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Oder: Warum die Bitte des KRM um einen offiziellen Platz im NSU-Gerichtssaal berechtigt ist
Es geht immer weiter um die Vergabe der Presseplätze im Gerichtssaal der bevorstehenden NSU-Verhandlung.
Politische Aufregung um Presseplätze
In der Zwischenzeit melden sich die ersten Politiker zu Wort.
Sigmar Gabriel spricht von "Borniertheit" des Gerichts und selbst
Guido Westerwelle scheint begriffen zu haben, dass wir mal wieder so ein bisschen mit unserem Ansehen in der Welt jonglieren. Die türkische Zeitung
Sabah hat in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde eingelegt und der
türkische Außenminister hat auch was zum Thema zu sagen.
Neuer Akteur: der KRM
Ganz neu mit dabei: der
Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM). Mein erster Gedanke dazu: Wie, was wollen die denn? Auch mitspielen, oder was? Klar, gibt ja auch ne Menge Medienaufmerksamkeit...
Angriffe nicht nur gegen Fremde, sondern auch gegen Muslime
Noch mal drüber nachgedacht: Die NSU hat sich ausdrücklich nicht nur gegen Türken, Griechen, Ausländern sondern auch gegen Muslime gewendet. Das steht außer Frage. Damit, dass nicht nur Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit sondern auch Islamfeindlichkeit ein Problem in Deutschland sind, tun sich weite Teile der Öffentlichkeit noch immer schwer. Man denke nur an den Mord an Marwa El-Sherbini im Juli 2009, nach dem es tagelang hieß, "eine Ägypterin" sei ermordet worden. Marwa El-Sherbini wurde nicht (nur) ermordet, weil sie Ägypterin, "Ausländerin", Fremde war, sondern - ihr Mörder beschimpfte sie explizit als "Islamistin", "Terroristin" - (auch), weil sie Muslimin und als solche zu erkennen war.
Die Morde können nicht rückgängig gemacht werden, aber...
Die Übergänge zwischen Ausländer- und Islamfeindlichkeit sind oft nicht klar getrennt. Ob die Männer, die den NSU-Terroristen zum Opfer fielen, in erster Linie attackiert wurden, weil sie als Fremde angesehen wurden oder weil man Muslime angreifen wollte - wer weiß das schon? Für die Männer, die starben und ihre Familien spielt das wohl keine Rolle - vielleicht aber in der Auseinandersetzung um die Vergabe der reservierten Plätze im Gerichtssaal. Denn hier geht es längst nicht mehr nur um Enver, Abdurrahim, Süleyman, Habil, Mehmet, Ismail, Theodoros, Mehmet, Halit (und Michèle) und ihre Familien, sondern darum, wie diese Gesellschaft, dieser Staat mit der Terrorserie umgeht, wie sie sie erklärt, welche Schlüsse sie zieht. Was geschehen ist, die Morde können nicht rückgängig gemacht werden, aber dieser Staat und seine Bürger können deutlich machen, dass rechtsextremistischer Terror nicht straffrei bleibt, dass er inakzeptabel ist und wir uns dagegen stellen.
Interesse des KRM berechtigt
Wenn die NSU-Truppe Drohschreiben auch an islamische Einrichtungen verschickt hat, dann war das eindeutig auch ein Angriff auf Muslime. Nicht nur auf "Ausländer". Und dann ist das Interesse des KRM auch berechtigt. Bei der Verhandlung zu einer Terrorserie, der in Deutschland lebende Israelis zum Opfer fielen (Gott bewahre), sollte schließlich auch Platz für den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland sein, falls dieser darum bäte. Insofern ist die Reaktion des Gerichts auf die Bitte des KRM um einen offiziellen Platz - falls die Auseinandersetzung so stattgefunden hat wie in oben zitiertem Spiegel Online-Artikel beschrieben - nicht wirklich verständlich.
Bleibt zu hoffen...
Bleibt zu hoffen: dass eine Lösung vor Beginn des Prozesses gefunden wird. Dass, ja, das hatten wir schon, die Damen und Herren in München mal ein Probetraining zum Thema "Politische sensible Themen und der Umgang mit denselben" ausprobieren. Und, last but not least, dass dem KRM nicht erst, als der Streit um die Vergabe der Plätze schon im Gange war, eingefallen ist, dass er auch gerne dabei wäre.
Es bleibt spannend
Es bleibt spannend (und der Prozess hat noch nicht einmal begonnen).