Donnerstag, 19. Mai 2011

Rubina (01)

Oder: Einfach nur ein ganz normales Leben

An meiner Uni in London gibt es zwei Studentinnen mit Niqab. Eine davon ist Rubina aus London, sie ist 21. Ihre Eltern kamen vor Jahren aus [Land in Suedasien] nach Grossbritannien. Der Vater war Taxifahrer, die Mutter ist Hausfrau. Ihre Mutter hat sich fuer ihre Toechter immer gewuenscht, dass sie sich spaeter mal auf ihre Familie konzentrieren. Es war Rubinas Vater, der sie ermutigt hat, zu lernen, zu studieren.

Niqab

Rubinas Mutter traegt Niqab - aus kulturellen Gruenden, wie Rubina meint - und wuenschte sich das auch fuer ihre Tochter. Vollverschleierung? Fuer Rubina kam das nicht in Frage. Es war erst, als sie sich persoenlich mit den theologischen Gruenden, die hinter dem Schleiertragen stehen, auseinander setzte, dass sie eine Logik darin sah. "Es machte Sinn", meint Rubina. "Wenn es darum geht, dass man seine Schoenheit bedecken soll - das Schoenste an einem Menschen ist doch sein Gesicht". Von ihren Schwestern ist Rubina, die die Niqab immer abgelehnt hat, heute die einzige, die ihn traegt.

12 Jahre

"Ich habe dann mit 12 Jahren begonnen, Niqab zu tragen." Mit zwoelf?? "Ja, ich war schon immer sehr weit fuer mein Alter." Rubina ging damals auf eine Maedchenschule und hatte fast nur weibliche Lehrkraefte. Insofern blieb der Gesichtsschleier den groessten Teil des Tages nach hinten geschlagen. An der Schule war man "nicht begeistert" von Rubinas Entscheidung, "sie konnten aber nichts dagegen tun", wie Rubina mit einem Laecheln meint.

Abitur, Arbeit, Studium

Nach dem Abitur begann Rubina erst einmal zu arbeiten. "Wo?", frage ich unglaeubig und versuche darauf zu kommen, welcher Arbeitgeber eine Frau mit Gesichtsschleier einstellen wuerde. "Im Telefonmarketing", erklaert Rubina, "da kam es nur auf die Stimme an" - und da ist es wieder, dieses Laecheln. Arbeiten und fuer eine Weile Geld verdienen war gut, aber letztendlich wollte Rubina mehr. Sie bewarb sie sich fuer einen Studienplatz in Soziologie und wurde an einer der besten Universitaeten des Landes angenommen.

...und danach?

Sie weiss, dass es - selbst in Grossbritannien - nicht leicht sein wird fuer sie, nach Abschluss ihres Studiums eine qualifizierte Arbeitsstelle zu finden. Ein Job in der Entwicklungszusammenarbeit haette sie interessiert. Aber passt das zusammen? Wer stellt schon eine vollverschleierte Entwicklungshelferin ein? "Ich koennte Lehrerin werden, an einer islamischen Schule zum Beispiel", meint Rubina und verdreht die Augen. "Das will ich nicht. Ich will mich nicht nur in diesen Kreisen bewegen. Ich will kein Leben fuehren, das sich nur um den Islam dreht. Ich will einfach nur ein ganz normales Leben haben."

Gefaehrlich

Ausserdem, fuegt sie hinzu, einen Job als Lehrerin faende man zwar vielleicht als Niqabtraegerin an einer islamischen Schule, aber dann wuerde es sicherlich Probleme mit ihrem Studienfach geben: "Soziologie. Das unterrichten die doch nicht. Himmel nein, da wird man ja zum eigenen Denken aufgefordert - gefaehrlich", sagt sie und lacht.

12 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Je mehr sie aus Grossbritannien erzählen, desto mehr wünscht man sich, dass sich unsere Gesellschaft nicht in die gleiche Richtung entwickelt.

Annanymous hat gesagt…

Erst zeigte sie Reaktanz, dann kognitive Dissonanz :-D

Lieselotte hat gesagt…

Na Gott sei Dank, dass wir die Psychologen haben!! :)

Anonym hat gesagt…

Irgendwie erinnert mich so ein Niqab an den Gesichtsschleier des späten Michael Jackson in der Öffentlichkeit; damit kein Papparazzo ein billiges Bild von ihm kriege.

Der Niqab bildet eine einmalige Symbiose aus Hochmut, Eitelkeit, Verlästerung von Sinnlichkeit (Hallo: Schöpfung!) und fetischistischer Anmache.

Ein Phänomen, genial angesiedelt zwischen Karneval, Love-parade und Hinrichtungsstätte.

P.S.
Gibt's Niqab auch für Schule?

Anonym hat gesagt…

Gibt's Niqab auch für Schwule?

...sollte es heißen.

Annanymous hat gesagt…

@Anonym:

Schwule gibt es doch gar nicht bzw. wenn es sie geben sollte, dann gehören sie hingerichtet :-D

PS: Bitte den ironischen Unterton nicht überhören.

Lieselotte hat gesagt…

Zu Kommentar 4:

"Der Niqab bildet eine einmalige Symbiose aus Hochmut, Eitelkeit, Verlästerung von Sinnlichkeit (Hallo: Schöpfung!) und fetischistischer Anmache"

Fuer Sie vielleicht. Es gibt da allerdings auch noch eine Reihe anderer Interpretationen.

Lieselotte hat gesagt…

@ Annanymous: Hingerichtet?? Was hast du denn fuer Ideen... :D

Anonym hat gesagt…

...eine Reihe anderer Interpretationen...

Klar, die der Testosteron-Brüder z.B. die zu wissen bekommen, dass sie sich an die Unverschleierten zu halten haben...

Annanymous hat gesagt…

Der Taxifahrer, zu dem ich mich am Samstag leider für eine halbe Ewigkeit ins Taxi setzen musste (schluchz, trauere dem Geld jetzt noch hinterher), äußerte sich, in Bezug auf unseren Außenminister, in diese Richtung. Nein, er hat natürlich nicht zum Lynchmord an ihm aufgerufen, aber man hat schon gesehen, wie schlimm er das findet. Außerdem hat er sich begeistert über P. Vogel aka Abu Hamza geäußert! Schreck lass nach, habe ich mir da nur gedacht. Na ja, wenn man so enttäuscht wird vom deutschen Staat (Uni-Abschluss aus Afghanistan ist hier nichts wert, also muss man Taxi fahren), dann versteht man den Frust der Menschen vielleicht ansatzweise. Wäre schön, wenn die Leute es einfach gar nicht nötig hätten, sich so fanatisch auf eine Sache einzuschießen und Leuten wie Vogel eine Bühne zu geben.

Anonym hat gesagt…

"Na ja, wenn man so enttäuscht wird vom deutschen Staat"

Wie bitte? Der ist hier aufgenommen worden und darf seinen Lebensunterhalt bestreiten und ein Leben führen, welches mit dem in seiner Heimat nichtmal ansatzweise vergleichbar ist.

Und Entschuldigung: Keine deutsche Firma verlangt ein staatliches deutsches Zertifikat. Dies ist nur in wenigen Fällen nötig. Wenn man als Arzt praktizieren will, oder als ÖbVI. Also dort, wo es eine staatliche Stelle oder Kammer zwingend vorschreibt. Die Masse der Jobs betrifft das nicht.

Aber wenn ihr Taxifahrer sein Diplom an irgendeiner Feld, Wald und Wiesen-Uni in Afghanistan gemacht hat, die letzten 20 Jahre statt in einem Büro/Labor/sonstwo in einem Schützengraben steckte und dann auch noch die Sprache nicht spricht - ja, ganz sicher die Schuld des deutschen Staates, dass er nun als Taxifahrer arbeiten muss.

Kein Haus am Strand, kein IPad als Willkommensgeschenk und Heidi Klum hat sich auch noch nicht gemeldet, das Leben kann so mies sein.

Dankbarkeit war gestern. Stattdessen ist man sauer, dass das schöne Leben nicht garantiert wird.

Aus diesem Grund dürfen wir auch keine Flüchtlinge aus Nordafrika ins Land lassen. Das sind alles junge Männer, die hier eh keine Stelle finden werden, die vom Staat alimentiert werden. Da ist nix mit schicker Wohnung, nem Auto und ner hübschen blonden Freundin. Das wird eher Richtung Lebensmittelgutscheinen, Sammelunterkunft und sexueller Frustration tendieren.

Und am Ende sind wir dann daran Schuld und dürfen uns mit einer Masse an "angry young men" herumschlagen, die uns die Schuld dafür geben, dass ihnen die gebratenen Tauben nicht in den Mund fliegen.

Man darf sich jetzt schon freuen.

Annanymous hat gesagt…

@Anonym:

Die Formulierung mit dem Enttäuschtsein vom deutschen Staat war natürlich überspitzt formuliert. Ich glaube auch, dass es dem Taxifahrer hier sehr gut geht. Er machte auch einen wohlgenährten, ausgegelichenen Eindruck. Als er sich darüber aufzuregen begann, dass sein Studienabschluss hier nichts wert sei oder nicht anerkannt wird, und er noch andere Leute kennt, die aus muslimischen Länder kommen und denen es ebenso ergangen ist und dann schlussfolgerte, dass man das hier in D. extra so mache, um Muslime zu diskriminieren, habe ich ihm erzählt, dass ich von einer spanischen Psychologin weiß, dass sie hier auch nichts mit ihrem Diplom anfangen kann. Da war er sichtlich irritiert und hat eingelenkt, dass das ja dann doch nicht nur den Muslimen so gehe ... aber das wäre ja noch krasser, denn Spanien wäre doch Europa! Was denn hier los sei ... usw. usf. Na ja, manchmal muss man den Leuten einfach unter die Nase reiben, dass sie mit ihren Anschuldigungen nicht richtig liegen, bzw. die Dinge doch vielleicht nicht immer nur gegen sie gerichtet sind, sondern allgemeiner zu betrachten sind.

Aber das mit den Uni-Abschlüssen ist manchmal schon merkwürdig. Ich weiß z.B. von meinem Abschluss, dass er zwar im Ausland größtenteils anerkannt wird, aber auch nur mit großem Brimborium und Anerkennungsverfahren ... Damals habe ich auch kurz überlegt ob ich nicht in Österreich studieren soll, habe aber dann u.a. erfahren, dass der dortige Abschluss hier nicht anerkannt wird (obwohl des Studium identisch aufgebaut ist). Soviel dazu ...