Samstag, 25. Mai 2013

Hier hab ich mal gewohnt

.
Aaaah, nichts geht über Multikulti!

Hier habe ich mal gewohnt. Es ist lange genug her, dass ich noch weiß, wie es früher war, aber kurz genug, dass ich, wenn ich die Einkaufsstraße im Viertel einmal hoch und runter laufe, mindestens ein bekanntes Gesicht erblicke. Und wenn es nur einer der Penner ist. Ja, manche der Obdachlosen sitzen immer noch hier auf der Straße, an ihren alten Plätzen, genau wie damals.

Türkisches Restaurant, deutsches Fischgeschäft, schlesischer Tante-Emma-Laden

Ich treffe mich mit meinen Eltern und einer Freundin von früher in einem türkischen Restaurant, das im hinteren Teil der Einkaufsstraße liegt. So was gab es früher nicht. Dönerbuden und Gemüsehändler - ja, aber ein richtiges türkisches Restaurant? Das erste hat vor fast fünfzehn Jahren aufgemacht. Heute gibt es auf der Straße noch ein zweites, außerdem eine türkische Spezialitätenkonditorei, die sich perfekt einreiht in das deutsche Fischgeschäft, den schlesischen Tante-Emma-Laden und das indische Hier-kriegt-man-alles-Geschäft.

Das Viertel hat sich verändert

Es hat sich verändert, das Viertel, das sehe ich immer wieder, wenn ich hierher komme. Es begann mit zwei große Warenhäuser, die schon vor längerem geschlossen haben. Die Gebäude standen lange leer, die Schaufenster zugenagelt, mit Postern und Plakaten verklebt, Unkraut, Graffiti, Hundeklo. Viele der kleinen Einzelhändler konnten sich nicht halten, an ihre Stelle trat der x-te Ein-Euro-Shop und Handy-Laden Nummer 489. Eine Zeit lange sah es schlecht aus für das Viertel. Aber es hat sich gefangen. Manche der kleinen Läden haben sich gehalten, es sind neue dazu gekommen.

London, Berlin - und hier

Der italienische Spezialitätenladen hat zugemacht, an seiner Stelle hat ein todschicker italienischer Eissalon aufgemacht - oder sind das die gleichen Betreiber, die nur ihre Businessstrategie geändert haben? Wie der italienische Laden sich so lange halten konnte, war mir sowieso schon immer ein Rätsel - monatelang standen da die gleichen verstaubten Panettone-Boxen im Schaufenster. Das Pommes-heiße-Hähnchen-Bistro, in dem wir schon als Kind Fritten gegessen haben, ist noch immer da. Der Araber, der vor ein paar Jahren aufgemacht hat und halal Fleisch verkauft hat, scheint sich nicht gehalten zu haben. Dafür glaube ich meinen Augen nicht trauen zu können, als ich ein Pommes-Hamburger-Bistro sehe, das laut Schaufensteraufschrift halal Burger zubereitet. Wow. So was kenne ich aus London und Berlin - hier gab es so was bisher nicht.

Indisch-deutscher Soul im türkischen Resto

Das türkische Resto, in dem wir schließlich essen, ist in alewitischer Hand. In den anderthalb Stunden, die wir dort zusammen sitzen, kommen nach und nach mehr Gäste, bis wirklich alle Tische belegt sind. Es sind junge Leute, viele Studenten, aber auch Familien mit kleinen Kindern, an einem Tisch sitzen zwei ältere türkische Männer. An den orange gestrichenen Wänden hängen Schwarz-Weiß-Fotografien von Menschen in der Türkei. Als Teil eines Kunstprojekts, das zurzeit im Viertel stattfindet, singt hier heute Abend eine junge deutsch-indische Frau, die lange Jahre in Schweden gelebt hat. Die Musik ist toll - irgendwas zwischen Soul, Deutsch-Pop und Elektro-Pop. 

Hier hab ich mal gewohnt

Hier habe ich mal gewohnt. Es ist lange genug her, dass ich noch weiß, wie es früher war, aber kurz genug, dass es immer noch vertraut ist.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ja, so ändern sich die Zeiten, die Strassen, das ganze Viertelchen, in dem wir ao lange gewpohnt haben und wir selbst....