Sonntag, 18. Dezember 2011
Salah Hamouri
Oder: Eine palästinensische Geschichte
Salah Hamouri ist frei. Endlich. Über sechs Jahre saß der 26-Jährige in israelischen Gefängnissen. Seine Geschichte ist eine sehr palästinensische. Schon als 16-Jähriger, als Schüler, verbüßte er eine mehrmonatige Haftstrafe - für das Verteilen von Flugblättern gegen die israelische Besatzung. Ein zweites Mal wurde er während seiner Zeit als Soziologiestudent in Bethlehem festgenommen - wegen angeblicher Kontakte zu einem politischen Aktivisten.
Im März 2005 wird Salah zum dritten Mal festgenommen. Diesmal ist es ernst. Es wird ihm die Beteiligung an einem Komplott zur Tötung des israelischen Rabbi Obadia Yossef, einem der Oberen der ultrareligiösen, extrem rechten Partei Schas vorgeworfen. Salah streitet dies bis heute ab. Es folgen drei Jahre Administrationshaft. Das heißt: drei Jahre Haft, ohne das es zu einem Gerichtsverfahren gekommen, ohne das ein Richterspruch gefallen wäre. In Israel ist das möglich, ein Erbe aus der Mandatszeit. Ich kenne Palästinenser, die monatelang in Haft waren, ohne zu wissen, weshalb.
Als Salah endlich vor ein Gericht, ein Militärgericht, gestellt wird, wird ihm geraten, sich schuldig zu bekennen, um statt der ihm drohenden 14-jährigen Haftstrafe "nur" sieben im Gefängnis verbringen zu müssen. So kommt es, und Salah bekennt sich schuldig für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat, und von dem er bis heute sagt, dass er auch nie vorhatte, es zu begehen, wie ihm von den israelischen Behörden vorgeworfen wird.
Geschichten wie die von Salah Hamouri sind Alltag in Palästina. 16-Jährige, die wegen des Verteilen von Flugblättern ein halbes Jahr im Gefängnis verbringen; Festnahmen wegen angeblicher Kontakte zu politischen Aktivisten; und diese unsagliche Administrationshaft - es gibt wohl kaum eine palästinensische Familie, die nicht einen Sohn, Vater, Bruder, Onkel, eine Tochter, Mutter, Schwester, Tante hat, der ähnliches passiert ist.
Aber Salah ist nicht einfach nur Palästinenser. Er ist Franko-Palästinenser, die Mutter Französin, der Vater Palästinenser. Die doppelte Staatsangehörigkeit, ihr Alter und die Tatsache, dass sie fast die gleiche Zeit in Gefangenschaft verbrachten, brachte viele Beobachter dazu, ihn mit Gilad Schalit, Franko-Israeli (Lieselotte berichtete), zu vergleichen. Ihre Geschichte ist nicht die selbe; ich selbst säße wahrscheinlich lieber in einem israelischen Gefängnis als Gefangener der Hamas zu sein - aber Unrecht, unglaubliches Unrecht, das begangen wurde, spiegeln beide Geschichten, die von Salah und die von Gilad, wieder.
Man sollte als 16-Jähriger nicht für das Verteilen von Flugblättern 5 Monate in Haft verbringen, als 19-Jähriger als Soldat dienen müssen, Administrationshaft geht mal gar nicht, und gekidnappt werden soll natürlich auch keiner - aber das ist Israel, das ist Palästina, und so lange die Mehrheit der Leute da draußen nur (oder vor allem) um Gilad Shalit bangt oder sich nur (oder vor allem) über das Unrecht, das Salah Hamouri widerfuhr, aufregen - so lange werden wir das nicht hinkriegen mit dem Frieden in dieser Region.
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