Montag, 28. Februar 2011

Von "moderaten" Söhnen und "demokratischen" Alternativen

Und dann kam Qaddafi Junior, nämlich Saif al-Islam al-Qaddafi in den Fokus der von der Revolte in Libyen berichterstattenden Medien. "Flüsse voller Blut" würden fließen, versprach er, gäben die Aufständigen nicht auf. In kaum einem Presseartikel hier in Großbritannien fehlt der Hinweis darauf, dass Saif al-Islam an einer der Elitehochschulen des Landes promoviert hatte, und immer - auch in den deutschen Medien - folgt der Zusatz: "Der zweite Sohn des libyschen Präsidenten galt bisher als moderat".

Moderat? Ja? Warum? Weil er zugegeben hat, dass Papa foltern ließ? Weil er Väterchen sogar (o-ho-ho-ho) vor laufender Kamera widersprach? Oder lag es ganz einfach an den schnieken Anzügen, der schicken Brille, dem geschliffenen Englisch, dem Superuniabschluss?

Die selbe Inhalten gegenüber blinde Begeisterung für eine scheinbar für "westliche" Werte stehende Figur des öffentlichen Lebens in einem "Schurkenstaat" war damals bei der Berichterstattung über Benazir Bhutto zu beobachten. In den Monaten vor ihrem gewaltsamen Tod galt sie in deutschen Zeitungen plötzlich als "Hoffnung für Pakistan", als "demokratische Alternative" und als "Gegenstimme" zum autoritären Präsidenten Musharraf und gefährlichen Islamisten.

Benazir hatte, wie Saif al-Islam, eine exzellente Ausbildung genossen (in Oxford und Harvard), sprach wie er fließend Englisch und bewegte sich sicher auf internationalem Parkett. Dass sie als Angehörige des Bhutto-Clans eben die Feudalpolitik vieler reicher Pakistanis, die eines der Hauptprobleme des Landes ausmacht, unterstützte und dass sie nicht als Demokratin sondern wegen Korruptionsvorwürfen im Exil lebte - das ging da im allgemeinen Jubel irgendwie unter. Welch ein Kontrast zwischen der Skepsis, der Abscheu, die der Großteil meiner südasiatischen Freunde und Kollegen der Politikerin Benazir entgegenbrachten und dem gutgläubigen Enthusiasmus, mit dem sie immer wieder in deutschen Medien hochgejubelt wurde.

Und jetzt, bei Qaddafi Junior, das Gleiche in Grün. Zeit, die Verwendung von Labels wie "moderat" und "radikal" in den Medien mal zu überdenken - meint die Lieselotte.

5 Kommentare:

normalverteilung hat gesagt…

uneingeschränkte Zustimmung.

ich habe zwar mit dem Islam soviel zu tun wie Jogi Löw mit Eishockey, stehe politisch auch in einem islamkritischen Lager, aber ich schaue gern mal hier vorbei und informiere mich auf einem Niveau, dass gewisse Aggromigranten und Initiativgruppen weit hinter sich lässt.

Lieselotte hat gesagt…

Liebe/r normalverteilung,

freut mich, dass Sie hier mitlesen! Danke fuer das Kompliment.

Gruss
Lieselotte

Anonym hat gesagt…

dafür schreibt sie ja den blog, dass andere auch mal verstehen könnnen, dass der islam nicht nur für terror + burka steht. wie manche ihn gern darstellen bzw.für ihre zwecke benutzen. fundamentalisten gibt es überall, auch im christentum und auch im judentum.

Normalverteilung hat gesagt…

@anonym:

richtig, z.B. diesen Artikel hier, da rollen sich mir die Fußnägel:
http://alienineurope.wordpress.com/2010/12/15/razzia-bei-abu-hamza-nicht-komisch/

aus einer Opferrolle heraus bleibt aus Sicht der Autorin nix weiter übrig als sich mit Pierre Vogel zu identifizieren.

Der SPD-Politiker Erhard Eppler hat es auf politischer Ebene mal in einen sehr guten Satz verpackt:
„Wer sich nur als Opfer sieht, ist nicht friedensfähig“.

Anonym hat gesagt…

Nun ja, zugleich wird die unsterbliche Benazir aber auch gerne zum Erweis der Modernität islamischer Staatskunst im Fachbereich Frauengleichstellung angeführt. Nicht nur von Moslems selbstverständlich.

Allseits einen etwas mehr kritischen Blick !

Dass man ihre Mitarbeiterinnen gezielt vergewaltigte, um sie politisch unter Druck zu setzen, war dagegen schon wieder nicht mehr ganz so modern.