"Was heißt Toleranz?
Vom Umgang mit kultureller und religiöser Toleranz"
Prof. Dr. Rainer Forst / Feridun Zaimoğlu / Peter Siller
Frankfurt am Main, Deutschland, 27. Mai 2010
Vom Umgang mit kultureller und religiöser Toleranz"
Prof. Dr. Rainer Forst / Feridun Zaimoğlu / Peter Siller
Frankfurt am Main, Deutschland, 27. Mai 2010
Ende Mai machte ich mich mit dem Lieschen auf dem Weg in die Räume des Frankfurter Kunstvereins. Feridun Zaimoğlu und ein Frankfurter Politik- und Philosophie-Prof sollten im Rahmen des Frankfurter Stadtgesprächs zum Thema Toleranz sprechen - toll, Zaimoğlu wollte ich schon lange mal live sehen. Ich kannte von ihm die Sammlung von Erzählungen "Zwölf Gramm Glück", die mir ganz gut gefallen hatte und das nächste Mal war er mir bei der Diskussion um die Islamkonferenz positiv aufgefallen. Die Veranstaltung begann mit der Lesung einer seiner Kurzgeschichten - schön.
In der darauffolgenden Diskussion war ich nicht mehr so wirklich angetan. Peter Siller, der Moderator des Podiumsgesprächs meinte an einer Stelle kritisch in Bezug auf die eigene Person und das Publikum, das aus ein paar Studenten und ner Menge gut situierter Frankfurter mit tollen Jobs und Interesse an Kunst und Kultur bestand: "Na ja, man sitzt dann hier im Frankfurter Kunstverein, spricht ein bisschen über Toleranz und Diskriminierung, und nach der Veranstaltung fahren wir dann wieder nach Hause in unsere tolle Altbauwohnung im Westend". Das Publikum lachte und klatschte Beifall, aber Zaimoğlu schien nicht einverstanden: Nein, wieso, es müsse nicht immer alles Multikulti sein, man habe auch ein "Recht auf Ruhe": Tür zu, Kopftuch, Türken und so weiter bleiben draußen. - Ein "Recht auf Ruhe"? Hä? Wir reden wir hier von Toleranz und davon, dass Leute diskriminiert werden, und der Mann spricht von nem Recht auf Ruhe? Da war ich nicht mit einverstanden. Ich fand die Ultralinken in [der Stadt, in der ich im Osten studiert habe] auch komisch, aber ich habe nichts von nem Recht auf Ruhe gefaselt, sondern bin mit ihnen auf die Straße gegangen um gegen die Ultrarechten zu demonstrieren - auch wenn ich dann da mit meinem Anti-Nazi-Transparent neben nem ehemaligen SEDler stand. Und von so welchen, das könnt ihr mir glauben, hätte ich auch gerne meine Ruhe gehabt.
Der Prof hat mir da schon besser gefallen. Wissenschaftliche Sachlichkeit - das ist es eben, was man bei dem Thema braucht. In seinem Einstieg in die Diskussion hat er sich erst mal des Begriffs angekommen. Und Goethe zitiert:
"Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein; sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen."Toleranz bestehe aus drei Komponenten: Zum einen müsse man sich überlegen, was es sei, was einen an einer Sache oder Person störe. Ohne dieses Sich-gestört-Fühlen kann von Toleranz keine Rede sein; wenn alles prima ist, ist man nicht tolerant, sondern nur, wenn etwas ertragen wird, was erst einmal Bauchschmerzen verursacht hat. Zweitens muss ein Grund gefunden werden, weshalb man die Quelle des Ärgers trotzdem ertragen möchte und drittens sollte man sich der Grenzen der eigenen Toleranz bewusst sein. Darauf, wie man diese Komponenten ausfüllt, käme es an, sonst könnte der Begriff schnell auch ins Negative abrutschen. Dass sei ähnlich wie zum Beispiel bei der "Solidarität", die ja auch nicht per se etwas Positives bedeute: sein Negativbeispiel hier waren eng gestrickte Mafiabande). Und schließlich käme es darauf an, von einer hierarchischen Toleranz zu einer Toleranz zwischen Partnern auf Augenhöhe zu kommen - was schließlich zum Begriff der Gerechtigkeit führe, die hier zentral sei.
Es hat dann noch einmal Zaimoğlu gesprochen, dann wieder Forster und zwischendurch auch Siller, aber ich habe nicht mehr viel mitbekommen, weil das Lieschen angefangen hat zu meckern und ich meinen Platz in einer der besten Reihen aufgeben musste, um zu versuchen, sie irgendwo im Vorraum zu beruhigen. Während der Diskussion mit dem Publikum ging noch einmal die Post ab, weil da so mancher "Islamkritiker" ("Islambasher" würde es ja eher treffen) seine Meinung zum Besten gab.
Ich bin dann bald gegangen. Mit dem unguten Gefühl, dass es in der Diskussion viel zu sehr um den Islam gegangen war und dass kaum einer - der Prof hatte es einmal kurz angesprochen, aufgegriffen wurde es dann aber so lange ich im Raum war nicht wieder - darauf eingegangen war, dass kulturelle Differenzen nicht nur zwischen "Deutschen" und "Türken" bestehen, sondern oft genauso oder noch mehr zwischen zwei "deutschen" Nachbarn im Westend.
1 Kommentar:
"sondern oft genauso oder noch mehr zwischen zwei "deutschen" Nachbarn im Westend. "
Die verklagen sich wie die Weltmeister vor Gerichten.
Herbeischaffung von Cousins, abstechen, Privilegien fordern.. ist dagegen unter Deutschen (noch !!) relativ wenig verbreitet.
Kommt aber bestimmt auch noch. Deutschland muss endlich raus aus seiner miefigen Blut-und-Boden Ecke und sich der Welt öffnen.
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