Mittwoch, 30. Juni 2010

Schon wieder nicht

Ach schade. Ich hätte einen Präsidenten Joachim Gauck gut gefunden. Beim den letzten beiden Malen Horst Köhler statt Gesine Schwan, diesmal Christian Wulff statt Joachim Gauck - muss man eigentlich Luschi sein, um Bundespräsident zu werden - oder haben die einfach was gegen unabhängige Denker?

Dienstag, 29. Juni 2010

365 Tage, 1 Kleid

... und zwar für einen guten Zweck:

Montag, 28. Juni 2010

Ein bisschen Intoleranz am Abend

Es ist ein warmer Sommerabend und Kira, ich und das Lieschen im Buggy sind auf dem Weg vom Park ins Stadtzentrum. Wir überqueren gerade den Zebrastreifen, als eine Frau mit Handy am Ohr auf den Zebrastreifen fährt und in letzter Minute vor uns bremst. Mit Handy in der Hand im Auto unterwegs, ich kann's nicht glauben! Ich schüttel den Kopf und zeige auf ihr Handy, das sie weiter umklammert hält. Keine Reaktion - und wir sind auch schon fast an ihr vorbei, als sie plötzlich ihr Fenster runterkurbelt und uns hinterher ruft, ob ich ihr den Finger gezeigt hätte. - Hä?, bitte wie was?!

Lieselotte: Nein! Ich habe auf ihr Handy gezeigt, das dürfen sie doch gar nicht an haben im Auto, - sie hätten uns fast umgefahren -, sie können doch nicht beim Fahren telefonieren!

Ein wütender Blick trifft uns durch das geöffnete Autofenster. Die Frau: Lies das erst mal in deine Kuran nach, dann weißte's besser!

Der Akzent: unverkennbar türkisch. Die Frau: mittleren Alters mit einer mehr oder weniger schicken Kurzhaarfrisur. Es ist ein bestimmter Typ Frau, und das sind ganz oft die schlimmsten. Mir ist wegen des Kopftuchs nie so viel Verachtung und Böswilligkeit entgegen gebracht worden wie von Frauen wie dieser, mit türkischem Hintergrund und laizistisch-kemalistisch-antireligiöser Einstellung. Ich kann mir schon vorstellen, dass diese Frauen wütend auf das Kopftuch und seine Trägerinnen sind, weil das Tuch für sie eine Rückständigkeit symbolisiert, die sie gerne hinter sich wissen würden, mit der sie - in Form von Vorurteilen hier in Deutschland - selbst oft genug konfrontiert sind. Ich weiß auch, dass diese Frauen sich oft sicher sind, dass man als Kopftuchmuslima sie, die kein Kopftuch tragen für minderwertig, schlecht, sittenlos hält. Dabei ist es mir ziemlich wurscht, ob sie Kopftuch trägt oder nicht, ob sie Muslimin ist oder nicht, ob sie überhaupt an irgendwas glaubt oder nicht. Sicher, es gibt sie, die komischen Kopftuchmusliminnen, die denken, nur weil sie sich bedecken, wären sie die besseren Menschen - aber das ist falsch, dumm und hat nichts mit dem Islam zu tun, der Stolz und Arroganz verurteilt und ganz klar sagt, dass keiner - außer Gott - weiß, wie die Taten eines Menschens zu beurteilen sind.

Wir sind alle gleich und im Prinzip wollen wir doch alle das Gleiche: so leben, wie es uns gefällt, ohne dafür von anderen angefeindet oder respektlos behandelt zu werden. Da geht es mir, denke ich, wie der Frau von heute Abend. Was also soll so ein Spruch? Denkt sie, es wäre in Ordnung so mit mir zu reden? Was hat sie sich überhaupt gedacht? Ich hätte sie gerne gefragt, aber da war sie schon weggedüst in ihrem Auto mit dem Handy in der Hand.

Sonntag, 27. Juni 2010

Ein Abend mit Freunden

Wenn man mit meiner Mutter durch [die Stadt, in der wir leben] läuft, trifft sie unterwegs oft eine ganze Menge Leute. Sie ist hier geboren, zur Schule und zur Uni gegangen und kennt hier noch viele, vor allem aus ihrer Studentenzeit. Die Stadt, in der ich studiert habe, liegt Hunderte von Kilometern von hier im Osten. Ich kannte da auch mal ne Menge Leute, aber das ist schon eine ganze Weile her. Jobs gibt es fort kaum, vor allem nicht für Hochschulabsolventen, und deshalb ist kaum einer von uns geblieben. Ich kenne heute viele Leute, die nach London, Berlin, Brüssel oder Paris gegangen sind, aber eine Stadt, in der ich nur mal ein paar Stunden spazieren gehen muss, um gleich den und den und die und den von damals zu treffen, habe ich nicht.

Umso mehr habe ich mich gefreut, als gestern Abend Kira und Yana, mit denen ich in [Stadt im Osten Deutschlands] studiert habe, mit noch drei Freundinnen vor meiner Haustür standen. Wir haben zusammen gekocht, gefüllte Paprika, Salat, Babaghanoush, Zucchinipaste, mehr oder weniger südasiatische Linsen und Reis. Kira war gerade aus Südasien wieder gekommen, wo sie ungefähr ein Jahr in der Entwicklungszusammenarbeit gearbeitet hat. Sie will bald weiter in die USA, für ein Auslandssemester.

Yana
ist nur zu Besuch, aus dem Nahen Osten, wo sie in einem Kulturzentrum arbeitet. Sie will bald wieder nach Europa kommen, mit ihrem Freund, der dann ihr Mann sein soll, aber nach Deutschland wollen sie nicht, weil ihm das nicht so gefallen hat während der bisherigen Besuche. Wir haben einen Abend lang gefachsimpelt, wo sie am besten hinpassen würden, vielleicht nach Frankreich (doch er spricht kaum die Sprache), nach England (das mag sie nicht), Griechenland (aber die derzeitige Situation?), Spanien (das nächste Griechenland?), Skandinavien (im Winter zu wenig Licht) oder doch die Niederlande?

Endgültig geeinigt haben wir uns nicht, wenn auch die Niederlande weit vorne lagen.

Samstag, 26. Juni 2010

Auslandssemester in Pakistan

"Ein Auslandsstudium ausgerechnet in Pakistan? In den Augen vieler Westler steht das Land für Terrorgefahr und Taliban. Zwei Passauer Studenten wagten sich dennoch nach Lahore. Vom Studium sind sie begeistert - und an der Wirtschafts-Uni weht ein überraschend liberaler Geist." Mehr...

Freitag, 25. Juni 2010

Von Nacktheit und Verschleierung

Bitte einmal lesen, Frau Alice Schwarzer:


Ist zwar 'n bisschen polemisch geschrieben, aber auf die Art von Argumentation stehen sie doch, nicht?

Mit besten Grüßen
Lieselotte

Donnerstag, 24. Juni 2010

Antisemitismus - was tun?

Über den toomuchcookies-Blog habe ich heute von einem Angriff auf eine jüdische Folkloregruppe während eines Stadtteilfestes am Samstag in Hannover erfahren, die offenbar erst gestern publik wurde. Die, die Steine auf die jüdischen Tänzer warfen und "Juden raus" parodierten, scheinen Jugendliche arabischer, iranischer, vielleicht auch türkischer Herkunft gewesen zu sein.

Ich habe eine Riesenwut und frage mich, was man tun kann, um solchen Aktionen vorzubeugen und ein Zeichen dagegen zu setzen. Das Deutsch-Türkische Jugendwerk hat vor ein paar Jahren eine Begegnung zwischen Jugendlichen, deren Eltern einst aus der Türkei gekommmen nach Deutschland gekommen waren, und politisch rechtsorientierten Jugendlichen aus Ostdeutschland organisiert. Das Projekt war ein ziemlicher Erfolg. In Schulen könnte man viel mehr Veranstaltungen der politischen Bildung organisieren - und zwar nicht durch sowieso schon genervte Lehrer, sondern mit jemandem von draußen, mit Leuten, die das professionell machen.

In Frankfurt / Main gibt es da - unter vielen anderen - die Jugendbegegnungsstätte Anne Frank, die regelmäßig Projekttage, Trainings und Workshops mit Schulen anbieten. Und Identifikationsfiguren bräuchte man, sowas wie nen deutschen Zineddine Zidane, der sich hinstellt und sagt: "Antisemitismus? Nee, is' nich'" und das dann auf Plakate quer durch Deutschland, vielleicht könnte man auch Konzerte organisieren, mit irgendwelchen Azads, Bushidos usw., bei denen auch klar gemacht wird, dass wir Judenfeindlichkeit genauso wenig wollen wie Islamfeindlichkeit, Ausländerhass und was es da nicht noch alles gibt. Und auch wenn ich nicht glaube, dass diese Jugendliche sich in den Moscheen blicken lassen, aber ein paar Imame würde ich mir auch ins Boot holen. Bei uns in der Moschee werden solche Themen in aller Deutlichkeit angesprochen und verurteilt - wie sieht das woanders aus?

Mittwoch, 23. Juni 2010

Karla - und ich

Heute habe ich Karla getroffen. Karla und ich kennen uns schon seit Jahren. Sie war mal mit meiner Schwester in der Schule, ich war dabei, als sie zum Islam übergetreten ist, und dann haben wir uns irgendwie aus den Augen verloren - wahrscheinlich auch, weil ich so lange nicht in Deutschland war. Heute stand sie plötzlich vor mir. Erkannt hätte ich sie nicht - wie auch, bis auch die Augen war ja auch alles mit einem schwarzen Schleier und Gewand verdeckt. Ihren Freund von damals hat sie geheiratet und Mama ist sie auch seit einer Weile. Ganz aufgeregt hat sie mir erzählt, dass sie versuchen, nach Saudi-Arabien auszuwandern, weil sie so gerne in einem "islamischen" Umfeld leben wollen, wegen des Kindes, aber auch für sich selbst.

Da saß ich ihr nun gegenüber, mit meinem altrosa Kopftuch auf dem hellen Nadelstreifenhemd; wir sind gerade dabei, nach London umzuziehen. Als sie nebenbei bemerkte, dass es haram sei, den Namen seines Mannes anzunehmen, habe ich ihr widersprochen (ich habe auch meinen Namen behalten, aber nicht, weil ich denke, dass das sonst unislamisch ist, sondern weil ich meinen Namen mag) - aber dass ich nicht glaube, dass es in Saudi-Arabien wirklich so islamisch zugeht, habe ich ihr nicht gesagt. Ich wollte sie nicht enttäuschen - und wahrscheinlich hätte sie mir sowieso nicht geglaubt? Sie schien begeistert von dem, was sie vorhat; sie sah sehr, sehr glücklich aus, und ich habe mich für sie gefreut, weil es das ist, das wichtig ist: Dass man glücklich ist, so wie man lebt.

Aber das komische Gefühl konnte ich nicht loswerden. Ob sie glücklich wird dort?

Dienstag, 22. Juni 2010

Keine Integration

Auf der Suche nach einer auf Englisch beschrifteten Glückwunschkarte zur Hochzeit eines von Alimustafas Cousins in [Land in Südasien] landete ich schließlich in diesem kleinen offensichtlich britischen Laden nicht weit von der [Großstadt in Deutschland]er Innenstadt. Ich hievte den Buggy mit dem Lieschen die eine Treppenstufe hoch und kurvte an englischen Chipstüten, Cornflakespackungen und Softdrinkdosen auf den Verkäufer zu. Mein freundliches "hallo" erwiderte er mit einem gemurmelten "hello"; auf einen Blick auf die Karte in meiner Hand folgte ein "three euros"; das Geld in der Hand: "thank you" und ein "here you are" beim Aushändigen des Wechselgeld. Mein "Danke" kommentierte er mit einem "You're welcome". Erst auf mein "Tschüs" beim Rausgehen, antwortete auch er auf Deutsch: "Tschüs".

Jetzt bin ich auf der Suche nach der Privatnummer von Necla Kelek. Naja, ein anderer Integrationsexperte so wie z.B. Thilo Sarrazin oder auch Ursula Spuler-Stegemann oder wen es da nicht noch alles gibt, würde es auch tun. In jedem Fall muss man doch was tun, man doch die Öffentlichkeit darauf hinweisen, was hier los ist! Gestern erst hätte ich meinen Buggy fast alleine aus der U-Bahn heben müssen, weil der Mann, der neben mir stand, meine Bitte um Hilfe nicht verstand - er sprach nur Englisch - und heute das! Das ist doch nicht hinzunehmen, die leben hier unter uns, aber wollen unsere Sprache nicht sprechen! Wo kommen wir denn da hin!? Der US-amerikanische Ex-Freund meiner Schwester sprach nach vier Jahren Deutschland noch immer schlechter Deutsch als ich nach nem ausgedehnten Sommerurlaub am Mittelmeer Türkisch...! Sieht so Integration aus? Und es werden immer mehr! Ich höre Englisch an jeder Straßenecke, jeden Tag... Das ist die schleichende Englifizierung! Frau Kelek, tun Sie was, hier werden Sie gebraucht!

Montag, 21. Juni 2010

Krisenmanagement

War da nicht irgendwas in Amerika letztens?

Sonntag, 20. Juni 2010

Letztens gelesen (05)

Jan Philipp Reemtsma: Im Keller. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch, 1998.

Vor einer Weile habe ich einen Stapel alter Bücher auf der Straße gefunden. Darunter dieses. Mir waren Name und Geschichte des Autors bekannt; dazu gekommen, das Buch wirklich zu lesen, war ich bis jetzt aber nicht. Lohnt es sich, ein Buch zu lesen, dass vor 12 Jahren über eine vor 14 Jahren stattgefundene Entführung, geschrieben wurde, zu lesen? In diesem Falle: ja. Jan Philipp Reemtsma erzählt in "Im Keller" nicht einfach nur seine Entführung, die 33 Tage in Haft, die Freilassung nach, sondern reflektiert auf erstaunliche Weise die eigene Rolle während der Gefangenschaft. Dabei bezieht er sich längst nicht nur auf sich selbst und seine Erfahrung, sondern schreibt über die Verarbeitung von infolge von Gewaltanwendung erlittenen Traumata im Allgemeinen. Auch nach all den Jahren noch sehr lesenswert!

Samstag, 19. Juni 2010

Meine Lieblingsstraße

... in Frankfurt am Main ist die Münchener Straße im Bahnhofsviertel:



Einen zweiten Teil der Reportage gibt's auch. Mit dem bin ich nicht ganz so einverstanden. Die Behauptung, dass die Münchener Straße eine "Straße der Männer" sei, ist zum Beispiel Quatsch. Und noch weniger stimmt, dass alle nur so neben sich her leben würden, letztendlich aber Deutsche, Türken, Marokkaner usw. wenig miteinander zu tun hätten. Das kenne ich ganz anders, auch von der Münchener Straße.

Freitag, 18. Juni 2010

"Mörder, nicht Muslime"

Im Tagesspiegel berichtet Politikberater Alexander Ritzmann von einer Neuerung in der US-amerikanischen und britischen Sicherheitspolitik:
"Die hierzulande gebräuchliche Differenzierung zwischen Islam als Religion und Islamismus als politisch-religiöser Ideologie wird in den USA verworfen, weil die Öffentlichkeit Schwierigkeiten habe, die „akademische Unterscheidung von Islam und Islamismus“ nachzuvollziehen. Bei der Diskussion um die richtige Wortwahl geht es eben nicht nur darum, ob gewählte Begriffe politologisch korrekt sind. Wichtiger ist, ob sie geeignet sind, das Problem in einer Art und Weise zu beschreiben, die aufklärt und Muslime nicht abstößt. Der Islam wird in Deutschland fast durchweg abwertend dargestellt: beim Kopftuch, dem Patriarchat, den Zwangsheiraten, den sogenannten Ehrenmorden, dem Terrorismus. Dabei bleibt meist ungeklärt, was davon wirklich mit Religion zu tun hat. Was bleibt, ist die unterschwellige These, dass etwas nicht in Ordnung sei mit dem Islam, dass er nicht zu „uns“ passe. Die Unschuldsvermutung driftet ab zum Schuldverdacht."
Wow. Da bringt es jemand auf den Punkt. Ob wir wohl auch in Deutschland mal soweit kommen werden?

Donnerstag, 17. Juni 2010

Was war denn das, lieber DGB?

"Die Nakba" heißt eine Ausstellung, die vom Verein "Flüchtlingskinder im Libanon" konzipiert seit Anfang 2008 durch Deutschland tourt und heute im DGB-Haus in Frankfurt am Main eröffnet werden sollte. Doch dann wollte der DGB nicht mehr: Der DGB-Vorsitzende für die Region Rhein-Main Harald Fiedler entzog den Veranstaltern kurzfristig die Zusage zur Kooperation - mit der Begründung, man wolle die zurzeit sowieso schon aufgeheizte Stimmung mit solch einer einseitig darstellenden Ausstellung nicht weiter schüren.

Seltsam, dass die u.a. vom Evangelischen Entwicklungsdienst geförderte Ausstellung es trotz ihrer "Einseitigkeit" in den letzten (über) zwei Jahren in eine ganze Reihe von Volkshochschulen, Kirchengemeinden, Universitäten und sogar auf den Ökumenischen Kirchentag in München geschafft hat - sind ja alle allgemein als Unterstützer von radikalen palästinensischen Forderungen bekannt... 2009 war die Ausstellung im Stuttgarter DGB-Haus zu sehen und im Karlsruher Verdi-Haus - haben die Genossen vor Ort da etwa geschlafen und fälschlicherweise eine hetzerische, antiisraelische Aktion unterstützt?

Natürlich sei die Ausstellung nicht neutral, meinte eine der Initiatiorinnen vom Verein "Flüchtlingskinder im Libanon" anlässlich der Ausstellungseröffnung, für die schließlich auf Räume des Ökumenischen Zentrums Christuskirche ausgewichen wurde: "Wie könnte sie es auch sein?" Dennoch sei es wichtig, diesen Aspekt der israelisch-arabischen Geschichte auch aus diesem Blickwinkel zu betrachten.

Wer sich selbst ein Bild machen möchte, kommt hier zur Online-Version der Ausstellung.

Dienstag, 15. Juni 2010

Und schließlich doch: Gerechtigkeit

Jackie (17 Jahre zum Zeitpunkt seines Todes),
Patrick (31 Jahre),
Bernard (41),
Hugh (17),
Kevin (17),
Michael (17),
John (17),
William (19),
Michael (20),
James (22),
Gerald (17),
Gerald (35),
William (26),
John (59)

sind tot und sie bleiben es, auch wenn sich David Cameron nach der Veröffentlichung des Saville-Reports nach über 38 Jahren endlich offiziell entschuldigt hat für das durch britische Soldaten verübte Massaker im nordirischen Derry an dem Tag, der als Bloody Sunday in die Geschichte einging. Sie sind tot und bleiben es: Dennoch ist diese Geste des britischen Premiers unverzichtbar, weil sie zwar die Toten nicht zurück bringt und auch keine Verletzung wieder gut machen kann, aber doch die Anerkennung ausspricht, die den Opfern zusteht.

"This Sunday became known as Bloody Sunday and bloody it was. It was quite unnecessary. It strikes me that the Army ran amok that day and shot without thinking what they were doing. They were shooting innocent people. These people may have been taking part in a march that was banned but that does not justify the troops coming in and firing live rounds indiscriminately. I would say without hesitation that it was sheer, unadulterated murder. It was murder." (Rechtsmediziner Hubert O'Neill im August 1973)

Manchmal dauert es eben ein wenig länger. Aber ewig kann die Wahrheit nicht versteckt bleiben.

Lückenfüller

Was macht man als junge Frau, wenn der Sohn später Schule hat als man selbst zur Arbeit muss - und kein Babysitter verfügbar ist, keine Oma, der Vater selbst früh weg muss? Es mag nur eine Stunde sein - aber was macht man mit dem Kind? Vielleicht hat man eine Lieselotte, die ein paar Häuser weiter wohnt: So kam es, dass ich diese Woche auf den kleinen Marvin aufpasste.

Ich habe mich in den letzten Jahren zur gefühlten Spezialistin für U3-Kinder (=unter Dreijährige, für alle (noch) nicht Initiierten) entwickelt - was aber fängt man mit einem Sechsjährigen an? Frühstücken will er nicht, also schleppe ich, selbst nicht ganz überzeugt von der Idee, drei Kisten mit altem Kinderspielzeug vom Speicher. Er solle selbst mal schauen, ob er da was zu finden wäre - schließlich will ich ihn nicht mit unangebrachten Vorschlägen in Verlegenheit bringen. Wider Erwarten begeistert der kleine Marvin sich für die Handspielpuppen und schon nach wenigen Minuten liefern sich der Kasper und die Großmutter eine wilde Verfolgungsjagd durchs Wohnzimmer.

Das Ganze endet in einer Massenschlägerei ("bumm! watz! kawautz! bumm, bumm!"), in die zudem das Gespenst, der Räuber und die Prinzessin verwickelt sind. Als so ziemlich alle tot sind ... entdeckt Marvin das Nutella-Glas, will jetzt also doch noch was essen, und dann ist es fast auch schon Zeit, ihn zum Bus zu schicken. Dorthin laufen kann er alleine, ich überrede ihn noch, seine Jacke wieder anzuziehen, trage ihm den Ranzen zur Tür und winke zum Abschied.

Montag, 14. Juni 2010

"Theologie ist kontextuell"

Ali Özgür Özdil, Direktor des Islamischen Wissenschafts- und Bildungsinstituts in Hamburg, erzählt im Interview mit der Frankfurter Rundschau von überforderten Imamen in Deutschlands Moscheegemeinden, ihrem Einfluss auf Jugendliche, wie das Curriculum einer sinnigen Imamausbildung in Deutschland aussehen müsste und welcher Zusammenhang zwischen Religösität und Gewaltbereitschaft besteht. Hier geht's zum Interview.

Sonntag, 13. Juni 2010

Wir arbeiten doch sowieso

Sollte Kinderarbeit gänzlich verboten oder unter bestimmten Umständen zugelassen werden? Was bringt weiter, ein Reiten auf Prinzipien oder ein Blick auf Realitäten? Wo ist die Grenze zwischen Geht-noch und Gar-nicht-ok? Und wer darf sie definieren?

Freitag, 11. Juni 2010

Im Juni

Es ist Juni und der Sommer ist da. Bis zu 30 Grad im Schatten, und wir sind aus der Stadt geflüchtet. Im Süden Deutschlands ist es auch ganz schön. Lieselotte hängt in der Hollywoodschaukel, mit viel Baumwolle, Leinen und Seide lässt sich selbst so ein Wetter aushalten. Schwesterchen sitzt neben ihr, in Hotpants und nem Trägertop und jammert über die Hitze.

Das Lieschen spielt am Wasser und freut sich, wenn das Nachbarskind vorbeikommt. Dann rennen zwei kleine Kinder durch den Garten und vernichten Cashewkerne aus dem Aldi und Erdbeeren vom Feld. Später kochen wir was und essen am Tisch an der Ecke im Garten. Jetzt wird es kühler, aber nur ein bisschen. Die Sonne geht unter, violettrotrosa färbt sie den Himmel und die paar Wolken. Vielleicht regnet es heut Nacht wieder. Morgen wird wieder ein schöner Tag.

Mittwoch, 9. Juni 2010

Alles wird gut

Ist das nicht nett: Israel lockert die Blockade des Gazastreifens! Ab sofort und bis auf Weiteres dürfen also neben Rasierschaum und Gewürzen wieder Saft, Limonade, Chips, Kekse und "andere Süßigkeiten" in das Stück Palästina am Mittelmeer geliefert werden. Zement, Stahl und was man halt sonst noch so braucht, um Häuser zu bauen, nicht.

Schön! Dann sitzen die Palis also da, auf den Trümmerbergen, die mal Wohnhäuser, Schulen, Hospitale waren und süffeln Saft und Limonade, mampfen Chips und Kekse und "andere Süßigkeiten". Frieden im Nahen Osten - so habe ich mir das vorgestellt!


Lange lebe Israel! (Ich wusste es immer, so schlimm seid ihr gar nicht!)

Sonntag, 6. Juni 2010

Henryk M. Broder, Gaza und der Club Med

Widerlich, dieser Broder. Seine jüngste Spitze: Während der Verleihung der Ludwig-Börne-Medaille an Marcel Reich-Ranicki heute in Frankfurt am Main nutzte er seine Redezeit als Laudator zur politischen Provokation. Tagesschau.de zitiert:
"Bekommen Sie nicht eine Gänsehaut, wenn im Zusammenhang mit den Lebensbedingungen in Gaza von 'Zuständen wie im Warschauer Ghetto' geredet wird?" Er, Broder, hätte sich gewünscht, dass Reich-Ranicki einmal auf den Tisch geschlagen und gesagt hätte: "Ich war im Warschauer Ghetto...Verglichen mit dem Warschauer Ghetto ist Gaza ein Club Med."
Broder, den würde ich gerne mal - ausgestattet mit palästinensischen Papieren (und die Haare müsste man ihm auch vorher färben, dass er so richtig "arabisch" aussieht) - nach Gaza schicken. Vier Wochen, zwei Monate, ein halbes Jahr - ob er dann immer noch so sprechen würde?

Die Veranstaltung, auf Video aufgezeichnet, lässt sich hier ansehen. Broder spricht ab 27 Min : 20 Sec.

Samstag, 5. Juni 2010

Young. British. Female. Muslim.

Fünf junge britische Frauen berichten auf Times Online, wie sie zum Islam gefunden haben. Dabei zeigen die Berichte vor allem eins: Den Typus "Islamkonvertit" gibt es nicht.

Freitag, 4. Juni 2010

Kopftuch im Parlament

Hat hier eigentlich irgend jemand mitbekommen, dass mit Hülya Doğan die erste Kopftuchmuslima in einem deutschen Parlament - nämlich im Bonner Stadtrat - sitzt? Und das seit August 2009?! Ich bin vor einiger Zeit durch Zufall auf diesen Artikel im Spiegel gestoßen - vorher hatte ich davon kein Wort gehört. Habe ich da was verpasst oder wurde da tatsächlich in den gängigen Medien nicht groß drüber berichtet? Falls nicht, wäre das erstaunlich angesichts des Traras, das um Aygül Özkan gemacht wurde - und dabei ist die "nur" türkischstämmig... Oder liegt es daran, dass Bonn eben doch ein Provinznestchen ist?

Eigentlich halte ich nichts von "Migrantenparteien" wie dem"Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit", für das Hülya Doğan in den Bonner Stadtrat zog - aber eine deutsche Politikerin mit Kopftuch, das finde ich super!

Donnerstag, 3. Juni 2010

Zusammengehangen

Und das oft etwas mit der Berichterstattung über den Islam nicht stimmt, sieht man dann an solchen Beispielen:
Artikel in der Online-Ausgabe der WELT:
"Übertritt zum Islam. Wie MTV-Diva Kristiane Backer nach Mekka kam."
...
"Weiterführende Links:
- Mann tötet Exfreundin und beruft sich auf Koran
- Türkischer Gastwirt ersticht 15-Jährige Tochter
- Junge Frauen ausgepeitscht, weil sie Hosen trugen
- Mann ersticht seine minderjährigen Schwestern"
Nachzulesen hier. Noch Fragen?

Mittwoch, 2. Juni 2010

Man demonstriert

Für 16 Uhr war die Kundgebung angekündigt, um 16.05 Uhr rollen das Lieschen und ich auf den Frankfurter Römerberg. Aus der Ferne schon weht uns eine MLKP-Fahne entgegen und tatsächlich sind die meisten der Demonstranten Linke. DKP, linksjugend solid, dielinke.SDS, IGM Jugend und eine ganze Reihe türkischer Linksgruppierungen (ATIK, ADHK): sie alle lassen ihre Fahnen im Wind wehen. Wie ein Relikt aus einer anderen Zeit wirken die "Wir sind gemeinsam stark"-Flaggen, die ich aus den 1980ern kenne. Türkische Fahnen sehe ich mehr als palästinensische und anders als bei der Demonstration gegen den Gazakrieg 2008 / 2009 sind nur wenige Kopftücher zu sehen - dafür ganz viele Demonstranten, die "ganz normal" aussehen. Man ist entweder Teenager oder 40plus. Einige haben anscheinend die Schilder mit dem schwarzweißen Bild einer brennenden Kerze für Gaza, die vor anderthalb Jahren die Demonstrationszüge prägten, noch einmal aus dem Keller geholt.

Um viertel nach vier ist der erste Redner zu hören: ein Vertreter der Linkspartei, der mit hessischem Akzent für Palästina und die Gaza-Flotte spricht. In der Folge wechseln sich eine Reihe von Sprechern ab. Der Sound ist miserabel; 15, 20 Meter entfernt hört man kaum noch etwas, aber ich bin schon froh, dass sie sich dieses Mal die geifernde Frau sparen, die ihre auf Arabisch ins Mikro gebrüllte Rede letztes Mal auf der Hauptwache halten durfte. Auch die "Allahu akbar"-Rufe (im Chor!) haben sie sich diesmal verkniffen - naja, hätte wohl Ärger mit Linkspartei und Co. gegeben.

Der angestimmte "Palästina! Palästina"-Sprechchor verstummt schon schnell, viel länger und lauter ist "Hoch die inter-nationa-le So-li-da-ri-tät!" zu hören. Nach einem Weilchen meckert das Lieschen und ich setze mich mit ihr auf die Stufen zum Rathaus. Eine ältere Frau, die - wie sich kurz darauf herausstellt - aus Bethlehem kommt, setzt sich neben uns. "Früher war ich viel aktiv, aber seit zwei Jahren mache ich da nicht mehr mit. Sind doch immer wieder die gleichen. Uns fehlt der Nachwuchs." Um 17 Uhr verstummt der letzte Redner, die Gruppe von ein paar hundert Leutchen löst sich langsam auf und ich sitze da, und frage mich, ob das alles war.

Selber sehen? Auch mitmachen? Ein Überblick darüber, wo in Deutschland in den nächsten Tagen demonstriert wird, findet sich hier und hier.

Dienstag, 1. Juni 2010

Wir alle



Heute bin ich Palästinenserin. Heute sind wir alle Palästinenser, nicht nur wegen der Anteilnahme für die Getöteten, Verwundeten und die, denen sie in Gaza zu Hilfe kommen wollten, sondern: weil auch auf uns geschossen wird, wenn wir uns der israelischen Armee in den Weg stellen.

Sonst sind es Jugendliche mit Steinen in der Hand, auf die geschossen wird, heute europäische Pro-Palästina-Aktivisten. Der Schritt, der da gemacht wurde, ist gar nicht so groß: "Feinde Israels", die einen wie die anderen - das ist die Logik, die hinter dem Vorgehen der israelischen Armee steht, und die überwunden werden muss, wenn das noch mal was werden soll mit Israel, den Palästinensern und dem Frieden in der Region.