Sonntag, 21. August 2011

Firas


- 21. Ramadan -

Oder: Klischees zertruemmern

Firas stammt aus dem Iran. Er ist in [Stadt im Iran] geboren, kam aber schon als Kind nach Deutschland. Er litt an einer seltenen Atemswegserkrankung, die im Iran nicht behandelt werden konnte. Oder vielleicht schon - aber die Chancen als Bahai im Iran adaequate medizinische Betreuung zu erhalten, waren gering. Was tun? Als sich die Moeglichkeit auftat, zur Behandlung nach Deutschland zu gehen, zoegerten seine Eltern nicht lange. Zwar wussten sie nicht, was in dem fremden Land auf sie wartete, aber dass das ihre Chance war, waren ihnen klar. Firas wuerde behandelt werden koennen und vielleicht bestuende auch die Moeglichkeit, zu bleiben. In Deutschland wuerde ihr Sohn Moeglichkeiten haben, von der der Grossteil der Iraner nur traeumen konnten. Er wuerde, ohne Steine in den Weg gelegt zu bekommen, studieren koennen. Ein normales Leben fuehren.

"Damit werdet ihr gehen koennen"

Dass die Familie die medizinisch notwendige Reise womoeglich zur Auswanderung nutzen koennte, war auch den iranischen Behoerden klar. Zur Absicherung verlangten sie die Zahlung eines Pfandes. Das Geld hatten Firas' Eltern nicht und der Traum von der geplanten Ausreise schien vor ihren Augen zu platzen. Bis Firas' Onkel seinem Vater die Besitzurkunde seines Hauses in die Hand drueckte: "Da nimm, damit werdet ihr gehen koennen". Firas' Vater wies das Dokument von sich: "Spinnst du? Nimm das zurueck! Du weisst doch genau, dass wir zu 95 Prozent nicht zurueckkommen werden. Willst du dein Haus verlieren?" Firas' Onkel liess nicht nach, die Urkunde wurde bei der iranischen Behoerde hinterlegt und einige Wochen spaeter machten Firas und seine Eltern sich auf den Weg in eine ungewisse Zukunft.

Sie sind nicht wieder zurueck gekommen

Sie sind nicht wieder zurueck gekommen. Fuer Firas' Eltern war es nicht leicht, die fremde Sprache, ein neues Land. Ihre Ausbildungen wurden in Deutschland nicht anerkannt und die Jobs, die sie hier in Deutschland haben, haetten sie im Iran im Traum nicht gemacht. Wenn ich sie heute fragen wuerde, ob sie es bereut haben, damals hierher gekommen zu sein, wuerden sie die Frage wahrscheinlich trotzdem verneinen. Sie sind nicht fuer sich, sondern wegen ihres Sohnes nach Deutschland gekommen. Um ihm die medizinische Behandlung und die Zukunft zu ermoeglichen, die ihm im Iran verwehrt geblieben waeren.

Ein deutscher iranischer arabophoner Bahai

Firas wuchs in Deutschland auf, spricht, schreibt, denkt heute auf Deutsch. Seine Verbindung zu der Region, aus der er stammt, ist nie abgebrochen. Waehrend des Studiums legte er Auslandssemester in drei Laendern im Nahen Osten ein, lernte Tuerkisch und Arabisch und schrieb seine Abschlussarbeit an der Uni zum politischen Islam. Dass er kein Muslim ist, verstehen, wenn er dort unterwegs ist, viele der Menschen im Nahen Osten nicht: "Aber du siehst doch aus wie einer von uns! Du sprichst doch Arabisch!" Sein Studium hat er seit einer Weile abgeschlossen und seitdem einen Job an einer US-amerikanischen Uni als Dozent in Islamwissenschaften angeboten bekommen. "Da freu ich mich schon drauf", schmunzelt er, "schoen ein bisschen Klischees zertruemmern".

6 Kommentare:

Jolanda hat gesagt…

Wie und wo lernst du die ganzen interessanten Leute eigentlich kennen? Ich will auch :-) In deinem Studium?
Ich will mich ja gar nicht beschweren, ich kenne auch durchaus vielgereiste und lebensreiche menschen. aber so viele über die ich so viel wüsste, dass ich jedes mal abgerundete und recht lange artikel über sie schreiben könnte, sind es dann doch nicht. oder fragst du einfach jedem, den du triffst, ein loch in den bauch? ;-)

Anonym hat gesagt…

Sehr schöne story. Wir brauchen Leute von außerhalb des monotheistischen Bannkreises, die sich mit diesem Irrsinn auseinandersetzen, vom Standpunkt der Überrollten und Ausgegrenzten.

Lieselotte hat gesagt…

@ Anonym: Bahais sind auch Monotheisten. Und wo sie von "Irrsinn" sprechen, den ich hier ja auch immer wieder unterstellt bekomme :) , ich befuerchte, "Firas" ist mehr einer Meinung mit mir als mit Ihnen... Was die "Ausgrnezung" angeht, die musste seine Familie im Iran erfahren, ja, aber hier waren sie auch erst mal Fremde, "Auslaender"...

Die Dinge sind meist ein kleines bisschen komplexer als Sie das hier versuchen darzustellen...

Lieselotte hat gesagt…

@ Jolanda: Hm, ich weiss nicht. Ich halte schon die Augen (Ohren...) offen nach schoenen Geschichten. Aber eine schoene Geschichte kann man ueber die meisten Menschen schreiben, meinst du nicht? Man muss sie nur als solche sehen, oder?

Loecher in den Bauch fragen, nein... Aber manchmal wuensche ich mir waehrend eines Gespraechs schon ein Blatt Papier und einen Stift, um schnell mitzuschreiben - kannste natuerlich nicht bringen ;)

Anonym hat gesagt…

"aber hier waren sie auch erst mal Fremde, "Auslaender"..."

Wie es nichtmuslimischen "Ausländern" unter moslemischen Migranten im Vergleich zu inländisch durchschnittlichen Religionsignoranten ergeht, wäre mal ein Forschungsprojekt wert. Ich bin da ganz unvoreingenommen.

Anonym hat gesagt…

schon wieder wertend. können sie ihre vermutungen nichtmal so formulieren, dass sie nicht tendentiös sind? nein. zeigt ja, was sie für einer sind. offensichtlich.