So, jetzt ist es soweit: Afghanistan verdrängt Haiti von den Titelseiten. Jede Krisenregion darf ja mal - auf Seite 1 vom SPIEGEL kommen. Jetzt steht also wieder Zentralasien im Fokus. Morgen beginnt die (mal wieder eine) Afghanistan-Konferenz in London. Es wird um Geld, Soldaten, Pakistan gehen. Und um Taliban. Zum Warmwerden begann man in Deutschland schon mal ein paar Tage vorher, sich Gedanken zum Thema zu machen.
Taliban sind antiwestlich, radikal, frauen- und minderheitenfeindlich, schrecken auch vor Gewalt nicht zurück und erwiesen sich in den letzten Jahren als äußerst hartnäckiges soziales Phänomen. Was also tun? - Taliban kaputt bomben? Hat bis jetzt nicht wirklich geklappt. - Isolieren? Dürfte auch nicht ganz so einfach zu bewerkstelligen sein - und die doch ein bisschen durchlässige Grenze zu Pakistan wäre dabei nur ein Aspekt. - Ignorieren? Wurde lange genug versucht, ist aber schwierig, wenn sie zunehmend die eigenen Soldaten angreifen. - Also?
Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle brachte eine "neue" Idee in die Debatte ein: ein Taliban-Aussteigerprogramm. Als ich das vorgestern im Radio hörte, dachte ich erst: "oh toll, wie im Jemen" - wo ich zum ersten Mal von muslimischen Geistlichen, die zu potentiellen und tatsächlichen Terroristen ins Gefängnis geschickt wurden, gehört hatte. Aber ein paar Sätze weiter war mir dann schon ein bisschen zu viel von "wirtschaftlicher Unterstützung" und "Jugendlichen", die sich "zum Broterwerb" den Radikalen anschließen, die Rede. Eine berufliche Perspektive eröffnen mag ja eine Möglichkeit sein. Aber wenn es einem darum geht, etwas zu radikalen Islamisten beizukommen, dann braucht es mehr.
"Umerziehung" ist ein weniger schönes Wort, das zudem falsche Hoffnungen wecken könnte; "Dialog" vielleicht etwas zu ungenau und - lasch; vielleicht trifft es: "Politische Bildung". Erfahrungen damit hat man nicht nur im Jemen und in Saudi-Arabien gemacht. Von heute auf morgen wird sich da nichts tun. Aber wer immer noch denkt, wir ziehen uns übermorgen aus Afghanistan zurück, übergeben alles schön lokalen Sicherheitskräften, und gut ist - der hat eh etwas Wesentliches nicht begriffen.
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2 Kommentare:
Ah, das Aussteigerprogramm ist wirklich eine lustige Idee! Ich musste schmunzeln als ich dies in der Presse las - der Guido ist wirklich ausgefuchst hehe. Und sowas nennt sich Außenminister ... ts.
Aber was wäre Dein konkreter Vorschlag für eine eventuelle Lösung des Problems?
Nee, "Aussteigerprogramm" (der Begriff ist doof) an sich ist schon in Ordnung. Aber das wird nicht so einfach laufen, wie Mr. Westerwelle es da vorgetragen hat: "Alle haben nen Job und dann ist Frieden". Da muss man noch ein paar Schritte weitergehen, das meinte ich. Und gerade bei so welchen wie den Kollegen Taliban täte man, denke ich, gut daran, auch religiös zu argumentieren - nur eben "anders religiös"... Wie genau solche Programme auszusehen könnten und was sie alles beinhalten, wurde in verschiedenen Staaten, und auch von Arbeitsgruppen der UN, bereits ausgearbeitet. Sind echt ganz interessante Ansätze dabei - ich sehe schon, da lacht mir noch ein potentielles Masterarbeitsthema entgegen... ;)
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