Sonntag, 13. März 2011

Den Islam studieren

Samstagnachmittag in der Moschee

Am Wochenende war ich seit langem mal wieder in der Moschee. Ich hatte eigentlich vor, nur schnell zum Mittagsgebet reinzuhuschen. Als ich mit dem Lieschen dann in den Gebetsraum für die Frauen kam, war der proppenvoll. Alles voll mit somalischen Frauen und Kindern. Sonst ist diese Moschee, was die Besucher angeht, sehr gemischt, aber an manchen Tagen haben sie spezielle Angebote auf Urdu, Bengali, Somali - so einen Tag schien ich erwischt zu haben.

Proppenvoll

Ich bahnte mir also einen Weg durch die zum größten Teil auf dem mit Teppich ausgelegten Boden sitzenden Frauen und Kinder. Der Geräuschpegel war enorm, weil alle paar Meter ein kleines Grüppchen Frauen oder Mädchen saßen, die gemeinsam Qur'an-Verse wiederholten - oder sich einfach unterhielten. Dem Lieschen wurde das bald zu viel: sie verabschiedete sich in ein vorgezogenes Mittagsschläfchen. Ich wollte sie nicht aufwecken und lange war es auch nicht mehr bis zum Nachmittagsgebet, also blieb ich.

Fremd

Und während ich dort saß und mir all die Frauen, die sich zum größten Teil auf einer mir fremden Sprache unterhielten und durchweg alle in vor allem schwarze Abayas gekleidet waren ansah, fiel es mir schwer, mich nicht fremd zu fühlen. Eine Frau, vielleicht um die vierzig oder älter, kam auf mich zu, begrüßte mich und setzte sich zu mir und dem Lieschen. Ob ich zum ersten Mal hier sei (nein), was ich studiere (Politik) und ob ich auch den Islam studiere (Arabischkurs an der Uni, aber mehr zurzeit nicht). Das ging noch ein bisschen weiter und lief dann darauf hinaus, dass sie meinte, ich solle doch auch den Islam studieren, wenigstens ein bisschen, das wäre wichtiger, viel wichtiger als Politik.

Arrogant? Naiv?

Ich habe ihr gesagt, dass ich früher Kurse zu theologisch-islamischen Themen belegt habe - aber das ließ sie nicht gelten, schließlich mache ich jetzt gerade ja nichts. Ich habe ihr nicht gesagt, dass mein Bedarf an mehr Wissen zu islamischer Theologie erst einmal gedeckt ist. Das hätte sich wahrscheinlich entweder arrogant oder wahnsinnig naiv angehört. Aber es ist so. Ich habe mir angesehen, mit was sie sich gerade beschäftigt, mit Tajweed, der korrekten Aussprache des Qur'ans. Das mag wichtig sein, aber es reizt mich einfach nicht. Und was gäbe es sonst zu studieren? Ich habe einen Überblick über die Themen, die wichtig sind. Es gibt Leute, die geben als ihr Hobby "Islam" oder "über den Islam lesen" an. Das hätte ich vor 10 Jahren vielleicht auch gesagt, aber seitdem sind einfach 10 Jahre vergangen. Die Fragen, die ich hatte, sind beantwortet, die meisten jedenfalls.

Moscheenliteratur

Und wenn ich mir angucke, welche Bücher in den islamischen Buchhandlungen hier in London, in [meiner Stadt in Deutschland] oder in Paris zu kaufen sind, da ist kaum ein Thema dabei, mit dem ich mich nicht schon ausführlich (genug, für mein ganz persönliches Empfinden) beschäftigt habe oder zu dem ich noch ganz dringend was zu wissen glauben müsste. Dass ein Großteil der Inhalte dieser islamischen Buchhandlungs-/Moschee-/Gebetsraum-Literatur ziemlich vorhersehbar ist, insofern als dass das oft die ewig gleichen, nicht sehr originellen Argumentationsstränge sind, macht das Ganze nicht besser. Ein Buch zur Frau im Islam, das neue Ideen und Perspektiven hervorbringt (ohne dabei gleich auf die Irshad Manji- oder Seyran Ateş-Schiene zu kommen) - das wäre was. Gibt es viel zu wenig. Deshalb: keine intensiven Islamische-Theologie-Studien für mich, jedenfalls nicht zurzeit.

Aber ein bisschen öfter Qur'an lesen, das könnte ich.

4 Kommentare:

Annanymous hat gesagt…

Haha, die Frau wusste sicher nicht, wen sie da vor sich hat! Die belesenste Person weit und breit! Oder sie war vielleicht selbst sehr naiv und liest zwar viel im Koran oder Literatur über den Islam, aber reflektiert dabei nur wenig oder gar nicht und sieht es mehr als Verpflichtung an.

Aber wenn Du sagst, dass ständig die gleichen Themen behandelt werden, und es wenige Bücher zur Frau im Islam gibt, dann könntest Du ja ggf. selbst mal eins schreiben ... irgendwann!

LG

Annanymous hat gesagt…

Hm ... im Prinzip geht es doch darum, einen guten Mittelweg zu finden, oder nicht? Außerdem: Alles Zu ist von Übel!

Lieselotte hat gesagt…

"Die belesenste Person weit und breit"?? Na, ich weiß ja nicht. Weißt du, wann ich zum letzten Mal ein Buch in der Hand hatte (also, außer dem ganzen Unikram)?

Inwiefern die Frau naiv oder reflektiert war, weiß ich nicht, dafür habe ich mich lange genug mit ihr unterhalten.

Und was das "Lieselotte schreibt jetzt mal ein Buch über die Frau im Islam" :D angeht: Da würde dann nur wieder irgendwas Politisches, Gesellschaftliches rauskommen. Das gibt's ja schon. Es ist eher in der theologischen Literatur, wo ich finde, dass was wirklich Originelles fehlt.

Und zu deinem letzten Punkt: Klar ist der Mittelweg die Lösung. Zumindest bei dieser Frage. Aber herauszufinden, was die Mitte ist, das ist nicht ohne...

Annanymous hat gesagt…

Ähm, der 2. Kommentar mit dem Mittelweg sollte eigentlich zu dem anderen Blog-Eintrag sein :-D Also zu Nadia!

Ansonsten: Ich bin trotzdem der Meinung, dass Du viel liest und sehr informiert bist und man Dir da nichts vorwerfen kann ;-)