- 5. Ramadan -
Andrey lerne ich auf dem Spielplatz kennen. Er ist mit seiner kleinen Tochter, die etwas jünger als das Lieschen ist, dort, was das Lieschen ganz toll findet, weil sie ja mit der Kleinen spielen könnte. Alleine fragen, ob das dem Mädchen auch so geht, will sie natürlich nicht, also muss Mama mit und Übersetzer spielen.
Der Papa heißt Andrey
Es stellt sich heraus, die Kleine will, und ihr Papa ist auch ganz nett, heißt Andrey und findet es, obwohl er Russe ist, normal, dass die Frau mit dem komischen Tuch auf dem Kopf mit ihm spricht (nein, dass ist nicht bei allen Osteuropäern hier in London der Fall; denke mir halt immer - ich habe selbst in Osteuropa gelebt -, die sind die Diversität nicht so gewöhnt wie jemand von hier).
High-skilled immigrant
Aber Andrey ist in der Hinsicht cool, seine Tochter heißt genauso wie das Lieschen, und ein kleiner Bruder, der etwas älter ist als das Lieschen, springt da auch noch rum. Andrey erzählt, dass sie vor sechs oder sieben Jahren nach London gekommen sind, die beiden Kleinen sind beide hier geboren. Ein Programm für high-skilled worker machte es ihnen möglich, überzusiedeln. Am Anfang war es sehr schwer, erklärt Andrey, aber in der Zwischenzeit hätten sie beide einen Job, und es wäre halt Routine.
Verständnisschwierigkeiten
Er arbeitet in der IT-Branche. Sein Englisch ist flüssig, aber dafür, dass er seit sechs Jahren in London lebt, wirklich nicht gut. Die Kinder sprechen beide nur Russisch. Der Kleine geht in der Zwischenzeit in die Schule, was schwierig sei, weil nicht alle Lehrer geduldig genug seien, so langsam und deutlich zu sprechen, dass sein Sohn es verstünde.
Russischsprachige Tagesmutter
Andreys Frau hätte Abschlüsse in Musik, Kunst und Psychologie und sich als Tagesmutter selbstständig gemacht. Teilweise hätten sie elf Kinder gehabt, drei Lehrer eingestellt, die den Kindern Mathe, Kunst, Musik, Lesen und Schreiben beigebracht hätten. Umgangssprache war Russisch, die Zielgruppe russischsprachige und litauische Kinder. Davon gibt es in manchen Teilen Ostlondons richtig viele. Er lacht: "Wir haben immer noch sooo viele Spielsachen zu Hause."
Oma passt auf das Kind auf
In der Zwischenzeit läuft das Geschäft mit der Kinderbetreuung nicht mehr so gut. Viele der Osteuropäer, die in den letzten Monaten und Jahren nach London kamen, und kleine Kinder mitbringen oder hier eins bekommen, bringen die Oma von zu Hause mit. Da wohnen dann Papa, Mama, Kind und Oma in einem Zimmer; die Eltern gehen arbeiten und Oma passt auf das Kleine auf. "Jetzt haben wir nur noch ein paar Kinder in der Betreuung", erklärt Andrey.
Russland und der Islam
Während wir uns unterhalten, überlege ich, warum so mancher Russe, den ich kenne,Vorbehalte gegenüber Muslimen hat. "Na ja, die haben Tschetschenien, Anschläge in Beslan, in Moskau, wer weiß, wie du zu Muslimen und dem Islam stehen würdest, wenn dass das einzige Bild dieser Religion wäre, das du präsentiert bekämst", denke ich mir und bin froh, dass Andrey aus Moskau oder Petersburg kommt, weil ja alle coolen, toleranten Leute immer in den Großstädten leben.
Vorurteile haben wir alle
Dann erzählt Andrey, dass sie aus Astrachan kommen, einer mittelgroßen Stadt nördlich des Kaspischen Meeres und ich will mir gegen den Kopf schlagen für meine Dummheit, Astrachan liegt nur ein paar hundert Kilometer vom Nordkaukasus, von Tschetschenien, Inguschetien, das weiß ich, und ich denke mir, wie doof ich bin, zu glauben, dass er, weil er einer Muslimin offen und tolerant gegenüber ist, aus einer der großen Städte in Russlands Westen kommen muss - als ob man, nur weil man aus der Provinz kommt, doof und vernagelt sein muss und die Menschen dort keinen Kopf haben, den sie benutzen können, kein Hirn, das sie befähigt, zu differenzieren. Tja, Vorurteile, da hat man's mal wieder, haben wir alle.
Und ein russischsprachiger Nepalese ist da auch noch unterwegs
Und so stehen wir da auf dem Spieplatz in der Sonne, denn endlich, endlich, endlich lässt die sich auch mal hier in London blicken, und ich rufe meinem Lieschen was auf Deutsch zu, und er seinen Kindern was auf Russisch, und das kriegt ein südasiatisch aussehender Mann mit, der ihn prompt auf Russisch anspricht. Woher er denn käme, ob er Russe sei, und falls ja, woher aus Russland. Andrey antwortet, und es stellt sich heraus, dass der Mann aus Nepal kommt, aber in Russland gelebt hat - soviel Russisch verstehe ich auch noch, um das mitzubekommen.
Danke, Andrey
Andrey macht noch Bilder von dem Lieschen und seinen beiden Kleinen, wie sie zu zweit (die dritte im Buggy) den Buggy über den Spielplatz schieben, und verspricht, sie mir am nächsten Tag zu schicken. Hat er gemacht, danke, Andrey.
Dienstag, 24. Juli 2012
Der Papa heißt Andrey
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3 Kommentare:
Hatten Sie sich nicht mal in Deutschland beworben? Was ist da denn draus geworden?
Glaub, ich habe mich im Beitrag vertan, der gehört einen tiefer...
Sorry, da gibt's keinen Kommentar dazu. Soviel Privatsphäre muss sein...
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