Montag, 27. Mai 2013

Frauen-Treffen

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Sechs Frauen, zwei Kinder, Minztee und Kuchen

Muslime und Hipster und Ganznormale

Es ist Frühling in Deutschland, und weil ich gerade in town bin, fragt Victoria, ob ich auch mitkommen will. Zum Frauen-Treff. Muslimischen Frauen-Treff. Man trifft sich alle ein bis zwei Monate, diesmal in einem Café, in dem Hipster und Ganznormale an kleinen Tischchen, die sich auf dem Bordstein drängen, marokkanischen Minztee, Mangosaft und Mokka aus der Türkei schlürfen. Kleine türkische Gebäckteile gibt es auch und Bio-Eis. Das findet das Lieschen gut, und auch, dass sie nicht das einzige Kind ist, weil Victoria ihre Tochter Lina auch mitgebracht hat. 

Alle anderen sind zu spät. - Typisch Muslime.

Um fünf war das Treffen angesetzt, als das Lieschen und ich eintreffen, sitzt nur Victoria mit ihrem Mann und der Kleinen dort. Alle anderen sind zu spät. Typisch Muslime. Der Besitzer des Cafés kennt die anderen schon. Er ist selbst (praktizierender) Muslim und zuckt mit keiner Wimper, als schließlich eine junge betuchte Frau nach der anderen aufläuft. Victorias Mann verabschiedet sich, und wir sind unter uns. Da ist Victoria, sie ist seit über zehn Jahren Muslimin, hat in Deutschland auf Lehramt studiert, in Großbritannien noch einen Master in Islamischer Pädagogik draufgesetzt und steht jetzt kurz vor dem Referendariat. Wenn sie, als Kopftuchträgerin, eine Referendariatsstelle an einer staatlichen Schule finden würde.

Lehrerin, Juristin, Sozialarbeiterin

Ihre Tochter Lina ist ungefähr so alt wie das Lieschen. Victoria, ihr Mann und die Kleine haben in den letzten Jahren in Frankreich gelebt und sind erst seit Kurzem wieder zurück in Deutschland. Jessy ist auch so alt wie wir - oder vielleicht etwas jünger? Sie hat drei Kinder, ich glaube der älteste ist zehn, die Jüngste noch im Kindergartenalter. Sie ist auch schon lange Muslimin. Von ihrem Mann hat sie sich getrennt und lebt seitdem mit den drei Kleinen alleine. Sie studiert, irgendwas im sozialen Bereich. Heute sind die Kinder bei einem Babysitter. "Alle drei mitzubringen", sagt sie, "nee, das wär mir zu viel gewesen". Dann ist da Maysaa. Sie hat Jura studiert, bis zum ersten Staatsexamen und promoviert jetzt.

Erste kopftuchtragende Muslimin am Lehrstuhl

Als sie damals anfing, war sie die erste kopftuchtragende Muslimin an ihrem Lehrstuhl. Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin eingestellt wurde sie trotzdem, in der Zwischenzeit gibt es an der Uni noch ein paar mehr. Nicht viele, aber mehr als damals. Maysaa hat sich auf Verfassungsrecht spezialisiert, und als Victoria von ihren Schwierigkeiten, eine Referendariatsstelle zu bekommen, erzählt, schüttelt Maysaa nur den Kopf, durch ihre Arbeit bekomme sie solche Fälle immer wieder mit: "Es ist ein Trauerspiel." Nummer fünf am Tisch ist Iman, die gerade ihr Abitur am Abendgymnasium erlangt hat und jetzt an der FH BWL studiert. Als sie von Victorias Berichten mitbekommt, erzählt sie auch gleich, dass sie ihre vorherige Schule unter anderem deshalb verlassen hat, weil sie dort von einem Lehrer ständig wegen ihres Kopftuchs vor versammelter Klasse bloßgestellt worden sei. 

"Wenn er mir jetzt endlich mal einen Heiratsantrag macht...!"

Schließlich sei die gesamte Klasse an eine neue Schule gewechselt, wo die Situation besser gewesen sei. Abi hat sie geschafft und studiert jetzt. Und dann sitzt da noch Nuray, mit der ich mich jedoch nicht unterhalte, weil sie so weit weg von mir sitzt, dass ich kaum etwas von ihr mitbekomme. Dann erwähnt sie in ihrem Gespräch mit Jessy immer wieder [einen bestimmten Stadtteil hier in dieser Stadt], bis Jessy sie fragt: "Sag mal wohnst du jetzt in [besagtem Stadtteil]? Nuray verdreht die Augen, sagt: "Ja, wenn er mir jetzt endlich mal einen Heiratsantrag macht!" und fängt an zu lachen, Jessy fällt ein, und wir müssen das Lieschen und Lina zur Ruhe rufen, die meinen, es sei in Ordnung, in dem Café Fußball zu spielen.

2 Kommentare:

conring hat gesagt…

@ Liselotte
Wie immer total supi Geschite. Nur dieser Satz kolligiert leider heftig der Realität:
"Wenn sie, als Kopftuchträgerin, eine Referendariatsstelle an einer staatlichen Schule finden würde."
Referendare suchen sich keine Schule. Man bewirbt sich zentral in einem Bundesland. Dieses weist einem dann ein Studienseminar zu.
Vielleicht sollte "Victoria" einfach auch diesen Weg beschreiten?
Eine Frage wäre ja auch nich: Welche Fächer unetrricht Sie eigentlih?. "islamische Pädagogik" ist hierzulande kein Unterrictfach. Jedenfalls nicht an staatlcihen Schulen.

Lieselotte hat gesagt…

Ach, da ist ja conring mal wieder, mein persönlicher Lieblings-Supi-Gescheiter.

Artikel zu dem Thema ist in Planung. Der wird auch ihre supi-gescheiten Fragen beantworten.

Jetzt gleich schon: Natürlich ging dem Master in Islamischer Pädagogik ein reguläres Lehramtsstudium in Deutschland voran. Aber das haben Sie sich bestimmt schon selbst gedacht, so als Supi-Gescheiter.

Und übrigens wird mein Name mit ie geschrieben. Lieselotte und nicht Liselotte.

Mit herzlichem Gruße
Lieselotte