Freitag, 21. Dezember 2012

Perception

Irgendwo in Deutschland, November 2012. Wir befinden uns in einer Großstadt.

Lieselotte ist mit dem Lieschen auf dem Weg zum Kindergarten von Lieschens Cousine. Es ist nicht weit, aber als wir ankommen, ist die Tür zu. Ich klingele. Nach einer Weile sehe ich durch die Glasscheibe ein "Hä? Wer ist denn das"-Gesicht - und ein paar Minuten ist die Tür dann auch offen. Schwester ist drinnen, ihre Tochter auch - das Lieschen freut sich, seine Cousine zu sehen.

Es ist mir schon so verdammt oft passiert, dass Leute, die ich auf der Straße angesprochen haben, ob sie mir vielleicht die Zeit sagen / Geld wechseln / den Weg zeigen können, noch bevor ich damit heraus war, was ich wollte, schon abgewinkt und schnell weiter gelaufen sind. Klar, die Kopftuchzigeunerin will ja auch Geld für ihre hungernde Großfamilie von euch. Echt, zum Kotzen ist das!

Also, was denkt ihr, dass die Kindergärtnerin, als sie Lieschen und mich durch die Fensterscheibe sah, sagte?

"Da steht jemand vor der Tür!"

Schwester (enthusiastisch und voller Vorfreude): "Ja-haa, das ist meine Schwester!"

Kindergärtner (in Inbrunst der Überzeugung): "Nee, isse nich. Deine Schwester ist doch keine Türkin!"

Womit wir es klar hätten: Ich bin (diesmal) keine Bettler- oder Hausiererin. Aber Türkin. Ist ja klar. Kopftuch gleich Türkin.

Danke auch.

3 Kommentare:

Anisah hat gesagt…

Ich trage ja selten Kopftuch. Und wenn ich's dann dochmal tue, weiß ich auch warum nicht.

Anonym hat gesagt…

Naja, junge deutsche Frauen mit Kopftuch gibts halt sehr sehr selten. Das ist eben nicht gewöhnlich, sondern eher ungewöhnlich. Da muss man nicht gleich mit Ablehnung reagieren. Was ist so schlimm dran, dass man dich mit Kopftuch für eine Türkin hält,obwohl du keine bist?

Lieselotte hat gesagt…

Das Problem war

1) dass für die Kindergärtnerin Kopftuch = Türkin war. Ich hätte Bosnierin, Marokkanerin, Afghanin, Syrierin, Indonesierin, Afrikanerin UND SO WEITER sein können. (Davon, dass nicht jede Türkin Kopftuch trägt, nicht jede Türkin Muslim ist, mal ganz abgesehen).

2) dass sie im Brustton der Überzeugung meinte, die Frau vor der Tür könne nicht die Schwester meiner Schwester sein. Warum nicht? Weil die mit Kopftuch "die" sind, die nichts mit "uns" zu tun haben? Hätte sie gesagt: "Echt? Deine Schwester? Mit Kopftuch?" wäre das was anderes gewesen.