Nicht das selbe
In der Analyse gesellschaftlicher Phänomene Religion, Kultur und Politik zu trennen, ist oft nicht einfach, schließlich überlappen und beeinflussen sich diese einzelnen Bereiche gesellschaftlichen Lebens teils erheblich. Wenn es nicht um die eigene, sondern eine fremde Gesellschaft oder (Sub)kultur geht, ist das Auseinanderklamüsern von Religion, Kultur und Politik verständlicherweise noch ein Stück schwerer. So kommt es, dass ein ägyptischer Student, der noch nie in Europa war, glaubt, dass die Kreuzzüge im Mittelalter einem Wesensmerkmal des Christentums geschuldet waren ... oder dass man an einer britischen Universität darüber diskutiert, ob bei dieser oder jener Frage auch religiöse Faktoren eine Rolle spielen und also der Konfuzianismus entscheidend ist - bis sich einer der chinesischen Studenten in der Gruppe zu Wort meldet und meint, Konfuzianismus sei doch gar keine Religion.
Alles eine Sauce?
Und genauso sind, wenn man so mancher Zeitung hier in Deutschland glaubt, Taliban-Islam, saudischer Islam, türkischer Islam, afrikanischer Islam, europäischer Islam, Pierre Vogel-Islam, Islamismus, Sufismus alles so ziemlich das gleiche. Oder vielleicht doch nicht. Aber sich die Mühe, genau hinzuschauen, und zu gucken, was, das dort passiert, ist auf die Kultur zurückzuführen, wo geht es um Religion und wo steht Politik im Vordergrund, die machen sich viele nicht. Teils fehlt es einfach an Wissen über die gesellschaftlichen Bedingungen in dem Land, der Religion, die man sich anschaut. Das ist nichts Neues, aber es wurde mir, als ich auf dieses Zitat von Olivier Roy zum Widerspruch zwischen Stammeskultur und islamischen Grundsätzen in Afghanistan stieß, mal wieder deutlich:
Stammeskultur und Islam in Afghanistan
"The tribal code and Muslim law are in opposition. Adultery (zina) should, according to the Shari'at, require four witnesses if it is to be proven; for the Pashtunwali, hearsay (peghor) is sufficient, for what is at stake is honor (one's self-image) and not morality (defined by the Shar'iat as what is permitted as opposed to what is not). Women in the tribes are not allowed to inherit property, for what would contradict the principle of strict patrilineage, which is the very basis of the tribal system; while the Qur'an grants to women half the share of the male. The dowry, a sign of prestige, frequently exceeds the milits set by the Shari'at, while, on the other hand, the repudiation of a wife by her husband, something which, according to the Qur'an, presents no difficulties, is practically impossible in the tribes, for that would be an insult to the wife's family. Vengeance (badal) is commended within the tribal code, while the Shari'at attempts to limit the occasions on which it can take place.
Olivier Roy: Islam and Resistance in Afghanistan. Cambridge: Cambridge University Press, 1990, S. 35 - 36. Zitiert in Valentine Moghadam: Modernizing Women. Gender and Social Change in the Middle East. Boulder / London: Lynne Rienner, 2003.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
22 Kommentare:
Jau, so isses. Gerade die "islamischen" Länder vernachlässigen oftmals die radikale Botschaft des Koran.
Was bliebe vom Christentum wohl übrig, wenn man Weihnachtsmann und Ostereier wegnähme ? Bliebe es noch eine kulturpraxisfähige Massentrivialität ? (was es m. E. in seinem Realgewicht halt (noch) ist).
Ohne die Geschenke und ohne die wohlmeinenden Lügen speziell für die Kinder, ohne frauen- und lebensfeindliche schauer-spins, ohne fatalistische Trivialitäten für Mißgeborene und Unheilbare, ohne Vorwände für plötzliche vernunftfeindliche Vertrotzungen in irgendeine uneinsichtige Wirklichkeitsverleugnung:
Nichts als reine Geschmacksliteratur mit entsprechenden esoterischen Pilgergemeinden a la Bayreuther Festspiele, bliebe übrig von all den überzeitlichen Prophetenlegenden; abseitige Mekkas und Heilige Kühe für verhärmte Hagestolze und verbitterte Jungfern.
Religiös bestimmte Massenidentitäten sind dagegen die Mütter aller Disneyländer: kitschig-verträumte, rührselig, sentimental, albern verbrämte Verweigerungen, das Leben zu sehen, wie es ist, aber dabei doch noch irgendwie über die Runden zu kommen. Massenesoterisch zusammengekleisterte Kitschgewächse, hier halt von dem abrahamitischen Großzweig.
Die Trennung von Kultur und Religion verspricht eine Emanzipation des Irrsinns von der Masse. Nehmt den Gläubigen ihren Regionalkitsch, und sie werden nackt und frierend dastehen; die Botschaften von Priestern und Mullahs würden sie angehen, wie die entfernte Stimme eines polternden, bösen Vaters.
Doch sie fürchten sich vor der Kälte und wollen ein schauerlich schlechtes Gewissen nach dem Blick ins Horoskop nicht missen.
Dies ist m.E. der verbundene Stand der Dinge von Religion und Kultur.
Eine Entbindung des einen vom Anderen würde sie beide schrumpfen und verdorren lassen: Den modernen Symbiosemonstren von Aberglaube und Götzenritual ist nur durch die Abtreibung aller kleinmütigen und feig-seeligen Behinderungen beizukommen. Vorher werden wir nicht erfahren, was der Mensch ist; vorher werden wir nur weiter fortexistieren im bunt bemalter Affenzoo unserer Ängste.
Witzig, dass gerade heute in einer angesehenen schweizerischen Tageszeitung ein Kolumnen-Blogger, "Sektenexperte" das Ei des Kolumbus gefunden zu haben glaubt...
Auszug:
«Völker brauchen auch keine moralischen und ethischen Werte von Religionen und Glaubensgemeinschaften. Staaten sollten sich von moralischen Ansprüchen emanzipieren»
Der ganze Artikel:
http://newsnetz-blog.ch/hugostamm/blog/2011/10/06/ein-staat-braucht-keinen-gott/
PS: Wenn alles so einfach wäre....
@ Chadidascha
So einfach wollen es sich viele Völker auch gar nicht machen. Statt dessen mißachten sie, dass es(aus dem Artikel):
"Wichtigeres (gibt), als sich bei der Frage nach der Existenz Gottes aufzureiben."
... bzw. sich an der Frage nach seinem Willen aufzureiben.
Vergleichen Sie doch mal die Parolen der Regimeanhänger mit denen der Aufständischen in Syrien.
Ohne die konkurrierenden Unterstellungen, was Gottes Wille sei, wäre manches vielleicht wirklich in einem Dialog besprechbar. So aber ....
Ja, ich weiss, man kann sich auch säkular recht nachhaltig verkrachen. (Nur rein vorsorglich, ich will Ihnen keineswegs was unterstellen).
Aber den Nachhaltigkeitspokal in heillos dynamischer Verkrachung sehe ich für die nächsten Jahrzehnte bei gottesgewißen Konfliktparteien in den allersichersten Händen.
Diese mißverstehen zweifelsohne alle Allahs Willen, solange sie sich noch fetzen; aber die Toten werden nicht gegen seinen allerhöchsten Willen dahingesunken sein.
Und das reicht mir persönlich dann schon zum Atheismus in unserer Zeit. Wenn Verarschung den Weg ins Himmelreich ebnet, dann haben anständige Menschen eben pech gehabt.
Um homöopathisch-hypothetische Glückwünsche, für den wenig wahrscheinlichen Fall, dass Sie recht haben sollten, will ich nicht verlegen sein.
Klar ist der "Dorfislam" bei den Paschtunen noch einen Zacken schärfer, als bei anderen. (Statt vier Zeugen genügt ein Gerücht.)
Aber interessant ist, dass die "Puristen" allen möglichen islamischen Lokalkulturen ihre Gräber zerkloppen und Schreine wegsprengen; nur bei den Paschtunen waren sie "tolerant".
Klar, warum; weil sie sie auch nur benutzt haben. So wie ich bisher auch noch keine andere Beziehung zwischen Macht und Glaube ausgemacht habe, als die einer Benutzung.
"Respekt" - vergeßt es; wenn es darauf ankommt, sind alle Machthaber wie Assad.
Kann man eigentlich Religion (ich als Atheisch bin ja sogar bereit zu sagen, dass Religion ein kulturellens Phänomen ist) von seiner gesellschaftlichen/kulturellen Praxis trennen?
Und in dieser Praxis kann man doch meistens alles mit Hinweisen und Deutungen der heiligen Schriften legitimieren.
Olivier Roy hat ja auch neuerdings ein Buch über die schöne neue (für nicht Gläubige vielelicht nicht so schöne) Welt kuturell nicht meht rückgebundener Religionen geschrieben: Olivir Roy; Heilige Einfalt: über die politischen Gefahren entwurzelter Religionen. (Französisch 2008)
@ Anonym:
Nein, der "Dorfislam" bei den Paschtunen ist nicht "einen Zacken schaerfer", weil ein Geruecht die vier Zeugen ersetzen kann. Das ist nicht ein "noch schaerferer" Islam, sondern steht in klarem Widerspruch zur Religion.
Sthet oben im Text. Haben Sie den ueberhaupt gelesen?
Also im klaren Widerspruch. Noch besser. Wer sagt es den Menschen ?
Immerhin töten die Menschen dort auf dieser Basis eine ganze Menge. Zuletzt schön bei CNN zu sehen, mitten im NATO-Gebiet. Der Mullah, der das organisiert, halte die Taliban fern, denn wenn die kämen, werde alles noch viel schlimmer ...
Wieviele, würden Sie schätzen, von den 1,5 Mrd. Moslems (die man immer alle automatisch mitbeleidigt, wenn man den Islam kritisiert, nein - sagen nicht Sie - nur die Verbandsfuzzis) machen in Wirklichkeit etwas völlig anderes, als göttliches Gesetz zu verwirklichen ?
Was ist schlimmer: Als Ungläubiger nach demokratisch beschlossenen Gesetz zu leben, oder als Islam-Bekenner im Namen des Islam Gesetze zu exekutieren, die im klaren Widerspruch zur Religion stehen ?
Wenn es am Ende kaum einer richtig macht, ist man dann als Skeptiker (Ungläubiger) immer noch in jedem Fall der Schlimmste ?
@Anonym
Zitat: «Um homöopathisch-hypothetische Glückwünsche, für den wenig wahrscheinlichen Fall, dass Sie recht haben sollten, will ich nicht verlegen sein.»
Sorry - ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen - recht in welcher Hinsicht? Recht im Glauben, dass Gott existiert? Können Sie sich denn tatsächlich vorstellen, dass Ihr Gehirn, das solche Kommentare sich ausdenken kann, Buchstaben und Wörter zusammensetzen, dass es einen Sinn ergibt (mehr oder weniger ;) ) dass so ein Gehirn, das sich unter Zuhilfenahme der (gott)-gegebenen Naturgesetze Dinge wie Motoren, Fernsehen, Internet ausdenken kann, dass so ein Gehirn so rein zufällig aus einem einstmaligen Urknall sich entwickelt haben soll? Ohne Plan? Also ohne Sinn?
Zitat @Anonym
«Was ist schlimmer: Als Ungläubiger nach demokratisch beschlossenen Gesetz zu leben, oder als Islam-Bekenner im Namen des Islam Gesetze zu exekutieren, die im klaren Widerspruch zur Religion stehen ?»
Bitte vergleichen Sie doch nicht einen Extremisten mit einem Musterbürger, das ist unfair. Abgesehen davon sind die meisten Muslime für Demokratie.
@ Chadidascha
"Bitte vergleichen Sie doch nicht einen Extremisten ..."
Es geht nicht um Extremismus, sondern um Traditionalismus von zig Millionen Menschen, der sich "in klarem Widerspruch zur Religion" befindet.
"Abgesehen davon sind die meisten Muslime für Demokratie."
Das glaube ich sogar; aber nur heimlich sind sie dafür, weils natürlich verboten ist.
Kein Muslim darf einem Gesetz folgen, das ihn z.B. dem Urteil eines Ungläubigen unterstellt.
"Ohne Plan? Also ohne Sinn?"
Ja; natürlich !
@Anonym:
«"Ohne Plan? Also ohne Sinn?"
Ja; natürlich !»
Ich verstehe Sie. Habe bis vor einem guten Jahr genau gleich gedacht. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie eines Tages auch mich verstehen...
"Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie eines Tages auch mich verstehen"
Ich glaube, ich verstehe das schon. Sie glauben an einen Gott, der halbtote Kleinkinder von Geiern fressen läßt; als Strafe, Warnung, oder Prüfung; und geprüft wird nur, wer erhöht werden soll.
Alles völlig logisch; aber auch wohl ein bisschen Veranlagungssache.
@Anonym:
«Ich glaube, ich verstehe das schon. Sie glauben an einen Gott, der halbtote Kleinkinder von Geiern fressen läßt; als Strafe, Warnung, oder Prüfung; und geprüft wird nur, wer erhöht werden soll.»
Sie irren sich. An DEN Gott glauben Sie! Er heisst Zufall. Der Gott, an den ich glaube, wird am Ende absolute Gerechtigkeit herstellen.
"so ein Gehirn so rein zufällig aus einem einstmaligen Urknall sich entwickelt haben soll? Ohne Plan? Also ohne Sinn?"
Ja, was denn sonst ?
Die Verschiebung der Fragestellung zu einer "alles erklärenden" Antwort (die dann mysteriös genug bleibt) ist ein frevlerischer Solidaritätsbruch mit der forschenden, fragenden und immer wieder neu überwindenden und erfindenden Menschheit.
Fluch und Schande über all' die, deren Beitrag sich zu jeder Horizonterweiterung in einem "Steht alles schon im Koran" erschöpft. Solche Leute sind Parasiten der Arbeit anderer, die es darauf anlegen, mit ihrer Dreistigkeit, die Basis für jede Toleranz zu zerstören.
"Habe bis vor einem guten Jahr genau gleich gedacht."
Und welcher Teufel hat Sie geritten, jetzt nicht mehr so zu denken ? War es Astrophysik, oder Molekularbiologie ?
Oder die plumpe Bequemlichkeit, Ihre Mitmenschen mit düstrem Raunen über Gottes Gesetze und Strafen billig erschrecken zu können ?
Können Sie jetzt im Horoskoptussenzirkel den Vogel abschießen ?
Zu den beiden Anonymen. Weder die Blogautorin noch ich noch andere Kommentatoren hier sind religiöse Eiferer, die etwas gegen Forschung und Fortschritt haben. Deshalb verstehe ich Ihre Feindseligkeit nicht. Wenn Sie das Bedürfnis haben, sich als Gegenstück zum religiösen Fanatismus hervor zu tun, dann sind Sie hier definitiv am falschen Ort.
Ich ziehe mich aus der Diskussion zurück.
Ich auch.
Kritisiert man den Glauben (aka Nichtwissen) sind sie beleidigt.
Moslems sind gerne beleidigt und jammern dann.
Wenn Sie nichts gegen Forschung und Fortschritt haben, warum erfinden Sie dann seit Jahrhunderten kaum noch was ?
Glauben Sie, dass da noch mal eine Trendwende kommt ? Oder wird der Fortschritt letztlich genauso vertagt, wie die Gerechtigkeit, wo
"Der Gott, an den ich glaube, (...)am Ende absolute Gerechtigkeit herstellen (wird )".
Sie haben es eigentlich ganz gut auf den Punkt gebracht: Man muss kein durchgeknaller Eiferer sein.
Es ist diese Vertagungsgewißheit, die asolidarisch ist und unverträglich ist für ein Zusammenleben mit Menschen, die für das Diesseits verantwortungsgewillt sind und sich eine unendliche Ausgleichsleistung durch die Grosse Bank da oben einfach nicht vorstellen MÖGEN.
Es ist nämlich auch eine Sache des Geschmackes.
Liebe/r Anonym,
zu Ihrer Info, die Dame, auf deren Kommentar Sie sich beziehen, mag keine sechzehn mehr sein, "jahrhundertealt" ist sie aber nicht, und somit auch nicht dafür verantwortlich, falls "seit Jahrhunderten kaum noch was erfunden" wurde.
Der Glaube an Gerechtigkeit ganz zum Schluss bedeutet keineswegs, grundsätzlich alles "vertagen" zu müssen. Im Gegensatz, Verantwortung für das Diesseits ist auch im Islam gefordert; der Hinweis darauf, dass es letztendlich doch Gerechtigkeit geben wird, ist keineswegs als Aktivitätsbremse gedacht.
Was Sie sich vorstellen mögen oder nicht ist Ihre Sache, es würde Ihnen aber sicherlich gut zu Gesichte stehen, dies auch anderen zuzustehen, ohne sich gleich über die fremde Position lustig zu machen oder in Beleidigungen zu verfallen.
Es grüßt
die Lieselotte
"der Hinweis darauf, dass es letztendlich doch Gerechtigkeit geben wird, ist keineswegs als Aktivitätsbremse gedacht. "
Im Diesseits ist das Urteil nicht nach den Absichten, sondern nach den Resultaten. Das könnte eine gläubige Person sagen: Pech für das Diesseits; ich aber sage: Pech für die Gläubigen.
"Was Sie sich vorstellen mögen oder nicht ist Ihre Sache" Wir leben nicht auf Inseln getrennt. Natürlich wirkt sich auf die einen aus, was die anderen sich vorstellen können, oder nicht mögen.
Differenzen des Geschmacks betreffen nicht automatisch Herabwürdigungen und müssen auch keineswegs komisch sein.
Eine fremde Position kann so befremdlich sein, dass sie alles Gemeinsame überwiegen und überragen kann.
Ich will Ihnen keineswegs unterstellen, dass sie sich das nicht vorstellen können; mir ist nur daran gelegen, dass Sie erfahren, dass auch andere sich das vorstellen können.
Kommentar veröffentlichen