Laut Spiegel Online ist die kuerzlich auf Deutsch erschienene Massenmord-Studie "Extrem gewalttaetige Gesellschaften" des Bern-Berliner Historikers Christian Gerlachs lesenswert. Auf mehr als 500 Seiten geht Gerlach darin dem Phaenomen extremer Gewalt im 20. Jahrhundert nach. Er versucht, diese aus einer nicht-eurozentrischen Sicht zu betrachten, was fuer einen in Westeuropa schaffenden Akademiker, wo gerade unter den Historikern die Fixierung auf (West)europa und seine Geschichte noch ziemlich weit verbreitet ist, bemerkenswert ist.
Dabei spricht Gerlach sich gegen die Verwendung des Begriffs "Genozid" in der wissenschaftlichen Debatte aus - was zu begruessen ist: vielzu oft wird der Begriff politisch benutzt und medienwirksam eingesetzt, wenn fuer eine Gruppe Lobbyarbeit betrieben wird. Die Debatte ist nicht neu. Gerlachs Verdienst waere es, einen alternativen Analyserahmen, der sich auf die Rolle von halb- und nichtstaatlichen Akteuren konzentriert, anzubieten und gleich auf eine Reihe von Faellen extremer Gewalt weltweit anzuwenden. Hoert sich an, als haetten die Herren Spiegel Online Recht, als waere das Buch lesenswert.
Montag, 18. Juli 2011
Genozid Global
Labels:
Deutschland,
Europa,
Konfliktbearbeitung,
Medien,
Mittelost,
Südost,
Türkei,
Uni
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
6 Kommentare:
@Liselotte
wie kommen Sie jetzt auf die Aussage, dass in Westeuropa die Historiker auf die Geschichte ihrer eigenen Weltgegend fixiert sind?
Ich möchte Ihnen da doch die Werke von Christopher Bayly, John Darwin und Jürgen Osterhammel empfehlen.
Hm. Hab ich da "Westeuropa" geschrieben? Das ist natuerlich zu allgemein. In Frankreich und in Grossbritannien, von den beiden Laendern weiss ich es aus eigener Erfahrung, gibt es ja schon seit Jahrzehnten den Blick ueber die Grenzen Europas, aus naheliegenden Gruenden. In Deutschland sieht das schon ein bisschen anders aus. Dieser Osterhammel waere da die oft zitierte Ausnahme, die die Regel besteht...
Gruss,
Lieselotte
Gibt's auch ein Kapitel über extrem gewalttätige Religionsausübung bei den Wickingern ?
Keine Ahnung. Wie wär's mit kaufen und lesen?
Und Wikinger schreibt man nicht mit ck.
@Anonym
zu den Wikingern und deren Gewaltausübung würde ich die einschlägigen Kapiel in Peter Heather, Empires and Barbarians, empfehlen.
@Liselotte
Jürgen Osterhammel ist da keine Ausnahme. Zur Indischen Geschichte fällt mir spontan Dieter Rotermund ein, zur afrikanischen Andreas Eckart. Ansonsten haben schon Max Weber und Otto Hintze Geschichte global betrachtet.
Die Erkenntnis, dass Mensch und Gesellschaft von hause aus eher politisch unkorrekt drauf sind und bei weitem nicht alle erst ein Hass-Buch schreiben müssen und eine Hass-Partei gründen, um loszulegen, ist ein ziemlich schwer verdaulicher Happen für das etablierte "Gewalt ist keine Lösung" - Paradigmum.
Kommentar veröffentlichen