Und jetzt leben wir in einem Wohnheim für Studentinnen, die aus der Türkei zum Studium nach Österreich gekommen sind. Sie kommen aus allen Ecken der Türkei, viele aus Istanbul, aber auch aus dem Landesinnern, von der Schwarz- und Mittelmeerküste und aus dem Osten. Sie studieren BWL, Architektur, Psychologie, Ernährungswissenschaften, Medizin, Jura, islamische Theologie. Die "Türkinnen" sind Türkinnen, Kurdinnen, Angehörige der arabischen und der mazedonischen Minderheit. Zwei Österreicherinnen, deren Familien aus der Türkei stammen sind auch dabei. Ein Mädchen aus dem Kosovo, eine indonesische Phd-Studentin. Und das Lieschen und ich.
Zum Studium ins Ausland
Einige der Mädchen stehen schon am Ende ihres Studiums und leben seit fünf oder sechs Jahren hier. Andere sind erst seit einigen Wochen im Lande. Manche sprechen fließend Deutsch, andere stehen noch ganz am Anfang. Die Mädchen, die vor Jahren hierher kamen, haben Österreich als Studienort gewählt, weil sie so trotz Kopftuchverbot an türkischen Universitäten einen Studienabschluss erlangen konnten. Die, die jetzt (wo das Verbot nicht mehr durchgesetzt wird wie früher) kommen, wissen, dass sie hier eine bessere Ausbildung bekommen als zu Hause. Dauerhaft bleiben will keine.
Türkinnen, Österreicher, Deutsche
Österreichische Freunde haben die wenigstens. Zena hat eine österreichische Tandempartnerin - aber welcher Österreicher will schon Türkisch lernen? Die deutschen Studenten, von denen es hier Massen gibt, genießen unter den Mädchen einen weitaus besseren Ruf. "Die Österreicher sind irgendwie kalt", höre ich hier immer wieder, "ganz anders als die Deutschen, die sind viel freundlicher. Außerdem sprechen die Wiener so komisch, da verstehe ich nie ein Wort." Jetzt eine Muttersprachlerin im Haus zu haben, finden sie alle toll.
Tülin aus Ankara, Pervin aus Erzurum
Besonders beeindruckt hat mich Tülin. Ihre Eltern kommen aus Ankara und sind ganz einfache Leute. Tülin haben sie auf eine internationale Schule geschickt, in der auf Englisch unterrichtet wurde, so dass sie heute Englisch fließend spricht - mit britischem Akzent. Nach dem Abitur, dass sie diesen Sommer ablegte, lernte sie drei Monate lang an einer türkischen Sprachschule Deutsch. Dann kam sie nach Österreich. Ich lernte sie nur ein paar Tage nach ihrer Ankunft in Wien kennen. Ihr Deutsch war fließend. Pervin ist schon seit zwei Jahren hier. Sie ist Kurdin, ihre Familie stammt aus Erzurum, ist aber nach Istanbul gezogen. Pervins Deutsch ist noch abenteuerlich, das sagt sie selbst und lacht: "Ich denke einfach zu schnell, da kommt ich mit dem Sprechen nicht hinterher." Sie überlegt jetzt sich selbst eine Wohnung zu suchen und auszuziehen. "Ich habe mein Leben lang mein eigenes Zimmer gehabt", erklärt sie, "sich ein Zimmer zu teilen, war für zwei Jahre okay, aber jetzt langsam reicht es mir."
Von wegen "Kopftuchmädchen"
Ich wohne hier mit Dutzenden von türkischen Mädchen. Einige sind türkisch, andere kurdisch, arabisch oder mazedonisch. Pervin kann armenische Lieder singen: "Bei uns in Mesopotamien sind wir alle durchgemischt, ein buntes Durcheinander", erklärt sie mit einem Augenzwinkern. Sie sind noch ganz jung oder schon etwas älter, tragen ihr Kopftuch im schicken türkischen Stil, als Schal gebunden, im Oma-Style - oder gar keins. Sie sind haben schneewittchenschwarze Haare, rapunzelblonde, irischrote oder kastanienbraune, Ela hat ihre orange gefärbt (bloß sieht das draußen keiner, wegen des Kopftuchs). Sie sind hübsch, hässlich, wunderschön; dick, dünn, ganz normal; verheiratet, ledig; sehr religiös oder nur ein bisschen; kreuzgescheit, gewitzt und frech oder eher brav und unauffällig - sie sind so verschieden, dass ich lügen würde, würde ich sagen, dass ich nicht wütend werde, wenn ich daran denke, dass sie für manche einfach nur Türken wären, Kopftuchmädchen.
Montag, 14. November 2011
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14 Kommentare:
"sie sind so verschieden, dass ich lügen würde, würde ich sagen, dass ich nicht wütend werde, wenn ich daran denke, dass sie für manche einfach nur Türken wären, Kopftuchmädchen."
Und? Beispielsweise als nichtmuslimischer Mann kommt man doch mit denen ohnehin nie in Kontakt.
Dieses Wohnheim wird ja unter anderem auch den Sinn haben, sie von den Ungläubigen fernzuhalten, oder?
Wozu sich also näher mit Menschen beschäftigen, die selber alles dafür tun, sich abzugrenzen.
1) Nö, stimmt nicht. Die haben durchaus auch nicht-muslimische männliche Bekannte, an der Uni zum Beispiel.
2) Das Wohnheim hat nicht "den Sinn, sie von den Ungläubigen fernzuhalten", sondern eine Anlaufstelle und sichere Basis in der Fremde zu bieten. Ich habe als Studentin in Frankreich anfangs auch in einem deutschen (von katholischen Nonnen geführten, übrigens) Wohnheim gelebt. Nicht, weil ich mit Franzosen nichts zu tun haben wollte, sondern, weil das am einfachsten aus Deutschland zu organisieren war. Glauben Sie, falls diese Mädels keinen Bock auf "Ungläubige" hätten, wären sie nach Österreich gekommen?? Da hätten sie mit nem Stipendium nach Saudi-Arabien gehen können statt jeden Monat hunderte von Euros zusammen zu kratzen, um in Europa studieren zu können... Also echt!!
"Österreichische Freunde haben die wenigstens."
meinen Sie "die wenigsten", oder "sie wenigstens"
"aber welcher Österreicher will schon Türkisch lernen?"
Warum soll das sozialen Kontakten mit Einheimischen entgegenstehen, wo doch einige der Damen nach Ihrer Schilderung inzwischen gut deutsch können ?
Haben Sie mal was gehört, was passiert, wenn eine der Studentinnen in Richtung der österreichischen Gesellschaft abgängig zu werden trachtet ?
Ist eine Frage, keine Unterstelltung; deswegen das Fragezeichen.
1) "Die wenigsten".
2) "Sozialen Kontakt mit Einheimischen" haben sie. An der Uni. Ich sprach von Freundschaften. Und es koennen nicht "einige der Damen" gut Deutsch, sondern der Grossteil - halle, die studieren auf Deutsch?! Die, die es noch nicht koennen, sind die, die erst seit kurzem hier sind und noch den Deutschkurs absolvieren.
3) Was meinen Sie mit "in Richtung der oesterreichischen Gesellschaft abgaengig zu werden trachtet"?
Bleibt noch übrig, welche Rolle diese Frage spielt:
"aber welcher Österreicher will schon Türkisch lernen?"
3) In Ö. bleiben wollen, Ösi heiraten; enden die alle wie Sabatina James, oder tut sich da auch was ?
Das ist eine etwas hypothetische Frage, da - wie im Artikel erwaehnt - keine der jungen Frauen in Erwaegung zieht, dauerhaft in Oesterreich zu bleiben. Warum auch, haben Sie doch alle ihre Familien, ihren dauerhaften Lebensmittelpunkt in der Tuerkei.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass eines der Maedchen einen nicht-muslimischen Oesterreicher heiraten wollte. Ob die Familien von einem zwar muslimischen aber nicht tuerkischen Schweigersohn was haltne wuerden, keine Ahnung; so eine Frage kann man doch nicht pauschal fuer alle beantworten.
Sabatina James? Haetten Sie wohl gerne.
"Sabatina James? Haetten Sie wohl gerne."
Und Sie nicht, stimmt's ?
Ja, hätte ich gerne.
Leben, wo man nicht begraben sein möchte; lernen, wo Romeo und Julia sich nicht abspielen dürfen ...
... alles sehr respektabel; nur etwas einseitig auf die Dauer.
Studiert auch eine Literatur ? Wo doch eine gefühlte Hälfte der westlichen Literatur einen Handlungsverlauf hat, der unter islamischen Vorzeichen schlicht sündhaft ist. Statt Ehrenmord im ersten Akt zwei Stunden hin und her im Theater. Studiert eine der Damen Theaterwissenschaften ?
Sabatina James oder nicht ist mir ehrlich gesagt schnuppe. So lange ich mir für mich aussuchen kann, wie ich leben will, soll das auch Sabatina James für sich tun.
Eine Studentin der Literaturwissenschaften ist mir hier noch nicht begegnet. Aber den "sündhaften Verlauf" finden Sie auch in einem Großteil der orientalischen Literatur. Und?
Theaterwissenschaften studiert ebenfalls keine. Aber Theaterfans gibt es hier einige. Operfans. Museumsfans.
@Liselotte
wieso kommen die Damen eigentlich in das vollkommen islamophobe Mitteleuropa?
Sind in der islamischen Welt die schrecklichen islam-feindlichen Tendenzen hierzulande (die Oesis sind ja kaum besser als die hiesigen Ungläubigen) nicht bekannt?
Islamisch organisierte Länder wären doch viel besserer Studienorte.
Ach, conring.
Wer hat gesagt, dass Mitteleuropa "vollkommen islamophob" ist? Wir kommen hier nicht weiter, wenn Sie sich nicht auf das beziehen, was ich geschrieben habe, sondern was Sie in irgend einem Pierre Vogel-Video (oder so) gesehen haben. Weshalb "die Damen" hier studieren habe ich im Text erklärt.
Und "islamisch organisierte Länder", machen Sie Witze? Es gibt Länder mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit und ein paar, die sich explizit auf den Islam berufen, aber wieviel Islam von den Regierungen besagter Länder tatsächlich praktiziert wird (und inwiefern es egentlich um weitaus weltlichere Dinge geht), nun ja, das wäre eine andere Diskussion... (Die wir jetzt hier bitte nicht starten, das käme zu weit vom Thema weg. Wenn Sie das diskutieren möchten, können Sie meinetwegen gerne einen eigenen Blog eröffnen und dort dann nach Herzenslaune eben dieses Thema diskutieren.)
Ja, wie kann das land mit der schlechteren Moral, den schmutzigen sitten, dem schweinefleisch, dem Alkohol... auf einmal die bessere Wissenschaft haben, wie fühlt sich das an, das würde michmal interessieren.
Die Frage beantworte ich Ihnen, wenn Sie mir sagen, wo hier die Rede davon war, dass Österreich "das Landmit der schlechteren Moral, den schmutzigen Sitten, dem Schweinefleisch, dem Alkohol" ist?
Echt. Ist es so schwierig, dass zu kommentieren, was hier steht?
@Liselotte,
vor der algemeinen "Islamophobie" hierzulande wird doch gerne, auch von den hiesigen Islamverbänden gewarnt (meistens wird dann, wie in Ihrem Artikel auf Gedankenspiele eines selbstverliebten Ex-Bundesbankvorstandes verwiesen, der fröhlich statistisches Halbwissen mit biologischen Unwissen vermischt).
Ansonsten verstehen sich doch die emisten Länder mit ilsmaischer Bevölkerungsmehrheit als explizit islamisch. Warum das dortens dann doch nicht klappt ist natürlich ein Rätsel. Könnte vielelicht am Islam liegen.
@ conring:
Vor Islamophobie warnen nicht nur hiesige Islamverbände.
Könnte (was?) am Islam liegen?
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