Ein Januarnachmittag im islamischen Gebetsraum meiner Uni in London. Es ist gerade Zeit für das Nachmittagsgebet und eine Gruppe Mädchen sitzt auf dem mit Teppich ausgekleideten Boden und wartet darauf, dass sich noch irgend jemand für das Gebet fertig macht. Ich sitze neben Shamima, die aus Großbritannien kommt und bengalische Eltern hat, und einem Mädchen, das aus dem Libanon für ihr Studium nach London gekommen ist. Ein weiteres Mädchen kommt in den Raum, ich habe sie schon ein paar Mal gesehen, sie kommt aus Pakistan und lebt seit fast drei Jahren in Großbritannien. Man hat sich - es waren gerade Ferien - seit einer Weile nicht gesehen und begrüßt sich herzlich.
Schnell kommt das Thema auf das Studium der beiden Mädchen aus dem Libanon und aus Pakistan, das sie diesen Sommer abschließen werden. Über was sie ihre Bachelorarbeit schreiben will, wird das Mädchen aus Pakistan gefragt. "Oh", meint sie, sie habe eine Weile herum überlegt, aber sich schließlich dafür entschieden, über die Geschichte der Prostitution in Pakistan zu schreiben. "Ehrlich?", wir machen große Augen und jemand fragt sie scherzhaft, ob ihre Eltern schon Bescheid wüssten. Sie lacht und schüttelt ihre langen, braunen Haare mit einer Kopfbewegung über die Schulter. Ja, und es sei nicht einfach gewesen. Ihre Eltern - sie stammt aus der ziemlich westlich orientierten Oberschicht des Landes - seien sehr liberal, aber das wäre schon heftig gewesen. Sie habe ihnen lange erklären müssen, dass sie das Ganze soziologisch-historisch angehen würde und das es halt einfach eine wissenschaftliche Arbeit sei. Die Eltern scheinen immer noch nicht begeistert zu sein, aber würden sich ihr zumindest nicht in den Weg stellen.
Das Mädchen aus dem Libanon nickt verständnisvoll. Ja, sie kenne das. Ihre Schwester wollte damals einen Master im medizinischen Bereich mit einem Schwerpunkt auf HIV und AIDS machen. Ihre Eltern seien auch kein bisschen begeistert gewesen und letztendlich habe sich die Schwester für einen anderen Schwerpunkt - Krankheiten im Nahen Osten - entschieden.
Das Mädchen aus Pakistan wird, so wie es aussieht, seine Bachelorarbeit zur Prostitution in Pakistan schreiben. Die Schwester des Mädchens aus Libanon vielleicht auch mit dem anderen Schwerpunkt glücklich werden. Aber was ist da los innerhalb der muslimischen Gemeinschaft, wenn auf alles, was nur entfernt nach "Sex" aussieht, hysterisch reagiert wird? Man kann ja eine konservative Sexualmoral haben. Das ist jedermanns eigene Entscheidung. Man kann diese Moral auch seinen Kindern übermitteln. Aber wenn es dann so weit geht, dass man zum gesellschaftlichen outcast wird, weil man zur Geschichte der Prostitution im eigenen Land forscht oder AIDS-Kranken helfen möchte - dann läuft da etwas extrem falsch. Und mit Islam hat das auch nicht mehr viel zu tun.
Freitag, 21. Januar 2011
Von falschen Tabus
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2 Kommentare:
Nun. Ist das von Ihnen angesprochene nun eine Korrelation oder eine Kausalität?
Sie würden natürlich sagen: Korrelation, ganz klar. Kulturell gegeben und so. Dass die Muslime sind ist reiner Zufall.
Wenn man sich aber dann mal anschaut, wie die islamischen Länder in tot so drauf sind, dann neigt der aussenstehende Beobachter eher dazu, an eine Kausalität zu denken.
Nachdem es ja angeblich keine Homosexuellen in muslimischen Ländern gibt *seufz*, wundert mich DAS leider nicht wirklich... *doppelseufz*
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