Samstag, 31. Juli 2010

Fahrverbot

Als Frau darf man in Saudiarabien nicht Auto fahren. Das schreibt der Islam vor und macht auch sonst Sinn.

Nicht überzeugt? Dann schaut mal hier. Abu Pokemon erklärt's euch.

Freitag, 30. Juli 2010

Muslim sein

Einer meiner Lieblingshadithe ist dieser hier:
"Anas Ibn Maalik (Allahs Wohlgefallen auf ihm) berichtete: Ein Beduine kam und urinierte in eine Ecke der Moschee. Die Leute brüllten ihn an, doch Allahs Gesandter (Allahs Friede und Heil auf ihm) stoppte sie. Als er (der Mann) sein Urinieren beendet hatte, verlangte der Prophet (Allahs Friede und Heil auf ihm) nach einem Eimer Wasser, welcher darüber gegossen wurde. Dann rief der Prophet (Allahs Friede und Heil auf ihm) den Araber zu sich und sagte zu ihm: „Diese Moscheen sind keine Orte für Urin oder Schmutz, sondern nur für das Gedenken an Allah, zum Beten und Rezitieren des Quran.“ Oder der Gesandte Allahs (Allahs Friede und Heil auf ihm) sagte Ähnliches. Der Araber erwiderte: "O Allah, sei mit mir und Muhammed barmherzig, jedoch mit keinem von den anderen.“"
So. Und jetzt stellt euch vor, was los wäre, wenn heute einer ankäme und in eine Moschee pinkeln würde.

Ja, genau.

Es gibt noch viel zu tun.

Donnerstag, 29. Juli 2010

Ein Nachmittag in Whitechapel

Ich habe ein neues Lieblingsviertel in London: Whitechapel. Sagt euch der Name Barbès etwas? Was in Paris die Gegend um den Boulevard Barbès ist, ist in London die Whitechapel Road. In Paris sind es marokkanische und algerische Franzosen, die das Straßenbild bestimmen, in Whitechapel dominieren die bengalischen und indischen Briten. Eine Straße voll mit Menschen, Kopftüchern, shalwar kameez, langen arabischen Gewändern, Gesichtsschleiern. Da vorne ist ein "Weißer" und hier drüben noch einer, aber ansonsten ist London hier braun und so multikulti wie man es außer von Paris von keiner anderen westeuropäischen Stadt kennt.

Das Herz des Viertels ist der Markt auf der einen Seite der Whitechapel Road, der jeden Tag - außer sonntags - bis 18 Uhr geöffnet hat. Kaum hat man den tube-Bahnhof Whitechapel verlassen, ist man schon mittendrin. Kopftücher werden hier verkauft, Abayas, Leggins, Unterwäsche, Kinderkleider, bunte Röcke, Maxikleider und Strickjacken, indische Saris und shalwar kameez, billiger Plastikschmuck, etwas teuerer Silberschmuck, Handyschalen, Schlüsselanhänger, Putzmittel, Plastikkörbe, Kochtöpfe, Klebeband, Bollywood-Filme, Süßigkeiten, Obst, Gemüse, Gewürze, frischer Fisch, Plastikpuppen, Kuscheltiere, Fernsteuerautos - alles, was man eben braucht oder auch nicht.

Gesäumt ist die Markstraße von zum größten Teil ziemlich heruntergewirtschafteten Backsteinhäusern, die überwiegend gegen Ende des 19. Jahrhunderts erbaut wurden. In einigen der Gebäuden wird im Erdgeschoss noch ein Büro betrieben, während zwei Stockwerke weiter oben die Fenster schon lange keine Scheiben mehr haben und der Blick frei ist auf die bereits herunter gebrochene Zwischendecke. In den kleinen Bistros und Schnellimbissen gibt es südasiatisches Essen - und (angeblich) halal Fastfood.

Auf dem Nachhauseweg fällt mir auf, dass man sich hier auf dem Markt - ganz anders als auf dem Barbès - als Frau bewegen kann, ohne alle fünf Meter ein "miez-miez", "mashaallah" oder "mmmmh" hinterher gerufen, geflüstert, gesummt bekommt. Was macht den Unterschied? Sind die Südasiaten anders als die Maghrebiner? Die Briten anders als die Franzosen? Die Frage bleibt mir im Kopf, bis mich der rote Bus, der die Haltestelle ansteuert, an der das Lieschen und ich warten, aus meinen Gedanken reißt.

Mittwoch, 28. Juli 2010

Wo

... ist der Knopf zum Ausschalten - bei Eva Hermann? Dass Frau Hermann eine der ganz besonderen Sorte ist, war mir seit einer Weile bekannt. Nach diesem Artikel von ihr zum Unglück auf der Loveparade frage ich mich allerdings ernsthaft, ob es noch schlimmer kommen kann.

Dienstag, 27. Juli 2010

Zwischenfall

Hat hier eigentlich irgend jemand etwas von dem Angriff auf das Marwa-Elsherbini-Denkmal in Dresden mitbekommen? Das in Gedenken an den Mord an der Ägypterin errichtete Mahnmal wurde vor ein paar Tagen von unbekannten Tätern teilweise zerstört.

Mag sein, dass das nur ein Dummerjungenstreich war, ein ungutes Gefühl hinterlässt es doch.

Montag, 26. Juli 2010

Chipscola

Und dann war da noch diese Frau auf dem kleinen Platz vor dem Supermarkt, die ihren im Buggy sitzenden Sohn (drei Jahre? vier?) erst anbrüllte, er solle jetzt endlich die Klappe halten, ihm dann den Schnuller aus dem Mund riss und eine Flasche Cola in die Hand drückte: "Trink jetzt und geb Ruhe!".

Der Kleine griff nach der Flasche, setzte sie an den Mund und schluckte, und während ich ihn mir ansah, überlegte ich noch einmal, wie alt er sein könnte. Ich meine: Entweder ist er alt genug, um Cola zu trinken, dann waren aber Schnuller und Buggy fehl am Platz. Oder er war noch im Schnuller-Buggy-Alter - was sollte aber dann die Cola?

Auf dem Spielplatz hier um die Ecke breche ich regelmäßig in Panikanfälle aus, wenn mal wieder eine Mama Chips an die Kleinen verteilt. Was, wenn sie jetzt auf die Idee kommt, dem Lieschen etwas davon anzubieten? Wie würde ich dem Lieschen erklären, dass sie das nicht darf (müsste noch hinzukriegen sein), dass der Mama verklickern (unter Umständen schon schwieriger), vor allem ohne ihr dabei zu sagen, dass Chips halt nicht sind für ein Kind in dem Alter (unhöflich-überheblich-missionarisch will ich ja auch nicht sein)?

Im Health Centre hier um die Ecke lagen eine Menge Broschüren über gesunde Ernährung herum. Idiotensicher erklärt (so ungefähr auf "Dieser Käse enthält Milch"-Niveau) mit bunten Bildchen im netten Design. Man kann sogar, als Sozialhilfeempfänger oder teen mum kostenlose Gutscheine für frisches Obst, Gemüse und Milch beantragen. Wenn es von der Sorte Leute hier noch viel mehr gibt, dann scheinen solche Kampagnen dringend nötig zu sein. - Aber ob hübsche Broschüren und selbst diese Gutscheine da wirklich was bringen?

Samstag, 24. Juli 2010

Freitag, 23. Juli 2010

Ground Zero, die Moschee und so

Darf in der Nähe der Stelle, an der einst das World Trade Center stand, eine Moschee eröffnet werden?

Man könnte jetzt sagen: "Hä? Wie bitte?!"
Oder auch: "Darf man als deutscher Innenminister auf einer Geschäftsreise eine rosa Krawatte tragen?" - "Darf man als Lehrerin in einem Gymnasium eine gestreifte Leinenhose tragen?" - "Darf man als junge Mutter seinem einjährigen Kind Karottenbrei füttern?"

Nein, die Frage wird zurzeit allen Ernstes in New York debattiert. Ein Kommentar über die Debatte findet sich in der Online-Ausgabe der New York Times.


Der Kommentar ist lesenwert, auch für uns hier in Europa, weil die Art der Argumentation, die hier beschrieben wird ("Wir müssen gegen den Bau dieser Moschee protestieren, weil der Imam, der dort predigen würde, einen Onkel hat, dessen Schwester die Witwe von XY ist, der vermutlich Spendengelder an die Hamas weitergeleitet hat"), auch von Muslimbashern in Europa immer mal wieder gerne angewandt wird.

Donnerstag, 22. Juli 2010

Mütter-Courage

"Fünf Mütter werden mitten im Studium gleichzeitig schwanger und so zur Schicksalsgemeinschaft. Ein Jahr zwischen dem Anspruch, eine gute Mutter und eine gute Studentin zu sein." Mehr...


Auweia, geht's mir bald auch so? Aber das Lieschen ist ja schon groß und kein Baby mehr...

Mittwoch, 21. Juli 2010

Bald

Bei uns im Supermarkt werden da, wo sonst die Äpfel stehen, jetzt Dattelnkisten in Großfamiliengröße verkauft. - Noch knapp drei Wochen bis zum Beginn des Ramadhan.
Bild: Looi

"Abu Huraira related that the Prophet (peace and blessings be upon him) said: Whoever fasts during Ramadan with faith and seeking his reward from Allah will have his past sins forgiven. Whoever prays during the nights in Ramadan with faith and seeking his reward from Allah will have his past sins forgiven. And he who passes Lailat al-Qadr in prayer with faith and seeking his reward from Allah will have his past sins forgiven" (überliefert nach Bukhari, Muslim).

Sonntag, 18. Juli 2010

Wusch - und weg

Regel Nummer 1: Lass ein Kleinkind keine Sekunde - keine Sekunde! - aus den Augen. Ich hab das Lieschen jetzt schon seit einer ganzen Weile und ein Kleinkind ist sie jetzt auch schon länger als seit gestern - ich hätte es also wissen müssen. Ich hätte wissen müssen, dass Regel Nummer 1 immer gilt, jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde, von morgens, wenn sie aufwacht, bis abends, wenn sie bei mir im Arm einschlummert. Ich hätte.

Das Lieschen und ich stehen im Bad, ich will sie gleich baden und ihre Haare waschen. Alles steht schon bereit, ein Handtuch, das Shampoo, gleich kann ich das Wasser einlassen. Kennt ihr diese "falschen Ärmel" (ich finde jetzt kein gescheites Bild online, das sind halt so unterarmlange Stoffschläuche)? Die gibt es in vielen "türkischen" Billigläden zu kaufen, und heute habe ich so welche getragen, weil das Hemd, das ich anhatte, nur Dreiviertelärme hatte (und so kannste ja nicht auf die Straße, als Hardcore-Muslima...).

Anstatt meine Ärmel hochzukrempeln habe ich also diese Dinger abgestreift, da lagen sie nun, auf dem Badezimmerteppich. Das Stück Toilettenpapier, das ich in der Hand halte, knülle ich zusammen und werfe es in die Toilette. Drücke die Spültaste. Und just in diesem Moment, die Taste ist schon gedrückt und es rauscht noch, sehe ich etwas Weißes im gurgelnden Wasserstrom verschwinden. Reflexartig rufe ich: "Lieschen! Nein!" ... aber da schwimmen sie schon richtig Ärmelkanal, meine falschen Ärmel...

Bleiben die Fragen: Eins - Übersteht das das englische Abwasserrohr ohne ernste Verstopfung? Und zwei - Wie sage ich's meinem Vermieter? Außerdem die Gewissheit: Regel Nummer 1. Immer. Beachten. Jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde.

Donnerstag, 15. Juli 2010

Religion statt Rasse

Intoleranz gegenüber Religionen ist der "neue Rassismus" - meint die australische Herald Sun und beruft sich auf einen Bericht der Londoner Minority Rights Group: Danach werden Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt in vielen Fällen nicht mehr wie früher mit der "minderwertigen Rasse" der Betroffenen rechtfertigt, sondern mit ihrer Religion. Mehr hier.

Mittwoch, 14. Juli 2010

Lieblingsblog (07)

Mein Lieblingsblog ist diesen Monat Organic Muslimah, was auf Deutsch so viel heißt wie "Bio-Muslimin". Autorin ist "Organica", eine junge arabisch-amerikanische Muslimin. Auf ihrem Blog schreibt sie bereits seit vier Jahren. Das Layout ist leserfreundlich, sie macht schöne Fotos (siehe hier, hier, hier), aber das Beste an ihrem Blog sind die Texte. Weil sie nämlich über die Themen schreibt, über die man sich als Muslim im Westen Gedanken machen sollte, die aber so oft umgangen, schön oder weg geredet werden.

Umweltbewusstsein zum Beispiel, Antisemitismus, die (Un)professionalität vieler Moscheen, die Überheblichkeit so mancher Muslima, die glaubt, ihr Kopftuch mache sie zu einem besseren Menschen; wie das so läuft zwischen Ihm und Ihr vor der Hochzeit - d.h. wie es laufen sollte und wie es läuft. In einem Post entwirft sie sogar einen Vorschlag für eine Moschee der Geschlechtergleichheit. Das mag so manchem mainstream-Muslim zu weit gehen, aber wert, gelesen zu werden, sind es ihre Gedanken doch - auch zu diesem Thema.

Dienstag, 13. Juli 2010

In meinem Kühlschrank

Dieses Land gefällt mir immer besser. Wisst ihr, was die allen Ernstes auf die Käsepackungen hier schreiben: "contains milk" - ach echt, nee, da wär ich aber nicht drauf gekommen. Und auf der Ananassaftpackung, die hier im Kühlschrank steht, haben sie geschrieben: "suitable for vegetarians" - he he he, das gefällt mir!

Montag, 12. Juli 2010

Islamisch sparen

Cool. Seit heute Nachmittag habe ich endlich ein britisches Bankkonto. Aber nicht einfach irgend eines, sondern ein islamisches Bankkonto. Das wird hier nämlich angeboten: Keine Zinsen, kein Dispo, Geld wird - angeblich - nur schariakonform angelegt. Inwiefern das alles wirklich koscher ;) ist, ist eine andere Frage. Aber der Gedanke an ein islamisches Bankkonto gefällt mir...

Sonntag, 11. Juli 2010

Sommer in London

Es ist ein Uhr mittags, als ich mit dem Lieschen an der Hand das Haus verlasse. Draußen auf der Straße schlägt uns die vom Asphalt reflektierte Hitze entgegen. Kein Mensch ist zu sehen. Das Gras zwischen Bürgersteig und Hauswänden ist gelb verdörrt: London spart und hat kein Geld, seine Parks und Gründflächen zu wässern. An der Ecke zur nächsten Querstraße ertönt hinter uns das Tingel-di-dingel-di-ding eines kleinen, bunt bemalten Buses: ice cream, hot dogs und soft drinks gäbe es hier zu kaufen.

Im nahen Supermarkt strömen von Kopf bis Fuß in strahlend pinke shalwar kameez verpackte Pakistanerinnen an vormals weiß, jetzt krebsroten englischen Britinnen im Miniminiminirock und passendem Schultertattoo durch die Regalreihen. Hier ist es gefühlte 10 Grad kälter als dort draußen. Ich spiele für ein paar Sekunden mit dem Gedanken, die Pläne für einen Nachmittag im Park fallen zu lassen und mich stattdessen vor einem der offenen Kühlregale hier im Supermarkt zu platzieren. Dann greife ich nach zwei 2-Liter-Flaschen Mineralwasser (die kosten hier 17 pence; in Deutschland zahlt man 19 Cent für 1,5 Liter - warum?) und mache mich auf den Weg in Richtung Kasse.

Mittwoch, 7. Juli 2010

Mäßut Ösil

So, Deutschland ist draußen. Vielleicht reicht es am Samstag noch für Platz Drei, in jedem Fall haben wir jetzt erst einmal ein paar Tage Verschnaufpause. Zeit, die man nutzen könnte, zum Beispiel für ein kleines Sprachtraining: Leute, es heißt nicht "Meeeeesuuuuuut" mit weichem s wie in Sahne oder Saft, sonern "Mäßut" mit kurzem e also, scharfem s wie in Messe und kurzem u. Meeeeesuuuuuut - da hätte es nur noch gefehlt, dass die aus Özil (sprich: "Ösil") einen "Ötzil" gemacht hätten... Ganz toll integriert, nur wegen der paar Tore? Von wegen, die machen sich hier nicht einmal die Mühe, eure Namen richtig auszusprechen.

Also Leute, "Mäßut Ösil" - so schwer ist das nicht. Bei Ciabatta, Latte Macchiatto und Co. haben wir es doch auch geschafft.

Dienstag, 6. Juli 2010

Letztens gelesen (06)

Anne Donath: Wer wandert, braucht nur, was er tragen kann. Bericht über ein einfaches Leben. München: Piper, 2009 (5. Auflage).

Kein Strom, kein Gas, keine Heizung, kein Telefon. Kein Auto. Eine kleine Holzhütte mit einem Zimmer, zum Schlafen ein Fell auf dem Boden, eine Feuerstelle im Garten vor dem Haus. Keine Stühle, kein Tisch, kein Bad. So lebt Anne Donath seit Anfang der 1990er. Nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil sie nicht mehr leben wollte, nur um zu arbeiten. Drei Monate im Jahr arbeitet sie festangestellt in einem Krankenhaus, den Rest des Jahres hat sie frei - und nutzt die Zeit oft zu langen Reisen. Verstanden, dass es nicht viel braucht zum Leben, hat sie auf ihren Reisen durch Nordafrika.

Neben einem ersten Teil, in dem Anne Donath über ihren Alltag und die Vorbereitungen auf das neue Leben berichtet, besteht das Buch aus fragmentarischen Textstücken, in denen sie in Momentaufnahmen von ihren Reisen und der Veränderung, die sie langsam durchmachte, berichtet. Ein nettes Buch, das zum Nachdenken anregt - auch wenn man zu dem Schluss kommt, dass man selbst so nicht leben möchte.

Montag, 5. Juli 2010

AggroLotte

Seit neustem sind Lieselottes Texte auch auf der Seite AggroMigrant zu finden. Das ist ein Projekt einer Reihe junger Autoren, die genug haben von dem, was zurzeit so in Presse, TV und im Web zum Thema Migranten, Islam, Integration zum besten gegeben wird - und selbst was dazu sagen wollen. Lieselotte ist zwar nicht aggro (meistens jedenfalls nicht) und auch kein Migrant (aber das sind ja viele, die hierzulande mit diesem Begriff bezeichnet werden, nicht), aber zu diesen Themen habe ich etwas zu sagen. Meine Texte auf AggroMigrant sind hier zu finden, die der anderen Autoren dort, und da könnt ihr was zum Blog und seinem Gründer lesen.

Sonntag, 4. Juli 2010

Was heißt Toleranz?

"Was heißt Toleranz?
Vom Umgang mit kultureller und religiöser Toleranz"
Prof. Dr. Rainer Forst / Feridun Zaimoğlu / Peter Siller
Frankfurt am Main, Deutschland, 27. Mai 2010

Ende Mai machte ich mich mit dem Lieschen auf dem Weg in die Räume des Frankfurter Kunstvereins. Feridun Zaimoğlu und ein Frankfurter Politik- und Philosophie-Prof sollten im Rahmen des Frankfurter Stadtgesprächs zum Thema Toleranz sprechen - toll, Zaimoğlu wollte ich schon lange mal live sehen. Ich kannte von ihm die Sammlung von Erzählungen "Zwölf Gramm Glück", die mir ganz gut gefallen hatte und das nächste Mal war er mir bei der Diskussion um die Islamkonferenz positiv aufgefallen. Die Veranstaltung begann mit der Lesung einer seiner Kurzgeschichten - schön.

In der darauffolgenden Diskussion war ich nicht mehr so wirklich angetan. Peter Siller, der Moderator des Podiumsgesprächs meinte an einer Stelle kritisch in Bezug auf die eigene Person und das Publikum, das aus ein paar Studenten und ner Menge gut situierter Frankfurter mit tollen Jobs und Interesse an Kunst und Kultur bestand: "Na ja, man sitzt dann hier im Frankfurter Kunstverein, spricht ein bisschen über Toleranz und Diskriminierung, und nach der Veranstaltung fahren wir dann wieder nach Hause in unsere tolle Altbauwohnung im Westend". Das Publikum lachte und klatschte Beifall, aber Zaimoğlu schien nicht einverstanden: Nein, wieso, es müsse nicht immer alles Multikulti sein, man habe auch ein "Recht auf Ruhe": Tür zu, Kopftuch, Türken und so weiter bleiben draußen. - Ein "Recht auf Ruhe"? Hä? Wir reden wir hier von Toleranz und davon, dass Leute diskriminiert werden, und der Mann spricht von nem Recht auf Ruhe? Da war ich nicht mit einverstanden. Ich fand die Ultralinken in [der Stadt, in der ich im Osten studiert habe] auch komisch, aber ich habe nichts von nem Recht auf Ruhe gefaselt, sondern bin mit ihnen auf die Straße gegangen um gegen die Ultrarechten zu demonstrieren - auch wenn ich dann da mit meinem Anti-Nazi-Transparent neben nem ehemaligen SEDler stand. Und von so welchen, das könnt ihr mir glauben, hätte ich auch gerne meine Ruhe gehabt.

Der Prof hat mir da schon besser gefallen. Wissenschaftliche Sachlichkeit - das ist es eben, was man bei dem Thema braucht. In seinem Einstieg in die Diskussion hat er sich erst mal des Begriffs angekommen. Und Goethe zitiert:
"Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein; sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen."
Toleranz bestehe aus drei Komponenten: Zum einen müsse man sich überlegen, was es sei, was einen an einer Sache oder Person störe. Ohne dieses Sich-gestört-Fühlen kann von Toleranz keine Rede sein; wenn alles prima ist, ist man nicht tolerant, sondern nur, wenn etwas ertragen wird, was erst einmal Bauchschmerzen verursacht hat. Zweitens muss ein Grund gefunden werden, weshalb man die Quelle des Ärgers trotzdem ertragen möchte und drittens sollte man sich der Grenzen der eigenen Toleranz bewusst sein. Darauf, wie man diese Komponenten ausfüllt, käme es an, sonst könnte der Begriff schnell auch ins Negative abrutschen. Dass sei ähnlich wie zum Beispiel bei der "Solidarität", die ja auch nicht per se etwas Positives bedeute: sein Negativbeispiel hier waren eng gestrickte Mafiabande). Und schließlich käme es darauf an, von einer hierarchischen Toleranz zu einer Toleranz zwischen Partnern auf Augenhöhe zu kommen - was schließlich zum Begriff der Gerechtigkeit führe, die hier zentral sei.

Es hat dann noch einmal Zaimoğlu gesprochen, dann wieder Forster und zwischendurch auch Siller, aber ich habe nicht mehr viel mitbekommen, weil das Lieschen angefangen hat zu meckern und ich meinen Platz in einer der besten Reihen aufgeben musste, um zu versuchen, sie irgendwo im Vorraum zu beruhigen. Während der Diskussion mit dem Publikum ging noch einmal die Post ab, weil da so mancher "Islamkritiker" ("Islambasher" würde es ja eher treffen) seine Meinung zum Besten gab.

Ich bin dann bald gegangen. Mit dem unguten Gefühl, dass es in der Diskussion viel zu sehr um den Islam gegangen war und dass kaum einer - der Prof hatte es einmal kurz angesprochen, aufgegriffen wurde es dann aber so lange ich im Raum war nicht wieder - darauf eingegangen war, dass kulturelle Differenzen nicht nur zwischen "Deutschen" und "Türken" bestehen, sondern oft genauso oder noch mehr zwischen zwei "deutschen" Nachbarn im Westend.