Dienstag, 19. Januar 2010

Letztens gelesen (1)

Lale Akgün: Tante Semra im Leberkäseland. Geschichten aus meiner türkisch-deutschen Familie. Frankfurt am Main: Krüger, 2008.

Von ihren politischen Ansichten, gerade im Bereich Islam- und Integrationspolitik, mag man ja halten, was man möchte: Lale Akgüns "Tante Semra im Leberkäseland", eine Sammlung von Geschichten aus ihrer "deutsch-türkischen Familie", stellte sich dennoch als kurzweilige Lektüre heraus.

Sicher, letztendlich ist auch dieses Buch nur ein weiteres in der Reihe von den vielen "Ich hab nen Migrationshintergrund und erzähl euch jetzt mal, wie ich den Spagat hinbekomme"-Berichten, die in den letzten Jahren erschienen sind, unter anderem von Iris Alanyali, Hatice Akyün, Hasnain Kazim (der allein schon deshalb aus der Masse heraussticht, weil er ein Mann ist und keinen türkischen sondern einen pakistanischen Familienhintergrund hat). Die meisten dieser Autoren setzen bei dem Plaudern aus dem Fundus von Familienanekdoten auf Humor. (Und unterscheiden sich darin von den Autoren der Kategorie
"Ich bin dem Ehrenmord nur knapp entkommen" wie Serap Çileli, Seyran Ateş oder - außerhalb Deutschlands - Ayaan Hirsi Ali.)

Humorvoll schreiben tut auch Lale Akgün in "Tante Semra im Leberkäseland". Wenn es etwas gibt, was ihr Buch vor ähnlichen auszeichnet, dann ist das die so gar nicht "gastarbeiterige" Familie, die darin beschrieben wird. Der Vater überzeugter Athe- und Sozialist und ausgebildeter Zahnarzt (nicht ungelernter Arbeiter irgendwo am Fließband einer großen Fabrik), die Mutter glühende Kemalistin und studierte Mathematikerin (nicht analphabetische Hausfrau). Mit praktisch gebundenen Kopftüchern, Turnhallenhochzeiten und kleinen Häkeldeckchen über der Sofagarnitur können sie nicht viel anfangen. - Mit den gängigen Klischees kommt man hier also nicht weit.

Jetzt ist es ja nicht so, dass man nicht schon mal davon gehört hätte, dass es kulturelle Differenzen nicht nur zwischen Deutschen und Türken gibt - sondern genauso innerhalb "der" deutschen oder türkischen Kultur. Trotzdem: Es lohnt sich, an einem langweiligen Sonntagnachmittag Lale Akgüns Buch in die Hand zu nehmen. Besonders anspruchsvolle Lektüre ist es nicht, dafür aber witzig und in einer anschaulichen Sprache geschrieben.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ganz schön herablassend, dieser Kommentar!
Zunächst geht es ja darum, dass jemand seine Geschichte erzählt. Und dazu noch als Angehöriger einer Gruppe in Deutschland, die mit Klischees nur so diffamiert wird, auch von Medien und Politik.
Es ist in erster Linie interessant zu lesen, dass dieses Familienleben abweicht von diesen Klischees und in vielem dem von deutschen Familien ähnelt. Das ist doch mal eine ganz wichtige Information! Und unterhaltsam liest sich das auch, ein Vorteil gegenüber wissenschaftlichen abhandlungen, die kein Mensch versteht.

Lieselotte hat gesagt…

Ach Mama...