides ist, britisch und jüdisch, jüdisch und britisch. Und Rabbi Gluck, ein Ultraorthodoxer mit dem typischem schwarzen Hut und wallendem Bart, der nebenbei eine Patisserie führt, das Muslim-Jewish Forum mitgegründet hat und meint, dass wir - diese Gesellschaft - uns nicht auf Unterschiede fixieren sollten und dann diesen Satz sagt: "Let us celebrate what we have in common!"

Perspektivwechsel

Der Film, der die zehn Personen vorstellt, läuft 20 Minuten - und dann wieder von vorn. Auf den fünf übermannsgroßen Bildschirmen laufen gleichzeitig fünf verschiedene Ausschnitte der gleichen Szene, eine tolle Technik, die zum genauen Hingucken, Herumlaufen und Perspektivenwechseln anregt. Einziger Minuspunkt ist die schlechte Akkustik - teilweise ist kaum zu sagen, was die Protagonisten zu erzählen haben.

Samstag, 3. September 2011

Spuren im Sand


"Eines Nachts hatte ich einen Traum: Ich ging am Meer entlang mit meinem Herrn [Gott ist gemeint]. Vor dem dunklen Nachthimmel erstrahlten, Streiflichtern gleich, Bilder aus meinem Leben. Und jedes Mal sah ich zwei Fußspuren im Sand, meine eigene und die meines Herrn. Als das letzte Bild an meinen Augen vorübergezogen war, blickte ich zurück.

Ich erschrak, als ich entdeckte, daß an vielen Stellen meines Lebensweges nur eine Spur zu sehen war. Und das waren gerade die schwersten Zeiten meines Lebens. Besorgt fragte ich den Herrn: „Herr, als ich anfing, dir nachzufolgen, da hast du mir versprochen, auf allen Wegen bei mir zu sein. Aber jetzt entdecke ich, daß in den schwersten Zeiten meines Lebens nur eine Spur im Sand zu sehen ist. Warum hast du mich allein gelassen, als ich dich am meisten brauchte?“

Da antwortete er: „Ich liebe dich und werde dich nie allein lassen, erst recht nicht in Nöten und Schwierigkeiten. Dort, wo du nur eine Spur gesehen hast, da habe ich dich getragen.“

Margaret Fishback Powers

Freitag, 2. September 2011

50 Jahre


Vor 50 Jahren und einem Tag trat das deutsch-tuerkische Anwerbeabkommen, das den Zuzug von "Gastarbeitern", wie man damals sagte, aus der Tuerkei regelte, in Kraft. Viele kamen, manche blieben und holten ihre Familien nach. So kam es, dass heute in Deutschland Deutschtuerken der ersten, zweiten, dritten und vierten Generation leben. So wie Tuelin, die in Berlin einen Onlineshop betreibt und keine Lust auf hysterische Diskussionen hat, Ayse, deren Kopftuch sie nicht daran hindert, als Geschaeftsfuehrerin eines Kreuzberger Cafes zu arbeiten oder Huriye, die Schneiderin ist und vor Jahren nach der Rueckkehr in die Tuerkei wieder nach Deutschland kam - weil das in der Zwischenzeit Heimat geworden war: Eine Fotostrecke der taz.