Freitag, 10. Juni 2011

Federico

Oder: Nicht hier und nicht dort

Ein Italiener in London

Federico kommt aus Italien. Seit letztem Sommer studiert er in London - und findet es schrecklich. Das Wetter, das Essen, das anstrengende Studium und so lange von seiner Mamma weg sein, das ist es einfach nicht. "Meine Freunde schreiben jeden Tag auf Facebook, wie toll es heute wieder am Strand war", mault er, "und ich hocke hier in London."

Nord - Sued

Federico stammt aus einem kleinen Ort an der Kueste im Sueden Italiens. Sein Vater ist Mathematiker, die Mutter stammt aus einer traditionell kommunistischen Familie und ist gleuhende Feministin und Anti-Berlusconi-erin. Studiert hat Federico in Neapel. Erst Geschichte und Politik und danach, einen Master, Internationale Beziehungen. Als es darum ging, sich ein Thema fuer seine Bachelorarbeit zu ueberlegen, war Federico sich sicher, ueber die Kolonialisierung des Suedens Italiens durch den Norden schreiben zu wollen. Begeistert erzaehlte er seinem Professor von seiner Idee, bis der ihn stoppte: "Hoert sich super an! Schreiben wirst du allerdings zur italienischen Aussenpolitik nach 1945."

Gibt's nicht

Waehrend seines Masterstudiums konzentrierte Federico sich auf Lateinamerika. Als er fertig war, ueberlegte er sich, was jetzt kommen sollte. Jobs ausserhalb des Tourismus gibt es in seinem Heimatort kaum. Federico ueberlegte sich, sich fuer eine Promotion zu bewerben. In Neapel war das nicht moeglich. "Promovieren solltest du auf jeden Fall", riet ihm sein Professor. "Aber bei mir wird das nichts. Ich habe nicht die politischen Beziehungen, die es braeuchte, um an Foedermittel zu kommen." Die Regierung hatte gerade einen Grossteil der Mittel fuer die Hochschulbildung gestrichen.

Was es gibt

Ein Stipendium fuer eine Promotion im Ausland bekam Federico nicht, und ohne Foerderung war ein noch einmal Jahre dauerndes Studium nicht drin. Fuer ein einjaehriges Masterstudium in London gab es aber Foerderung. Mit einem Vollstipendium ausgestattet reiste Federico etwas spaeter also nach Grossbritannien. Bisher war er nur zu zwei Uniexkursionen im Ausland gewesen: einmal in Irland ("war wie in London"), einmal in Griechenland ("ziemlich das Gleiche wie in Italien").

Zurueck nach Italien?

Wie es nach dem Studium weiter gehen soll, weiss Federico nicht. "Ich halte es nicht mehr aus", stoehnt er, "ich muss zurueck nach Italien." Vom Wetter, dem Essen und der Lebensart abgesehen geht es ihm vor allem um seine Mutter: "Sie wird jetzt langsam alt, und ich bin nicht da fuer sie - das ist nicht gut", meint er. Beruflich Fuss zu fassen wird im Sueden Italiens schwierig werden. Federicos Schwester hat vor zwei Jahren ihr Jurastudium mit exzellenten Noten abgeschlossen - und ist seitdem arbeitslos. Nach Norditalien, wo es noch eher Arbeit gaebe, will er nicht: "da kann ich ja gleich im Ausland bleiben."

Nur fuer ein paar Jahre

Und im Ausland bleiben? Wenigstens fuer ein paar Jahre? "Nein", er schuettelt den Kopf, "ich weiss, wie das ist. Man sagt, man geht nur fuer ein paar Jahre, aber wenn man dann erst mal einen Job hat und Geld verdient, dann bleibt man auch. Kommt jeden Sommer zurueck nach Hause und weint sich die Augen aus dem Kopf, dass man nicht mehr da ist. Nein."

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Hoert sich super an! Schreiben wirst du allerdings zur italienischen Aussenpolitik nach 1945."

Ja, tolle Sache das angelsächsische Studium. Phänomenal, dass wir dafür Humboldt über Bord geworfen haben.
Damals hat unsereins noch bei nem Glas Wein sein Diplomthema mit dem Prof. ausbaldowert. Heute gibts ne Strichliste, die abgehakt wird.

Übrigens ist ein Bachelor kein Akademiker.

Lieselotte hat gesagt…

Naja, frueher war auch nicht alles nur Rosen und Tulpen. Meiner Mutter ist vor Jahrzehnten genau das Gleiche passiert: Prof lehnt Thema ab, weil zu progressiv.

Lieselotte hat gesagt…

Davon abgesehen glaube ich nicht, dass bei "Federico" das Bachelor-Master-System das Problem war - sondern einfach ein autoritärer Prof.