Montag, 13. Dezember 2010

Hintergruendlich

"Sag mal, Lieselotte", hat mich letztens jemand gefragt, "bist du eigentlich Deutsche oder hast du einen Migrationshintergrund?".

Meine erster Gedanke war "Deutsche - ha ha ha, auch wenn's nicht danach aussieht", aber dann fiel mir ein, dass ich ja doch einen Migrationshintergrund habe. Auch wenn es nicht die Art Migrationshintergrund war, an die der, von dem die Frage kam, gedacht hatte, auch wenn ich nicht mit tuerkischen Vaetern, arabischen Onkeln oder afrikanischen Grossvaetern dienen konnte: Ich habe einen Migrationshintergrund.

Meine Grossmutter war laengst noch keine zwanzig, als sie damals aus Mitteleuropa nach Westdeutschland vertrieben wurde. Sie sprach die gleiche Sprache wie die Menschen in ihrer neuen Heimat (wenn auch einen anderen Dialekt), hatte die gleiche Religion und sah nicht viel anders aus, aber die Integration war nicht leicht. Ich kenne Heimatvertriebene, die bis heute den gar nicht so freundlichen Empfang durch ihre Landsmaenner nicht vergessen haben.

Das ist einer der Gruende, weshalb ich allergischen Ausschlag bekomme, wenn ich hoere, wie das Wort Migrationshintergrund in Deutschland benutzt wird. Da wird in den seltensten Faellen einfach nur nach Migration gefragt. Migranten, das sind bei uns die Tuerken, Araber, Griechen, Italiener, Afrikaner, Russen. Alles, was da halt so aus dem Sueden oder Osten kam. Der Freund meiner Schwester, der vor ein paar Jahren aus den USA nach Deutschland kam und soweit ich das einschaetzen kann, in der naechsten Zeit nicht vorhat, wieder zu verschwinden, ist kein Migrant; den wuerde keiner so nennen. Emmanuel, der an meiner Uni in Deutschland studiert hat und sich dann entschieden hat, nicht nach Frankreich zurueckzugehen, sondern in Deutschland zu arbeiten - wer wuerde den einen Migranten nennen?

Nein, Migranten, das sind die Schwarzkoepfe. Die Orientalen, die Ost- und Suedeuropaer, die Afrikaner und Asiaten, die, die man eigentlich nicht haben will, die, die ein Problem sind. Das Wort mag freundlicher sein als der Begriff Auslaender, das fuer die gleiche Gruppe benutzt wird, aber oft einfach falsch ist, weil viele der "Auslaender" in Deutschland schon lange einen Pass haben, aber solange der Migrationshintergrund von Zainab, Onur und Mischa mehr Migrationshintergrund ist als meiner, stimmt da was nicht.

14 Kommentare:

Fragezeichen hat gesagt…

Hi, ich bin es noch mal, Du hast auf die Frage Migrationshintergrund etwas kryptisch geantwortet.
Wenn es danach geht, dann hab ich auch Migrationshintergrund: Die Eltern meines einen Großvaters kamen aus Niederschlesien und Polen.

Ich frag mal etwas anders nach:

Bist Du in einer muslimischen Familie aufgewachsen oder konvertiert?

Beste Grüße

Lieselotte hat gesagt…

Hallo Fragezeichen,

sorry fuer die kryptische Antwort... Ich bin nicht in einer muslimischen Familie aufgewachsen, sondern zum Islam uebergetreten.

Lieben Gruss
Lieselotte

fragezeichen hat gesagt…

katholischer, evangelischer oder freikirchlicher Hintergrund?
Weswegen bist Du konvertiert?

Lieselotte hat gesagt…

Vater protestantisch, Mutter katholisch, beide ausgetreten so bald es nur ging. Evangelischer Religionsunterricht in der Grundschule, katholischer in der Oberstufe und ganz am Ende wieder evangelischer.

"Konvertiert" (ich kann dieses Wort nicht leiden - das ist fast so schlimm wie "Migrationshintergrund" ;) aus Ueberzeugung.

Gruss
von der Lieselotte

fragezeichen hat gesagt…

und was genau hat Dich so sehr überzeugt?
nach welcher Rechtsschule lebst Du jetzt eigentlich?

Grüße

Lieselotte hat gesagt…

Theologische Argumente waren das. Was die Rechtsschule angeht: meistens hanafitisch.

Gruss zurueck,
Lieselotte

fragezeichen hat gesagt…

Hmm, entschuldige bitte dass ich so oft nachfrage aber es fällt mir schwer dies nachzuvollziehen.

Ich habe den Koran gelesen und sehr viele Dinge erscheinen mir widersinnig und schwankend, außerdem erscheint mir die Lebenswirklichkeit in fast allen islamisch geprägten Ländern und dieses sture Beharren auf die Richtigkeit der Auslegung welches ja auch innerhalb der sogenannten Umma immer wieder zu heftigen Konflikten führt sehr problematisch.
Also die sogenannte "Einladung zum Islam" werde ich wohl ausschlagen (falls Sie je an mich überhaupt herangetragen werden würde) :-)

So, und bald ist Weihnachten

Beste Grüße

Annanymous hat gesagt…

Oh, ich finde es herrlich wie viel man bei diesem Thema diskutieren kann :-)

Ich glaube aber, dass es da einfach nichts zu "verstehen" gibt. Denn es ist einfach ein Entschluss zu glauben oder eben nicht zu glauben. Man muss ja auch bei seiner Linie bleiben. Es wäre aber beispielsweise schon sehr merkwürdig, wenn jemand zunächst zum Islam übertritt, und dann plötzlich durch diverse Argumente, den Glauben verliert und kopfschüttelnd das Kopftuch ablegen würde :-D

Fragezeichen hat gesagt…

Tja die Frage was einen zu diesem Glauben geführt hat ist hier leider offengeblieben und ich bin auch gern empfänglich für theologische Argumente, aber wenn Sie dann doch ausbleiben dann ist die Diskussion wohl eher beendet :-)

Lieselotte hat gesagt…

Hör mal, mein liebes Fragezeichen, auf meine Antwort, dass es um theologische Fragen ging, kam deinerseits keine Nachfrage nach den Details. Ich berichteja gerne, aber fragen musst du schon selbst...

Fragezeichen hat gesagt…

Hiermit frage ich Dich, wie mein Avatar es schon aus seiner puren Existenz heraus tut :-)

Erklär mir bitte die theologischen Gründe.

Lieselotte hat gesagt…

In aller Kürze:

Ich hatte Probleme mit der Trinität, der Gottessohnschaft Jesu, der Erbsünde.

Davon abgesehen konnte ich nicht nachvollziehen, warum Muhammad kein Prophet sein sollte, wenn es vor ihm schon so viele gegeben hatte.

Es grüßt
die Lieselotte

Fragezeichen hat gesagt…

Hi Lieselotte!

Nun gut, ohne Trinität kein Christentum, ohne Heiligen Geist keine Kirche :-) (Pfingstfest)
Andererseits gibt es auch Christen die die Trinität ablehnen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Antitrinitarier

;-)
Ist vielleicht auch spannend für Dich Dich mit diesen Leuten mal auseinanderzusetzen, viell. erkennst Du da einige Kritikpunkte wieder, die Dich beschäftigt haben.


Gottessohnschaft Jesu => Gott ist in Jesus Mensch geworden, es ist als eine Art Handreichung an uns zu verstehen. Durch Jesus rettet uns Gott.

Den Begriff "Erbsünde" muss man dialektisch betrachten: Es geht eigentlich nur darum dass der Mensch in Demut handelt und seine Fehler erkennt. Im heutigen Sinne würde ich von Selbstkritik sprechen. Wir sind nun mal nicht vollkommen.
"Es irrt der Mensch solang er strebt." (Goethe, Faust)

Hmm...die Frage ist für mich was macht Mohammed so besonders?
Jesus ist der Messias (auch im Koran).
Ist Mohammed der letzte Prophet?
Die hier meinen das wohl anders:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ahmadiyya

Könntest Du Dir einen Koran ohne Mohammed vorstellen? Warum taucht Mohammed nur an vier Stellen im Koran auf?


Beste Grüße und hoffentlich viele Denkanstösse vom schneeschippenden Fragezeichen :-)

Lieselotte hat gesagt…

Hi Fragezeichen,

sorry fuer die spaete Antwort...

Ich weiss, dass es auch "andere" Christen gibt. Und die Erklaerungen, die du mir zu Erbsuende etc. gegeben hast, die kenne ich auch.

Ich haette christin sein koennen. Aber ich waere eine Christin mit ganz vielen "aber"s gewesen. Da war Muslimin sein einfacher. :)

Was Muhammad so besonders macht? Fuer (die mainstream-)Muslime ist er der letzte Prophet. Koran ohne Muhammad? Das verstehe ich nicht ganz. Aus muslimischer Sicht hat Muhammad den Koran empfangen, war sozusagen der Uebermittler. Insofern macht "Koran ohne Muhammad" nicht wirklich Sinn. Und wenn du wissen willst, warum dies und das im Koran vorkommt, dann darfst du - aus muslimischer Sicht - nicht mich fragen, sondern jemand anderen...

Gruss
Lieselotte