Oder: Zwischen Wien, Zagreb und Mazedonien
Ismete lebt seit anderthalb Jahren in Wien. Dass sie aus Mazedonien kommt, darauf muss man erst mal kommen. Mit ihrem typisch türkisch gebundenen Kopftuch könnte man sie ohne Weiteres für eine Anatolierin halten.
Studentin der Islamischen Theologie
In Wien studiert sie Islamische Theologie, macht hier einen Master. Den ersten Abschluss hat sie im Kosovo erlangt. Mit dem Studium in Österreich ist sie nicht so richtig zufrieden. "Es geht nur um Kritik am Islam", sagt sie rollt genervt mit den Augen. "In Bezug auf theologische Fragen habe ich in den letzten anderthalb Jahren hier an der Uni nichts gelernt. Warum heißt es dann Islamische Theologie und nicht Kritische Islamwissenschaften - oder so?"
Zwischen Wien, Zagreb und Mazedonien
Ismete ist Ende Zwanzig und verheiratet. Ihr Mann kommt wie sie aus Mazedonien. Er studiert in Kroatien, bereitet sich dort auf seine Promotion vor. In welchem Fach habe ich sie nie gefragt. Sie pendelt zwischen Wien und Zagreb, jetzt in den Ferien ist sie wieder bei ihm.
Mehrsprachig
Neben Deutsch, was sie fließend spricht, beherrscht sie Albanisch und Mazedonisch - was für eine Angehörige der albanischen Minderheit in Mazedonien nichts außergewöhnliches ist. Außerdem ist ihr Türkisch perfekt, sie hat die Sprache in Mazedonien gelernt und im Wiener muslimischen Mädchenwohnheim perfektioniert.
Zukunftspläne: Deutschland...
Ihre Masterarbeit plant sie, zur Behandlung des interreligiösen Dialogs in islamischen Schulen in Österreich und Mazedonien zu schreiben. Was danach kommen soll? Vielleicht eine Promotion. Aber nicht in Österreich. Viel lieber will sie dafür nach Deutschland - "dort ist man im Bereich Islamische Theologie schon viel weiter als in Österreich. Wir haben hier in Wien einen Professor in dem Fachbereich..." Immer wieder bekomme ich mit, dass sie gerade wieder an einem Konferenzbeitrag arbeitet.
...oder doch UK? Und Kinder!
Auch ein Promotionsstudium in Großbritannien könnte sie sich vorstellen. Sie überlegt schon, demnächst bald einen Englischkurs zu machen, um ihr Englisch (das jetzt schon gut ist) auf Vordermann zu bringen. Kinder will sie auch mal - später irgendwann.
Was gesehen
Beim Tee erinnert sie sich an die Reise, zu der sie als community leader aus dem multiethnischen Mazedonien vor einigen Jahren von der US-Regierung zu einer Rundreise durch Amerika eingeladen wurde. Sie zählt die Städte auf, die sie im Zuge dieser Reise gesehen hat. "Mein Mann hat in Nordamerika studiert, aber er sagt selbst immer, dass ich definitiv mehr von den USA gesehen habe als er", sagt sie, lacht, und nimmt noch einen Schluck Tee.
Mittwoch, 15. Februar 2012
Ismete
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13 Kommentare:
Das braucht die Welt - noch mehr Islamwissenschaftler...
Sie haben es erfasst. Islamwissenschaftler mit einer Ausbildung sowohl in Westeuropa als auch in einem mehrheitlich muslimischen Land - das braucht die Welt.
Wenn die "Welt" mehr islamische Theologen braucht, die sowohl in Westeuropa als auch in einem mehrheitlich muslimischen Land sudiert haben, warum haben Sie der jungen Dame nicht geraten ihre Ausbildung in Ägypten oder Saudi-Arabien fortzusetzen?
Da Sie ja bisher nur im Westen studiert hat und mit der hiesigen kritischen Theologie sowieso unzufrieden ist, wäre das doch eine logische Alternative.
Bleibt nur noch die Frage wozu?
@ conring:
Ihren ersten Studienabschluss in Islamischer Theologie erlangte "Ismete" im Kosovo. Das ist ein mehrheitlich muslimisches "Land".
@ Anonym:
Zum Brueckenschlagen zum Beispiel. Oder: weil alle mehr wissen, wenn man ein Thema nicht nur aus einer sondern mehreren Perspektiven betrachtet. Meinen Sie nicht?
@Liselotte,
aber dann wäre es doch nicht wieder an der Zeit (die hiesige "kritische Theologie") sagt der Dame ja nicht zu, in den Schoß der Umma zurückzukehren?
In der BRD hat dieser "kritische" Ansatz ( bei den christlichen Theologen die Regel) auch schon die islamischen Lehrstühle infiziert. Zitat:
"Unser Ziel ist es, dass die Studierenden lernen, die Quellen des Islam selbstständig zu rezipieren. Am Ende müssen sie verstehen, dass Theologie als rationale Selbstreflexion des Glaubens nur durch kritisches Hinterfragen möglich ist" (Prof. Ömer Özsoy in der FR)
Dass gehört an einer westeuropäischen Universität auch bei den Theoloegn dazu, ohne die Bereitschaft dazu, kann man sich da sicher auch nicht so leicht promovieren.
Wiegesagt Ägypten oder Saudi-arabien sind da doch ernsthafte Alernativen. Die Dame kann da sicher auch ihre hiesigen Erfahrungen kenntniserweiterend in den dortigen theologischen Diskurs einbringen. Es braucht ja nicht immer nur der Okzident vom Orient zu lernen, Wissenstransfer in der anderen Richtung muss doch auch sein.
Ach, conring.
Ich glaube nicht, dass "Ismete" etwas gegen Kritische Islamwissenschaft an sich hat. Nur muss man, um kritisieren zu können, erst einmal wissen, von was man überhaupt spricht. (Bestes Beispiel dafür sind viele Islam"kritiker", die mit ihrer Kritik viel weiter kommen würden, wenn sie fundiertes theologisches Islamwissen hätten. Haben sie oft nicht und schneiden sich damit letztendlich ins eigene Bein. Aber gut, das wäre jetzt wohl ein neues Thema.)
Von einem einseitigen Wissenstransfer war nie die Rede, da haben Sie mal wieder in meine Aussage gelesen, was Sie lesen wollten, stimmts?
@Liselotte,
jeder Leser liest in jeden Text hinein, was er lesen will.
Vgl. Wolgang Iser, Der Akt des Lesens - Theorie ästhetischer Wirkung.
Tun Sie bei meinen Kommenraren auch.
Und fundiertes Islam-Wissen braucht man hierzulande eigentlich nur, wenn man sich um eine Karriere im Bereich der Orientalistik bemüht.
"Bestes Beispiel dafür sind viele Islam"kritiker", die mit ihrer Kritik viel weiter kommen würden, wenn sie fundiertes theologisches Islamwissen hätten. Haben sie oft nicht und schneiden sich damit letztendlich ins eigene Bein"
Absolut korrekt; von Bahrain bis Bashar ist der Islam ungemein mannigfaltig.
@ Anonym: Genau solche Kommentare hatte ich gemeint. Danke fürs Bestätigen meiner Aussage! :)
@ conring:
Meinen Sie?
Ich kenne viele Städte, in denen händeringend nach Ärzten und Pflegepersonal mit Kulturraumwissem im Bereich muslimische Welt (inkl. Sprachkenntnisse) gesucht wird, um der neuen deutschen Realität, die eben auch in unseren Krankenhäusern, Alters- und Pflegeheimen deutlich wird.
Auch die Polizei hat sich in der Vergangenheit aktiv um Bewerber mit Hintergrundwissen zu muslimischer Religion und Kulturen bemüht.
Ansonsten käme wie gesagt noch der (Islam)lehrerberuf in Frage.
Berufsberatung. Integrationsarbeit. Consultant. Journalist. Rechtsanwalt. Soll ich weitermachen?
@Liselotte
bei den von Ihnen genannten Berufsfeldern geht es doch eher um Sprach- und Mentalitätskenntnisse und keine ausgedehnten Kenntnise der islamischen Theologie. Berufsfeldmässig haben Sie übrigens noch BND und Verfassungsschutz gesucht.
Wieso eigentlich in der Altenpflege? Eine Mähr über die die Zuwanderer aus der islamischen Welt ist doch, dass diese viel Familienbewußter sind und niemals Eltern oder Großeltern ins Altenheim schicken würden.
@ conring:
Ja klar, Verfassungsschutz auch noch. Oder die Bundeswehr. Entwicklungszusammenarbeit. Oder in verschiedenen Ministerien.
Klar, oft geht es auch um Kenntnisse im Bereich Sprache, Kultur, Mentalitaet - bisweilen eben aber auch Theologie.
Und zur Altenpflege: Ja, die Dinge sind im Fluss. Viele der Menschen, die einst hierher kamen, leben heute anders als das noch in ihrer Heimat der Fall war - und sind der Mehrheit der "Alteingesessen", wenn Sie so wollen, aehnlicher als denen, die in der Heimat zurueck blieben. Die Kleinfamilie wird auch unter Zuwanderern, in deren Laendern sie nicht ueblich ist (war, denn auch in diesen Laendern tut sich was), immer weit verbreiteter.
Dass kann man mit leicht gehaessigem Unterton ("Eine Maehr ueber die Zuwanderer ... ist doch") kommentieren oder einfach als Anpassung, Angleichung, einen Teilaspekt von Integration (?) beschreiben.
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