Montag, 15. August 2011

Ein Tag im Ramadan


- 15. Ramadan -


Elf oder zwölf war es als ich am Abend zuvor ins Bett bin, und um drei klingelt wieder mein Wecker. Die Zeit für das Morgengebet beginnt anderthalb Stunden vor Sonnenaufgang, und 10, 15, 20, 30 Minuten davor sollte man mit dem Fasten beginnen. Das heißt: kein Essen und Trinken mehr ab halb vier.

Frühstück vor dem Fasten

Das Frühstück vor Fastenbeginn ist sehr empfohlen. Als ich neu dabei war, habe ich ohne morgens noch etwas zu essen gefastet (weil mir das Schlafen wichtiger war) und als ich es dann doch einmal ausprobiert war, konnte ich es kaum glauben, wieviel leichter das Fasten mit suhur, wie man diese letzte Mahlzeit vor Fastenbeginn auf Arabisch nennt, war. In vielen muslimischen Haushalten steht die ganze Familie mitten in der Nacht auf, frühstückt ausgiebig und bleibt dann gleich zum Beten wach.

Die Kurzversion

Ich muss am nächsten Morgen früh raus und habe mich deshalb für die Kurzversion entschieden: Wecker klingelt um drei, ich stehe gar nichts erst auf, sondern bleibe im Bett, Sandwich und eine Flasche Mineralwasser stehen schon seit gestern Abend auf dem Nachttisch. Als ich aus dem Fenster sehe, ist draußen alles dunkel, nur in zwei der Häuser ist Licht - in der Küche. Das müssen auch Muslime sein - welcher normale Mensch sitzt schon nachts um drei vor gedecktem Küchentisch? Sandwich, Wasser und fünf, zehn Minuten später schlafe ich weiter. Um fünf klingelt der Wecker noch mal, kurz vor der Ende der Gebetszeit. Diesmal stehe ich auf, gehe runter ins Bad zur Gebetswaschung und bete dann auf meinem kleinen Gebetsteppich das Morgengebet.

Weniger zu tragen

Dann wieder ins Bett bis sieben oder acht, als die Nacht zu Ende ist. Für gewöhnlich nehme ich an die Uni außer meiner Tasche mit den Büchern und was zum Schreiben eine zweite Tasche mit Mittagsessen, Frühnachmittags- und Spätnachmittagssnack und was zum Trinken mit. Netter Nebeneffekt von Ramadan: die Tasche mit dem Essen kann ich mir sparen und habe nicht ganz so viel zum Rumschleppen. Nur dass ich trotzdem eine Flasche Wasser dabei habe, falls das Lieschen unterwegs was trinken will, darauf muss ich aufpassen.

Ein ganz normaler Tag

Der Rest des Tages läuft relativ normal ab, Lieschen in den Kindergarten, Mama an die Uni, wenn man den ganzen Tag beschäftigt ist, kriegt man fast nichts mit vom Fasten. Nur zwischendurch, vor allem am Nachmittag merke ich, dass es bald wieder Zeit wird, etwas zu essen. Ich nehme mir mehr Zeit zum Betenund versuche zu den nervigen Studenten in der Bibliothek ein bisschen freundlicher zu sein, aber ansonsten läuft alles ganz normal. Am späten Nachmittag hole ich das Lieschen aus dem Kindergarten ab und bringe sie zu ihrem Babysitter. Sana, die Tochter der Familie, die das Lieschen babysittet, fastet heute nicht. Sie hat es die ersten Tage probiert, aber ihr ist so schlecht geworden, dass sie es lieber abgebrochen hat. Es war sehr heiß in den ersten drei Tagen des Ramadans, vielleicht lag es daran.

18 Stunden

Mein Deutschunterricht läuft wie immer, ich bin so drin im Unterrichten, dass ich gar nicht merke, dass ich in der Zwischenzeit seit über 17 Stunden nichts mehr gegessen oder getrunken habe. Von meinen Schülern weiß - und merkt - keiner, dass ich faste. Das Wasser, das wie immer auf dem Tisch, um den wir sitzen, steht, rühre ich nicht an, aber das fällt nicht weiter auf. Die Stunde geht bis um halb und um vier nach halb ist die Zeit für das Fastenbrechen. Die Sonne ist untergegangen. Ich mache pünktlich Schluss und lasse mir dann besonders viel Zeit beim Einpacken meiner Sachen. So bin ich die Letzte und als alle draußen sind und ich mich vergewissert habe, dass die Putzfrau erst einmal in die anderen Räume schaut, setze ich mich und breche mit einem Glas Wasser mein Fasten.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"welcher normale Mensch sitzt schon nachts um drei vor gedecktem Küchentisch" Och, so eine russische Zechnacht kennt schon ihre Küchenphasen; eigentlich sind die rituell sogar bedeutsam ...

Einem Wüstenvolk die Wasserentsagung aufzugeben mag ja einen gewissen trainingsmäßigen Sinn gehabt haben, dass man es die letzten paar hundert Meter zum Oasentümpel schafft und nicht ganz kurz vorher den Löffel abgibt; Restreservenmanagement, kann seinen Sinn gehabt haben, ok.

Aber heute da einen Gemeinschafts- und Identitätstamtam draus zu machen, mit etwas, dessen reallebensweltlicher Sinn sich wirklich erübrigt hat.

Was wäre, wenn Gott den Perlentauchern am voröligen Golf aufgegeben hätte, in einem bestimmten Monat das Atmen auf ein Minimum zu reduzieren, um zum Perlentauchen fitt zu bleiben ? (Fällt mir gerade ein, wegen des Massakers am Perlenplatz, der daraufhin auch demontiert wurde von dem Regime in Bahrain)

Ich weiss nicht, wie man so ein ahistorisches Verhältnis auch zu religiös grundierten Traditionen haben kann. Bei jedem PR-peinlichen Militanzflop heißt es: ja, der Kontext und richtig interpretieren und bla, aber so eine Kohldampf- und Jieperübung die bleibt als Frömmigkeitsritual erhalten. Ist das Religion, die Quelle von Gesittung und Anstand, die uns davon abhalten soll, uns gegenseitig abzumurksen ?

Lieselotte hat gesagt…

In einem Satz zusammen gefasst wäre das dann: Muslime haben keine Ahnung - Sie aber schon, ja?

Anonym hat gesagt…

"Muslime haben keine Ahnung ..."

hmmm, das greift zu kurz: Muslime scheuen sich in bestimmten, doktrinär geregelten Fragen davor, Ahnung zu gewinnen; es fehlt ihnen an Unerschrockenheit beim Überprüfen von Althergebrachten - Islam halt.

"- Sie aber schon, ja?"

Nun ja, wie das alles noch mal gut gehen soll, weiss ich auch nicht.

Lieselotte hat gesagt…

Stimmt nicht. Es gibt seit ein paar Jahren immer mehr Muslime, die Althergebrachtes in Frage stellen.