Wir wohnen in einem kleinen Reihenhaus aus rotbraunem Backstein. Die Waende sind so duenn, dass man den Zimmernachbarn husten hoert, warmes Wasser (nicht heisses, nicht eiskaltes) gibt es nur, wenn man eigenhaendig mischt, und die Haustuer wuerde in Deutschland hinsichtlich ihrer Stabilitaet und allgemeinen Beschaffenheit wohl eher als mittelgute Balkontuer durchgehen. In dem kleinen Hinterhof befinden sich drei Baracken, von denen sich in einer ein Klo befindet - nein, in der Zwischenzeit gibt es auch im Haus ein Bad mit Toilette.
Der kleine Vorgarten ist betoniert, Loewenzahn waechst zwischen den Betonplatten hervor und es sieht nicht so aus, als haette sich in den letzten Jahren irgendjemand darum gekuemmert. Vor der Tuer: eine knalllila Muelltonne, das macht was her vor dem Braungrau der Ziegelsteine.
Zu Fuss sind es zwei Minuten zur naechsten Einkaufsmoeglichkeit. Ein kleiner muslimischer Tante-Emma-(nein: Onkel-Mustafa-)Laden, ein Kiosk ("Eintritt fuer maximal zwei Kinder zur gleichen Zeit!"), ein Waschsalon, eine Kinderkrippe, ein Buero, bei dem nicht ganz klar ist, welche Dienstleistung dort angeboten wird, zwei, drei andere Laeden, deren Metallrollaeden ich noch nicht geoeffnet gesehen habe. Ein Schild, das auf Englisch und Hindi darauf hinweist, dass hier bitte kein Muell abgeladen werden soll.
Auf dem Weg die Strasse runter kommen mir eine suedasiatische Familie nach der anderen entgegen. Immer die Muetter, Grossmuetter, Tanten mit vielen Kindern. Ein paar Meter weiter eine Gruppe Jugendlicher, der links kommt garantiert aus Aethiopien - oder Eritrea. Mit meinem Kopftuch falle ich hier nicht weiter auf, haette ich eine etwas dunklere Hautfarbe, wuerde ich perfekt ins Bild passen: So sieht man mir die Lieselotte halt doch noch an.
Nicht, dass es hier keine "weissen" Englaender gaebe (wie ich es aus anderen Vierteln in London kenne), zwischen all den "Afrikaner" und "Asiaten" (sind ja eigentlich Briten, Punkt) taucht immer mal wieder ein blasser Unterschichtsenglaender auf und der Pub an der Ecke ist ihr Refugium: kein Schwarzkopf in Sicht. Anders in dem Supermarkt, in dem ich keine zehn Minuten, nachdem ich das Haus verlassen habe, angekommen bin: Hier wuerde ich Alice Schwarzer gerne mal herholen oder diesen Sarrazin oder irgendeinen anderen der ueblichen Verdaechtigen us Deutschland. Obwohl, Alice Schwarzer, die wuerde hier der Schlag treffen. Hier tragen sogar einige der Verkaeuferinnen Kopftuch. Passend zur Arbeitsuniform in den Farben des Supermarktes. Es gibt eine Halal-Fleisch-Theke. Und um die sieben Niqabis habe ich auch schon gesichtet. In vier Tagen! Die laufen hier sogar im Shalwar Khameez, der Nationaltracht Indiens und Pakistans, herum. Nur das es so viele Kinder gibt, Maedchen, die man hier mit Kopftuch auf der Strasse sieht, das gefaellt mir nicht.
Sonntag, 18. April 2010
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
3 Kommentare:
In welchem Viertel wohnt ihr denn? Deine Beschreibung würde auch genau auf die Straße und das Haus bzw. die Gegend passen, in der ich mal mit 2 Freundinnen über ein Wochendende in London war. Haben bei der Familie von der einen gewohnt - rotes Backstein-Reihenhaus ohne eigentlichen "Vorgarten", Mülltonnen als Deko, dünnwändige Zimmer, schmaler Grundriss (schlauchförmig), aber 3-stöckig - eben typisch englisch - klapprige und rostige Amaturen im Bad, Hinterhof mit Mülltonnen-Aussicht und der indische Mini-Supermarkt um die Ecke. Mit dem Bus 1 Stunde bis Oxford Circus bzw. vergleichbar zentrale Lokalitäten, keine Tube mehr in der Nähe. Es war in Walthamstow. Aber es hat irgendwie seinen Charme!
Ne ne, verkehrsmaessig sind wir hier ganz gut angebunden. Und mir gefaellt, dass es so ruhig ist, aber man trotzdem ruckizucki in der Innenstadt ist.
Aha. Und wo genau haltet ihr Euch demnach auf? Wohnt ihr allein? Oder mit einer Familie zusammen? Oder wie?
Kommentar veröffentlichen