Gregor habe ich im Jemen kennen gelernt. Er hat dort als einer der wenigen (westlichen) Auslaender in einem international gesponsorten Projekt gearbeitet. Sein Team bestand ausschliesslich aus Arabern. "Du glaubst nicht, wie schnell ich hier fliessend Arabisch konnte", meinte er lachend. In Deutschland hatte Gregor Islamwissenschaften studiert, waehrend des Studiums und danach mehrere Praktika und Jobs in der arabischen Welt gemacht und sprach die Sprache so bei seiner Ankunft im Jemen ganz passabel.
Islamwissenschaften, vorher und danach
"Als ich in den 1990ern begonnen habe, Islamwissenschaften zu studieren", konnte das keiner verstehen. "'Ja, was willst du denn damit?' war so ziemlich die haeufigste Frage, die ich zu meinem Studienfach zu hoeren bekam", erklaerte er mir. "Nach dem 11. September 2001 war das ploetzlich anders. Da war das auf einmal kein Thema mehr: 'Ach, Islamwissenschaften studierst du? Ja ja, schon klar, verstehe.'"Sana'a - Aden
Zum ersten Mal hatte ich Gregor in Sana'a, der Hauptstadt des Jemens getroffen. Sana'a liegt auf einem Hochplateau und kuehlt so selbst im Sommer abends immer wieder ab. So kann man mit den Temperaturen leben. Aden hingegen, wo ich Gregor das naechste Mal sah, liegt am Meer, am Golf von Aden, wo die Hitze und vor allem die Luftfeuchtigkeit unertraeglich ist. Er kam mir auf dem Anwesen seines Arbeitsgebers in langen Jeans, einem T-Shirt und barfuss entgegen geschlurft. Hier schien alles ein bisschen lockerer zu sein als in Sana'a, der Hauptstadt.
Ein Land, zwei Laender
Der Jemen war, aehnlich wie Deutschland, jahrzehntelang in zwei Republiken geteilt: die Jemenitische Arabische Republik im Norden, die Volksdemokratische Republik Jemen im Sueden. Waehrend der Norden traditionalistisch ausgerichtet war, ging es im Sueden sozialistisch zu: zwei vollkommen unterschiedliche Wege, die die beiden Landesteile eingingen.
Der Sueden kam im 19. Jahrhundert unter britischen Einfluss. Aden war einer der wichtigsten Hafen des Empires und Umschlagplatz fuer den Handel zwischen Indien und dem Mittelmeerraum, der ueber den neueroeffneten Suezkanal lief. In den 1930ern wurde Aden zur Kronkolonie erklaert, doch lange sollte es seinen besonderen Status nicht halten. Als 1967 im zuge des Sechstagekriegs der Suezkanal geschlossen wurde, hatte das drastische Auswirkungen auf die Stadt Aden, die fuer den internationalen Handel ploetzlich entbehrbar geworden war. Der Suezkanal wurde zwar Jahre spaeter fuer die internationale Schifffahrt wieder geoeffnet, da war Aden aus internationaler Sicht jedoch bereits ziemlich in der Bedeutungslosigkeit versunken.
Heute
Nach dem Abzug der Briten wurde der Suedjemen sozialistisch, mit allen Auswirkungen, die das auf eine Gesellschaft damals hatte. Noch heute gibt es im Sueden des Jemens, der im Vergleich mit den anderen arabischen Staaten als einer der traditionalistischsten gelten muss, Menschen, die mit Traditionen und vor allem Religion nur wenig am Hut haben, die eben in einem sozialistischen Land gross geworden sind. Im Stadtbild Adens wird das zum Beispiel daran deutlich, dass mehr Frauen als im konservativen Norden nur Hijab aber keinen Gesichtsschleier tragen.
Nicht weit von Afrika
Die Atmosphere in der einst so bedeutenden Stadt war eine ganz andere als in Sana'a. Die erschlagende Hitze und Luftfeuchtigkeit in Aden liessen alles langsamer und wie durch einen Schleier erscheinen. Alte, in der Zwischenzeit ziemlich heruntergekommende Kolonialbauten standen zwischen nicht ganz so alten, aber ebenso heruntergewirtschafteten Plattenbauten aus der Zeit des Sozialismus. Ich hatte staendig diesen Spruch vom "morbiden Charme" einer Stadt im Kopf. Dass Afrika nur einige Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Golfs von Aden lag, war schon daran zu erkennen, dass viele der Menschen auf der Strasse dunkler waren als im groesstenteils arabischen Sana'a.
Kaum Auslaender
Es gab einige von Chinesen gefuehrte Restaurants, aber sonst kaum Auslaender in der Stadt, vor allem keine "Westler". In einem arabischen Restaurant sass einmal am Tisch neben uns eine Gruppe junger Palaestinenser, von denen manche ein Studium im Jemen finanziert bekommen. Beliebt sind die palaestinensischen Studenten im Jemen nicht, weil sie viel weniger traditionell als die meisten Jemeniten sind. Ich wusste damals schon, wie das Leben in einer palaestinensischen Stadt aussah und konnte mir vorstellen, wie fremd sich diese jungen Palaestinenser hier fuehlen mussten.
12 Kommentare:
Nachtrag. Löschen sie das Vorherige mal bitte. Meine Frau meint, durch die wenigen Kampagnen der letzten Jahre in diesem Bereich wäre das zu persönlich.
Außerdem sei dies nur Hörensagen.
Betrachten sie den ersten Post also bitte als unqualifizierten, unwahren Spam. Danke.
Mal unverfänglich (und vergessen sie bitte das erste Posting):
Was denken Sie denn? Wird es dort wirklich zu einer Demokratisierung kommen?
So wie ich dieses Land kenne, wird sich der Jemen eher gen Somalia entwickeln, sobald die Staatsmacht zerfällt.
Zu groß sind die Stammesbindungen, die Armee, wird sich spalten, der Norden ist zu weiten Teile eh in den Händen von Aufständischen/Milizen/Terroristen, je nach Betrachtungsweise.
Sobald Salih da stürzt wird vielleicht irgendwer die Macht übernehmen können, meinetwegen auch Demokraten - aber deren "Macht" wird dann unmittelbar an der Stadtgrenze enden.
Im Kampf um die Macht auf der arabischen Halbinsel wird ein aufgelöster Jemen zu einem Reservoir von al-Qaeda und OBL's Traum, die Saudis gegen Ungläubige auf heiligem Boden zu verteidigen wird wahr werden. Leider ohne ihn.
Die Ungläubigen sind in dieser Runde die Perser, alias Shia; Auftakt läuft in Bahrein; Iraks Schiiten machen schon mobil...
Strategische Reserve der Saudis sind, neben allerlei Jihadis, denen das Abbrennen von Kirchen nicht ausreicht, die Pakistani.
Zwei Divisionen stehen kurzfristig auf Abruf; nicht nur Iran und die Wahabis; auch Pakistan und der Iran rasen aufeinander zu...
Mit OBL würde das alles noch viel schneller gehen; schade, dass er nicht mehr dabei ist....
Zu Kommentar 1: Hab ich gemacht. Normalerweise muessten Sie Ihren Kommentar, wenn er erst einmal erschienen ist, aber auch selbst loeschen koennen. Oder nicht?
Zu Kommentar 2: Sehen Sie, das ist das Problem. Erst volle Kanne polemisierend und dann mal ganz unverfaenglich - das klappt leider nicht.
Ich wuerde gerne mit Ihnen auf einer mehr oder weniger sachlichen Ebene ueber Fragen wie die von Ihnen in diesem Kommentar angesprochenen diskutieren.
Wenn aber sonst von Ihnen nur extrem polemisierende Kommentare kommen, in denen Sie mir indirekt Aussagen in die Schuhe schieben, die ich nie gemacht habe, dann habe ich dann einfach keine Lust mehr, fuenf Minuten spaeter wieder auf "unverfaenglich" zu schalten und mit Ihnen "normal" zu diskutieren.
Mein Vorschlag: Entscheiden Sie sich, ob sie hier nur rumstaenkern und Frust ueber den Islam loswerden oder eine ernsthafte Diskussion fuehren wollen. Dann weiss ich was Sache ist und kann Ihre Kommentare entsprechend behandeln. Was meinen Sie?
Zu Kommentar 3: Ich sehe schon, die Apokalypse naht...
... die Apokalypse naht...
Ist nicht so ganz mein Sprachgebrauch; aber: For the sake of the argument: Doch, tut sie; aber nicht für alle.
Ich finde Ihre Sorglosigkeit gespenstisch; Fanatismus kann man Ihnen nicht vorhalten; dafür aber wohl ein anderes F-Wort; Fatalismus.
Ist denn etwas Skepsis gegenüber dem Herumdriften der moslemischen Gesellschaften so haram?
Naja, die Dame lebt eben in ihrer Parallelgesellschaft. Dass sie die Sorgen und Ängste der normalen Menschen nicht wahrnimmt, ist wahrscheinlich zwangsläufig.
Sie wähnt sich wohl auch auf der Siegerseite, ist ja schon in vorauseilendem Gehorsam übergelaufen.
Zu Kommentar 7:
Sorglosigkeit?? Fatalismus?? Gegen Skepsis habe ich nichts, aber mit solchen Weltuntergangsszenarien, wie die, die Sie da skizziert haben, da kann ich einfach nicht viel mit anfangen. Ich hab's lieber etwas sachlicher.
Gruss,
Lieselotte
Sehr sachlich löst sich gerade der Jemen auf (gibts da etwa die tollen Sprachkurse nicht mehr ?) und es entstehen u.a. offene A/Q Gebilde.
Die Iranische Führung hat sich festgelegt, den Arabischen Frühling siegreich zu beerben. Verständlich, denn wenn sie das nicht schafft, verliert sie Syrien, die Verbindung zu Hezbollah und sie würde ihre Position im Irak gefährden.
Neben einer Spaßflotilla für Bahrain hat der Iran den GCC Staaten Selbstmordattentate "martyrdom-seeking operations" (können die auch!) amtlich in Aussicht gestellt.
Zwischen den Erben Khomeinis auf der einen Seite und den GCC Despoten UND der Ikhwan-Bewegung auf der anderen, sunnitischen Seite, wird es gewaltig krachen.
Die Perser sind etwas weniger schlecht organisiert, als die sunnitischen Despoten und Chaoten.
Daher ist Pakistans Hineindrängen in den Konflikt auf sunnitischer Seite hochwillkommen. Pakistan braucht Geld, hat Leute und kann Terror. Die Saudis haben Geld, keine Leute und nichts gegen Terror, wenns hilft (Regime-Terror gegen Schiiten ist hier gemeint). Darauf wiederum ist Pakistan spezialisiert.
Teheran ist entschlossen, den arab. Frühling so zu kidnappen, wie sie die Hamas gekidnappt haben. DIESE Bestrebung kann der GCC nicht befrieden.
Zu kompliziert?
Saleh hat einen russischen Raketensplitter unter dem Herzen. Sein sein Kabinett hat es auch übel erwischt; der Premier und einige andere wurden nach Saudi ausgeflogen...
Viele Grüße, von dem, der immer übertreibt!
In Syrien brennen chinesische, russische und iranische Fahnen; nach 30 Jahren Herumexperimentieren auf diesem Gebiet scheinen die Araber gemerkt zu haben, wer Feind und wer Freund ist.
Kommentar veröffentlichen