Sonntag, 17. Januar 2010

19

Es ist jetzt ja wirklich schon ein Weilchen her, dass ich nicht mehr 19 bin. Aber ich kann mich noch gut an das Gefühl erinnern damals. Das war die Zeit kurz vor dem Abi und dann danach. Ich war dabei, eine Reise nach Frankreich zu planen und eine auf den Balkan; habe überlegt, ob ich dieses, jenes oder doch ein anderes Fach studieren sollte und bei der Studienplatzwahl geschwankt zwischen dem überschaulichen Städtchen in Baden-Württemberg und der spannenden Metropole im Osten der Republik... Das Gefühl war umwerfend: Mir steht alles offen und für was immer ich mich auch entscheide, es wird - inshaallah - gut werden. 19 Jahre in Deutschland.

Auf dem Busbahnhof in Jerusalem - das war nicht mehr mit 19 sondern schon ein paar Jahre später - meinte Clémence, als wir beide für einen Moment fassungslos das junge Pärchen in Militäruniform anstarrten, das sich über seine Kalaschnikov hinweg küsste: "Das ist falsch!" ... und ich erwartete einen Kommentar über sorglose israelische Jugendliche und die unzulässige Besatzung der Palästinenser, wie ich es von Clémence, die in einer palästinensischen NGO arbeitete und sich in französischen Palästina-Gruppen engagierte, erwartet hätte. Aber das war es nicht, was Clémence meinte: "Das ist falsch", sagte sie wieder. "18-, 19-, 20-Jährige sollten keine Kalaschnikov tragen, das ist doch irr, Jugendliche mit einer Kalaschnikov im Arm!"

Ja, das ist irr. Mit 19 Jahren sollte man sich Gedanken darüber machen, in welcher Stadt man studieren will, ob man studieren soll, was man mit den Jahren, die vor einem liegen, anfangen möchte. Man sollte sich nicht zwischen "Gesetz und Gewissen" entscheiden müssen. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn ich nicht in Deutschland sondern in Israel 19 gewesen wäre. Hätte auch ich eine Uniform getragen? Meinen Freund über eine Kalaschnikov hinweg geküsst? Ob ich den Mut gehabt hätte, für meine Überzeugung ins Gefängnis zu gehen? Mit 19? Ich weiß es nicht. Weißt du's?

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