Von [der Stadt, in Deutschland, in der ich studiert habe] war es nicht weit bis zur polnischen Grenze. Vor 1945 war das Gebiet oestlich des Flusses deutsch. Heute ist es polnisch. Viele der Deutschen fahren zum Tanken und Zigarettenkaufen auf die andere Seite und Polen sah man oft in Scharen im Aldi Schokolade, Kekse und Hairspray kaufen.
"Das war unsere Stadt"
Die aeltere deutsche Frau, mit der ich in der Strassenbahn in [der Stadt westlich des Flusses] ins Gespraech kam, meinte, sie ginge nie auf die andere Seite. "Wir haben dort gelebt", erzaehlt sie mir, "das war unsere Stadt." Nach dem Krieg mussten sie alle weg. Genauso wie Deutschland verlor auch Polen Gebiete im Osten, und bekam dafuer - als Ausgleich - die ehemaligen Ostgebiete Deutschlands zugesprochen. Polen wurde quasi verschoben - von Ost nach West.
Umgesiedelt
Viele der Polen, die ihre Heimat im Osten verlassen mussten, wurden im neuen polnischen Westen, im alten deutschen Osten angesiedelt. Es hat lange gedauert, bis sie heimisch wurden. Wer wusste schon, ob sie wirklich auf Dauer hier bleiben durften? Was, wenn wieder jemand kaeme und bestimmte, dass sie aufs Neue ihre Sachen packen sollten?
Damals deutsch, heute polnisch
Ich bin gerne durch die Strassen der Stadt, die mal deutsch war und jetzt polnisch ist, gelaufen und war fasziniert, wie schnell man im Ausland, in Osteuropa sein konnte - und dass das hier mal Deutschland war, dass hier mal Deutsche gelebt haben, in den Strassen, auf den Plaetzen und Parks. Die Haeuser - von Deutschen gebaut. Die Kirchen - damals protestantisch und heute katholisch oder orthodox. Umgeweiht, fertig. Verrueckt, wie schnell sich die Zeiten aendern koennen und das, was Heimat, was gewohnt und normal war, ploetzlich nicht mehr ist.
Drueben
"Mein Mann", sagte mir die alte Frau, "mein Mann liegt noch drueben." Und tatsaechlich gibt es in [der Stadt auf der polnischen Seite] einen alten deutschen Friedhof, auf dem verwitterte Grabsteine und verrostete Kreuze von einer Zeit zeugen, die nicht mehr ist.
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7 Kommentare:
Und heute ist Polen in der EU und wer wie ich, teilvertriebener Halbschlesier der zweiten Generation ist, kann sich dort niederlassen, leben, arbeiten etc.
Die katholische Geheimwaffe der Versöhnung hat bewirkt, dass Stalins böser Plot, Polen und Deutsche ewig gegeneinander verfeindet zu halten, geplatzt ist.
Weil ich keine Volkssturmraketen nach Beslau schiesse, sondern dahinfahre, wenn ich Lust habe, gelt ich bei so manchem Palästinenser (und sonstigen Ehrensyndrombefallenen) als Mensch ohne Herz und Ehre.
Vielleicht gehe ich doch noch nach Polen; dann aber wegen der Atmosphäre und nicht wegen "Heimat".
Lieber Anonym,
der Palaestina-Vergleich hinkt etwas, weil Sie als Palaestinenser aus den Gebieten eben nicht einfach nach Israel fahren koennen. Und in Gaza und der Westbank leben Palaestinenser immer noch unter israelischer Besatzung - die meisten Deutschen mussten damals ja weg und konnten sich, auch wenn es unglaublich schwierig war, ein neues Leben aufbauen - in einer der erfolgreichsten Volkswirtschaften Europas. Das ist ja genau das, was im Nahen Osten fehlt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass, wenn es den Palaestinensern wirtschaftlich besser ginge und sie durch die Besatzung nicht so eingeschraenkt waeren, die Lage anders aussaehe.
Davon abgesehen sind Sie "Halbschlesier der zweiten Generation", ja? ICH kann heute auch ohne grosse Probleme in Polen rumlaufen. Aber ich wurde von dort auch nicht vertrieben. Ich weiss, dass es meiner Grossmutter, die damals aus ihrer Heimat vertrieben wurde, sehr viel schwerer gefallen ist, "zurueck" zu gehen.
Gruss
von der Lieselotte
Und: Meinen Sie wirklich, man kann in den polnisch-deutschen oder tschechisch-deutschen (und so weiter) Beziehungen schon von Versoehnung sprechen? Ich bin mir da nicht so sicher.
Jede/r EU-Bürger/in egal, ob vertrieben (bzw. "ausgesiedelt" oder nicht) kann heute in Polen frei herumlaufen; dank EU.
Ich will gerade auf den Unterschied in Sachen fit-to-make-peace hinaus. Die EU begann als Montanunion (von Bergbau für Kohle und Stahl; damit sich die K- + S-industrie nicht wieder weltkriegsmäßig kloppt; bzw. dabei aus Versehen Stalin reinwinkt nach Europa).
Herr Erdogan, genervt von Europa, begann vor ca. 6 Mon. eine Middle Eastern Coal and Steel Union – with Syria, Jordan and Lebanon aufzuziehen, laut:
http://www.hurriyetdailynews.com/n.php?n=8216turkey-is-shaping-the-arab-spring8217-2011-06-28
Und heute fliegt ihm seine alle-Moslems-lieben-Türken-Politik um die Ohren.
Der Palaestina-Vergleich "hinkt" deswegen, weil ich gerade auf den Unterschied hinauswollte. Wenn ich Volkssturmraketen nach Gleiwitz geschossen hätte, dann wäre esmit der freizügigkeit in Europa auch etwas eingeschränkter.
Besatzung, Einschränkung, wirtschaftlich besser... hatten wir alles mal vor der Selbstmordbomberoffensive in Israel.
... in einer der erfolgreichsten Volkswirtschaften Europas... und das auch noch ohne Öl und Gas, nur mit Kohle, die bald aus Südafrika, Polen und Australien billiger kam.
Merken Sie nicht, wie das, was SIe als glücklichen Umstand für die Deutschen anführen, gerade auf das Versagen der arabischen Gesellschaften verweist?
Versöhnung... natürlich sind noch nicht alle mit allen versöhnt insbesondere in/mit Tschechien nicht; aber die Unversöhnten machen nicht die Tagesordnung; das ist der Unterschied zu Nahost.
P.S. die meisten Deutschen mussten damals ja weg... viele durften/mussten aber auch da bleiben, weil sie wirtschaftlich gebraucht wurden; eine Zeit lang gaben sie sich polonisiert, aber dank EU-Minderheitenschutz dürfen sie sich jetzt wieder als (Ober-,Nieder- oder sonstwie schlesier) outen.
Eine vergleichende Versöhnungsbilanz, darauf will ich hinaus, fällt noch katastrophaler aus, als der Wirtschaftskram. Und wenn ich für diesen Blick auf die Tatsachen in die Hölle komme, dann seis halt 'drum.
"Besatzung, Einschränkung, wirtschaftlich besser... hatten wir alles mal vor der Selbstmordbomberoffensive in Israel."
Stimmt nicht ganz. Besetzt waren Gazastreifen und Westjordanland auch damals.
"Merken Sie nicht, wie das, was SIe als glücklichen Umstand für die Deutschen anführen, gerade auf das Versagen der arabischen Gesellschaften verweist?"
Dass auch die arabischen Gesellschaften und Regierungen so einiges verbockt haben, ist doch gar keine Frage.
"aber die Unversöhnten machen nicht die Tagesordnung; das ist der Unterschied zu Nahost."
Meinen Sie? Erinnern Sie sich noch an die Ausbrueche von gegen Deutschland gerichteten Reseentiments vor ein paar Jahren? Da sah das etwas anders aus.
"In Polen" sollte das im vorletzten Satz heissen.
"Besetzt waren Gazastreifen und Westjordanland auch damals"
... und von Ägypten und Jordanien bis 1967 bevor man das Palästinensertum entdeckt hatte.
"auch die arabischen Gesellschaften und Regierungen so einiges verbockt haben.."
Um 1960 waren der Iran und pi mal Daumen einige arabische Länder etwa auf einem Stand mit Südkorea (was damals auch eine Diktatur war, aber ohen Öl) und vergleichen Sie doch dann mal die weiteren Entwicklungen.
"Erinnern Sie sich noch an die Ausbrueche von gegen Deutschland gerichteten Reseentiments vor ein paar Jahren (in Polen) ?"
Die Differenz mache ich nicht in erster Linie für das Volksempfinden geltend, sondern für die politischen Kooperationsformen, in denen dieses eingehegt wird.
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