Freitag, 29. April 2011

Auf der Fähre

Wenn man sich heute entscheidet, dass man morgen von London nach Deutschland fahren will, dann kann man sich für 200 Pfund (ca. 240 Euro) ein Flugticket kaufen. Oder für weniger als die Hälfte des Geldes mit dem Bus fahren. Das dauert - von Haustür zu Haustür - nur ein paar Stunden länger und Gepäck darf man viermal so viel mitnehmen - kostenlos. Ich habe nicht lange überlegt.

Vor, neben, hinter mir

Der Bus war nur etwa halbvoll. Engländer, Belgier, Deutsche, Polen, Türken, Araber. Vor mir saß ein junges Pärchen aus Belgien, neben mir auf der anderen Seite des Ganges ein mittelalter Mann aus Ostafrika oder vielleicht einem arabischen Staat und hinter mir eine vierköpfige strohblonde deutsche Familie mit zwei Jungs im Teenie-Alter. Die Fahrt konnte losgehen.

Babel

Nach zwei Stunden Fahrt gen Südosten waren wir am Meer. Hinter uns die weißen Kreidefelsen Dovers, vor uns die riesige Hafen- und Zollanlage. Der Busfahrer (dessen Herkunft bis zuletzt ein Rätsel blieb - er sprach mehrere Sprachen, aber alle schlecht) machte eine Ansage, die die Belgier vor mir aus dem Schlaf schrecken ließ. "Wo sind wir?", fragten die beiden und ich erklärte ihnen, dass wir in Dover sein. "Wo?" Ein kleines bisschen Variieren der Aussprache und ich erntete ein "aaaaah, Douvres!", wie Dover - das weiß ich jetzt - auf Französisch heißt.

Auf dem Schiff

Auf der Fähre sahen das Lieschen und ich auf dem obersten Deck der Küste mit Kreidefelsen, Dover Castle und Leuchtturm zu, wie sie langsam in der Dunkelheit verschwanden. Das riesen Schiff war ziemlich leer und - komisch, ein bisschen wie in einem Flughafenterminal sah es dort aus. Nach einer Weile stießen wir auf einen Raum, in dem Tom und Jerry-Cartoons über einen Flachbildschirm flimmerten. Drei Familien, das Lieschen und ich und fünfzehn bis zwanzig Männer, die gebannt der Katze und der Maus auf der Flimmermaschine folgten.

Angekommen

Keine zwei Stunden später waren wir in Calais, Frankreich, auf der "europäischen" Seite. Während der Bus durch die Dunkelheit brauste, musste ich an illegale Flüchtlingslager denken, die es dort irgendwo in der Nacht mal gab und vielleicht noch gibt, und an Frankreich, wo ich schon lange nicht mehr war.

2 Kommentare:

Annanymous hat gesagt…

Diese Bus-Fähren-Fahrt habe ich auch schon mal gemacht. Und die Flughafen-Terminal-Atmosphäre habe ich genauso wahrgenommen. Nur Tom & Jerry waren nicht da :-( Ich liebe diese Cartoons! :-)

Anonym hat gesagt…

Bei schwerer See wird die Parole ausgegeben: "Europe isolated!"

Ich liebe die Briten; thank God, it's an island.